«In der Stadt gibt es nichts Besseres als E-Mobilität»

Smart-Chefin Annette Winkler

«In der Stadt gibt es nichts Besseres als E-Mobilität»
Smart-Chefin Annette Winkler neben dem neuen Fortwo. © Daimler

Smart schickt im November den neuen Fortwo und den Forfour auf den Markt. Im Interview spricht Markenchefin Annette Winkler über die neuen Modelle, China als Absatzmarkt und darüber, weshalb Smart mehr ist als nur ein Auto.

Smart-Chefin Annette Winkler spricht sich für ein E-Mobilitätsgesetz aus. «Wenn ich E-Mobilität wirklich fördern und auf eine Million Fahrzeuge kommen will, dann braucht es ein solches Gesetz. Entsprechend kann ich die Vorbehalte, die gegen freies Parken und die Nutzung der Busspuren vorgebracht werden, nicht nachvollziehen“, sagte Winkler im Interview mit der Autogazette.

«Im Moment noch zu viele Hemmnisse»

«Im Moment gibt es noch immer viel zu viele Hemmnisse, statt praktische Unterstützung der E-Mobilität.» Der Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein E-Mobilitätsgesetz sieht unter anderem die Nutzung der Busspuren vor. Dieser Vorschlag wird unter anderem vom Deutschen Städtetag und Umweltverbänden abgelehnt. «Alle Vorteile, die die E-Mobilität nach vorn bringen – und dazu gehören eben freies Parken in der Innenstadt und die Nutzung von Busspuren – werden die E-Mobilität attraktiver und damit erfolgreicher machen», betonte die Smart-Chefin. Für Winkler gibt es in der Stadt nichts Besseres als die E-Mobilität, «konzeptbedingt und ggf. verstärkt durch die Vorteile, die das E-Mobilitätsgesetz, falls es dann endlich kommt, unseren Kunden zusätzlich bringen würde».

«Was heißt da durchhangeln?»

Smart-Chefin Annette Winkler unterwegs im neuen Fortwo.
Annette Winkler am Steuer des neuen Fortwo Daimler

Autogazette: Frau Winkler, 15 Jahre nach dem Marktstart erhält der Smart Fortwo am 22. November nicht nur einen Nachfolger, sondern bekommt mit dem Forfour auch einen großen Bruder. Ist das der wichtigste Tag für die Marke seit der Gründung?

Annette Winkler: Ja, das kann man schon so sagen: Wenn Smart zwei neue Fahrzeuge auf einer neuen Plattform und mit neuen Motoren auf den Markt bringt, dann ist das in Kombination mit den integrierten Mobilitätsdienstleistungen ein sehr großer Meilenstein für die Marke.

Autogazette: Was bedeutet der Marktstart für Sie persönlich? Schließlich mussten Sie seit ihrem Amtsantritt als Smart-Chefin im September 2010 den Kunden ein arg in die Jahre gekommenes Auto anbieten und haben sich von Sondermodell zu Sondermodell gehangelt?

Winkler: Was heißt da "durchhangeln"? Ich würde mich freuen, wenn stattdessen festgestellt würde, dass das Smart-Team das eingehalten hat, was wir angekündigt haben, nämlich dass 2014 die neuen Autos kommen. Ein Ziel, das wir mit großer Begeisterung verfolgt haben.

«Die Marke im Lifecycle stabil halten»

Smart-Chefin Annette Winkler und Dieter Zetsche mit dem neuen Fortwo.
Annette Winkler und Dieter Zetsche bei der Weltpremiere in Berlin Daimler

Autogazette: Zwischen Amtsantritt und Marktstart der neuen Modelle liegen vier Jahre. Woher haben Sie ihren Antrieb genommen?

Winkler: Natürlich war die Perspektive der neuen Generation Smart, die neuen Modelle, die wir als die besten Stadtautos der Welt pünktlich auf den Markt bringen wollten, eine große Motivation. Mein großes Ziel war es in dieser Zeit aber auch, den bisherigen Smart Fortwo und die Marke in ihrem Lifecycle stabil zu halten. Dass mir das mit meinem Team gelungen ist, macht mich schon ein wenig stolz. Zugleich konnten wir 2012 den Elektro-Smart einführen und waren damit das erste europäische Serien-Elektroauto am Markt, auch das war ein Meilenstein.

Autogazette: Welche Zeit ist für Sie als Vertriebsprofi schwieriger? Die Zeit mit dem alten Smart oder die vor Ihnen liegende Zeit mit dem Marktstart der beiden neuen Modelle?

Winkler: Ich habe das nie als schwierig, sondern schon immer als begeisternd empfunden. Ich glaube, dass wir mit den beiden neuen Modellen ein erhebliches Wachstum hinbekommen und unsere Mobilitätsdienstleistungen weiter ausbauen werden.

«Das Design wirkt sehr futuristisch»

Smart legte im Mai deutlich zu.
Der neue Smart Fortwo ist 2,69 Meter lang Daimler

Autogazette: Ist es nicht ungleich schwieriger, ein arg in die Jahre gekommenes Auto wie den Smart zu vermarkten als ein neues Modell?

Annette Winkler unterbricht kurz das Gespräch, um den Smart Fortwo in einer engen Seitenstraße in der Stuttgarter Innenstadt zu wenden. Sie will demonstrieren, was ein Wendekreis von 6,95 Meter in der Praxis bedeutet: „Sehen Sie, das ist genau das, was ich immer herausstreiche: Der Wendekreis ist einfach fantastisch klein. In so einer engen Straße ohne Zurücksetzen zu wenden, das bringt Ihnen Sicherheit, schafft ein gutes Gefühl. Das Auto ist einfach ein ideales Stadtauto. Das muss man selbst erleben, um es nachzuvollziehen.“

Winkler: Zurück zu Ihrer Frage: Ein „Vertriebsprofi“, um Ihren Begriff zu verwenden, zeichnet sich dadurch aus, dass er nicht nur das neuste, das tollste Produkt zum günstigsten Preis absetzt. Er zeichnet sich dadurch aus, dass er auch ein bewährtes Produkt erfolgreich an den Kunden bringt, schon gar, wenn es ihm in der Stadt so viele unschlagbare Vorteile bringt. Jetzt liegt meine Verantwortung natürlich darin, die neuen Autos zu einem großen Erfolg zu führen.

Autogazette: Wir sind gemeinsam im neuen Smart Fortwo unterwegs. Was gefällt Ihnen persönlich am besten am neuen Zweisitzer?

Winkler: Das Design, es wirkt sehr futuristisch, ist aber weiter als typischer Smart zu erkennen. Er ist expressiver, er ist erwachsener geworden und verfügt über einen wunderschönen, gleichzeitig super-praktischen Innenraum, den wir mit viel Liebe zum Detail gestaltet haben. Der Zwei- wie auch der Viersitzer vermitteln ein exzellentes Raumgefühl. Der Fortwo ist zehn Zentimeter breiter geworden – Sie haben überhaupt nicht das Gefühl, in einem 2,69 Meter kurzen Auto zu sitzen. Beide Autos sind, wie ich beim Wenden im Fortwo gerade beispielhaft demonstriert habe, perfekt für die Stadt konzipiert. Zugleich bieten sie viel Komfort und ein deutlich verbessertes Fahrverhalten.

Annette Winkler fährt in diesem Moment über eine Straße mit Kopfsteinpflaster: „Diese Unebenheiten bügelt das Fahrwerk problemlos aus. Da kann man doch nicht meckern, oder?“

«In diesem Segment ist der Preis sehr wichtig»

Der Smart Fortwo bei der Weltpremiere.
Der neue Smart Forfour AG/Mertens

Autogazette: Was hat Sie eigentlich am alten Smart am meisten genervt? War es die veraltete Halbautomatik?

Winkler: Nein, denn ich habe immer per Hand geschaltet Und was nervt einen schon an einem Auto, das man liebt?

Autogazette: Der neue Smart wurde zusammen mit Renault entwickelt, der Forfour wird sogar im slowenischen Renault-Werk Novo Mesto gefertigt. Passt so etwas zum Premium-Image der Marke?

Winkler: Absolut. Auch in Novo Mesto haben wir eine Mannschaft, die mit einem hohen Qualitätsstandard produziert und spürbar motiviert und stolz darauf ist, den Viersitzer zu bauen.

Autogazette: Mit Blick auf die Verkäufe erwarten Sie eine Verteilung von zwei Dritteln für den Fortwo und ein Drittel für den Forfour...

Winkler: ...in etwa...

Autogazette: ...was macht Sie eigentlich zuversichtlich, dass der Viersitzer nicht wie der Vorgänger floppt, der 2006 vom Markt genommen wurde?

Winkler: In diesem Segment ist der Preis schon einmal sehr wichtig. Und wir nehmen nur 660 Euro mehr für den Viersitzer. Das ist ein Wort. Er basiert auf der gleichen Plattform und ist in vielen Eigenschaften nun ein richtiger
Smart.

Autogazette: Sie erwarten zwar ein starkes Wachstum, aber konkrete Zahlen nennen Sie nicht. Großes Zutrauen in die eigenen Produkte sieht anders aus.

Winkler: Keineswegs. Wir haben allergrößtes Zutrauen in den Smart und sein riesengroßes Potential in den immer zahlreicher und größer werdenden Metropolen dieser Welt auch wenn wir keine konkreten Absatzzahlen nennen, übrigens genauso wenig, wie wir dies für andere Produkte unseres Unternehmens tun.

«Niemand kann sagen, wie sich die E-Mobilität entwickelt»

Für E-Autos gibt es Sonderkennzeichen.
Der neue E-Smart kommt erst 2016 auf den Markt Daimler

Autogazette: 2016 wird der neue Elektro-Smart auf den Markt kommen. Warum so spät?

Winkler: Wir haben den jetzigen Smart Electric Drive erst seit zwei Jahren auf dem Markt – und er ist immer noch sehr beliebt. Es tut auch dem Produktanlauf gut, sich zunächst auf die Varianten mit Verbrenner-Motor zu konzentrieren.

Autogazette: Auf den E-Smart entfielen im Vorjahr 4,5 Prozent des Gesamtabsatzes. Nennt man so einen geringen Anteil schon Beliebtheit?

Winkler: Im Wettbewerbsvergleich ist ein solcher Anteil sicher eher hoch. Unser Erfolg misst sich daran, wie sich das Segment vollelektrischer Fahrzeuge entwickelt, das insgesamt ja bislang auf einem sehr niedrigen Niveau geblieben ist. Wir waren in Deutschland im Vorjahr Marktführer und in Europa die Nummer drei. Für einen auf die Stadt fokussierten Zweisitzer ist das wirklich gut.

Autogazette: Wo sehen Sie ab 2016 die Perspektive für den E-Smart?

Winkler: Das kommt aufgrund der nicht absehbaren Marktentwicklung einem Blick in die Glaskugel gleich – und zu so etwas neige ich bekanntlich nicht. Niemand kann derzeit sagen, wie die Elektromobilität sich entwickelt, auch wenn ich fest davon überzeugt bin, dass sie sich mittel- bzw. langfristig in der Stadt durchsetzen wird. In der Stadt gibt es nichts Besseres als E-Mobilität, konzeptbedingt und ggf. verstärkt durch die Vorteile, die das E-Mobilitätsgesetz, falls es dann endlich kommt, unseren Kunden zusätzlich bringen würde.

Autogazette: Was sagen Sie zu den Vorbehalten gegen das E-Mobilitätsgesetz, das unter anderem freies Parken und die Nutzung von Busspuren vorsieht?

Winkler: Wenn ich E-Mobilität wirklich fördern und auf eine Million Fahrzeuge kommen will, dann braucht es ein solches Gesetz. Entsprechend kann ich die Vorbehalte, die gegen freies Parken und die Nutzung der Busspuren vorgebracht werden, nicht nachvollziehen. Im Moment gibt es noch immer viel zu viele Hemmnisse, statt praktische Unterstützung der E-Mobilität. Ein Beispiel: Wenn ich meinen Mitarbeitern anbieten wollte, dass sie ihr E-Auto in der Firma kostenlos mit Strom auftanken, dann müsste der geldwerte Vorteil versteuert werden. Alle Vorteile, die die E-Mobilität nach vorn bringen – und dazu gehören eben freies Parken in der Innenstadt und die Nutzung von Busspuren – werden die E-Mobilität attraktiver und damit erfolgreicher machen.

«Wollen Präsenz von Smart in China ausbauen»

Autogazette: Wie wichtig ist China für den Elektro-Smart? In Kürze erhalten Sie dort mit dem Denza ja Konkurrenz aus dem eigenen Haus.

Winkler: Smart ist insbesondere in China eine sehr starke Marke: der Fortwo ist dort zu einem „Lifestyle-Icon“ geworden. Der Denza ist ein super Auto, tritt aber in einem ganz anderen Segment an. Wir wollen die Präsenz von Smart dort weiter ausbauen. Das gelingt uns in diesem Jahr, zum vierten Mal in Folge, erneut sehr gut. Ich rechne damit, dass wir in China in 2014 bereits fast 20 Prozent unseres Gesamtabsatzes machen werden – und das noch mit dem bisherigen Fortwo. Im Spätsommer des nächsten Jahres führen wir dann unsere neuen Modelle ein.

Autogazette: Teilen sei das neue Haben, haben Sie unlängst gesagt. Trifft das auch auf China zu?

Winkler: Wir probieren gerade corporate Carsharing in China mit einem großen Flottenkunden aus, der rund 60 Smart im Einsatz hat. Dort können Mitarbeiter und Kunden den Smart mit spontanen Anmietungen selbst erleben. Es ist eine gute Möglichkeit, das Teilen eines Autos auszuprobieren. Ich kann mir gut vorstellen, dass dieses Beispiel Schule machen wird.

«Unser Smart E-Bike kommt bei den Kunden gut an»

E-Bike von Smart
Bislang gibt es nur das E-Bike vom Smart Daimler

Autogazette: Smart ist nach Ihren Aussagen nicht nur eine Automarke, sondern ein Mobilitätskonzept. Was ist denn da noch zu erwarten?

Winkler: Wir bauen um unsere super-kompakten Smarts immer mehr Vorteile, die kein anderer Hersteller bieten kann. Diese machen wir unseren Kunden mittels einer App verfügbar, mit der sie beispielsweise die Parkplätze gezeigt bekommen, auf die nur ein Smart passt, Parkplätze teilen oder diese auch anderen Smart-Fahrern empfehlen können. Für immer mehr Städte ist es bald möglich, sich solche, oft auch sehr auf die jeweiligen regionalen oder nationalen Vorlieben abgestimmten Vorteile anzeigen zu lassen, wie gesagt, insbesondere solche, die nur der Fahrer genießen kann, der mit einem Auto von unter drei Metern Länge unterwegs ist.

Autogazette: Welche Rolle spielt in Ihrem Mobilitätskonzept das E-Bike?

Winkler: Unser Smart E-Bike kommt bei den Kunden sehr gut an und es ist eine hervorragende Ergänzung der E-Mobilität. Wo das Fahrrad in der Stadt dem Auto überlegen ist, soll der Kunde auch hier mit einem Produkt von Smart unterwegs sein können.

Das Interview mit Annette Winkler führte Frank Mertens

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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