«Substanz der Marke ist zurück»

Seat-Chef Jürgen Stackmann

«Substanz der Marke ist zurück»
Jürgen Stackmann ist noch bis Ende Oktober Seat-Chef. © Seat

Jürgen Stackmann ist noch bis Ende Oktober Chef von Seat, bevor er am 1. November sein neues Amt als VW-Vertriebsvorstand antritt. Im Interview mit der Autogazette spricht der Manager über den Abgasskandal, den Weg in die Profitabilität und Wachstumsziele.

Seat-Chef Jürgen Stackmann zeigt sich zuversichtlich, dass die geplanten Investitionen bei der spanischen Marke von 3,3 Milliarden Euro bis 2019 für Forschung, neue Modelle und den Ausbau der Produktion trotz des angekündigten Sparkurses in Folge des Abgasskandals bei Volkswagen für die spanische Marke wie geplant fließen werden.

«Ich gehe davon aus, dass der VW-Vorstandsvorsitzende Matthias Müller und der spanische Industrieminister José Manuel Soria die starken, leistungsfähigen spanischen Standorte mit ihren gut ausgebildeten Mitarbeitern als wichtiges Element im weltweiten Produktionsverbund des Konzerns ansehen», sagte Stackmann im Interview mit der Autogazette. Der spanische Industrieminister Soria hatte vor zwei Wochen nach einem Treffen mit Müller mitgeteilt, dass VW an seinen Milliarden-Investitionen festhalte.

Keine Auswirkungen auf Wachstumskurs

Diese Investition in die Marke Seat würde beweisen, «dass der Weg, den wir die vergangenen drei Jahre eingeschlagen haben, der erkennbar richtige ist. Das ist auf Zustimmung beim Konzern gestoßen», sagte Stackmann, der am 1. November sein neues Amt als VW-Vertriebsvorstand antreten wird. «Die Marke entwickelt sich prima, sie entwickelt sich geradlinig und nachhaltig. Wir sehen, dass wir im dritten Jahr in Folge wachsen und das auch in unserer Kernregion Europa», sagte der Manager.

Durch den Abgasskandal – bei Seat sind davon weltweit 700.000 Fahrzeuge betroffen – sieht Stackmann keine Auswirkungen auf den Wachstumskurs der Marke, «Dieses Jahr wird ohne Frage ein weiteres Wachstumsjahr für die Marke Seat werden. Nach drei Quartalen liegen wir bei einem Wachstum von 4,9 Prozent und 308.400 verkauften Fahrzeugen, dies versuchen wir bis zum Jahresende zu halten. Zweistellig werden wir sicherlich nicht mehr wachsen. Aber wir liegen mit diesen 4,9 Prozent über unserer eigenen Zielsetzung für dieses Jahr.»

Mit Blick in Richtung Profitabilität sieht Stackmann die Marke «auf Zielkurs, sonst hätten wir nicht diese große Investition in die Zukunft tätigen können. Wir sind für alle Beteiligten erkennbar vor dem Erreichen des Ziels Profitabilität». Wie Stackmann sagte, hätte man «erstmals seit Jahren wieder ein positives operatives Ergebnis mit einem Plus von 52 Millionen Euro erzielen können. Das ist zwar nur eine Momentaufnahme und hat keine Signalwirkung für das Ende des Jahres. Aber es zeigt, dass die Substanz der Marke zurück ist».

«Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen»

Im Januar beginnt VW mit dem Rückruf
Bei Seat sind weltweit 700.000 Autos vom Abgasskandal betroffen dpa

Autogazette: Herr Stackmann, Sie treten am 1. November Ihr neues Amt als VW-Vertriebsvorstand an. Mussten Sie angesichts des Abgas-Skandals bei VW lange überlegen, diese neue Aufgabe anzutreten?

Jürgen Stackmann: Die Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen, da ich bei Seat in den letzten Jahren mit hervorragenden Leuten erfolgreich zusammengearbeitet habe. Die aktuellen Ereignisse bei Volkswagen veranlassen uns aber jetzt zu schnellem Handeln. Wie genau meine neuen Aufgaben aussehen, kann ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht sagen. Zudem habe ich auch noch Verpflichtungen bei Seat, die ich natürlich wahrnehmen werde.

Autogazette: Weltweit sind bei Seat 700.000 Fahrzeuge vom Abgasskandal betroffen. Ist es den Kunden gegenüber vermittelbar, dass die Behebung der Manipulation erst 2016 beginnt und sich bis in die zweite Jahreshälfte ziehen wird?

Stackmann: Die Situation ist komplex: Volkswagen prüft mehrere Marken und Modelle aus verschiedenen Jahren und in verschiedenen Märkten. Hinzu kommen Varianten aus Motorentypen (3 Hubraum-Varianten und unterschiedliche Leistungstypen) und Getriebe (3 manuelle und 3 DSG-Getriebe). Diese Auswertung ist zurzeit noch nicht abgeschlossen.

«Gehen selbstbewusst in die kommenden Jahre»

Der Seat Leon Cupra ST macht auch auf der Rennstrecke eine gute Figur.
Der Seat Leon ST Cupra Seat

Autogazette: Sehen Sie durch den Abgasskandal die Wachstumsziele von Seat in Gefahr?

Stackmann: Seat bietet frische Designs, zuverlässige und leistungsstarke Motoren und größtmöglichen Fahrspaß. Die breite und attraktive Produktpalette überzeugt Neukunden wie treue Stammkunden. Zudem haben sich die verschiedenen Märkte, in denen Seat aktiv ist, erholt und sind neu erstarkt. Im nächsten Jahr kommt noch das neue SUV von Seat hinzu. Wir gehen sehr selbstbewusst in die nächsten Jahre.

Autogazette: Sie haben unlängst das größte Investment in der Firmengeschichte von Seat verkündet. Bis 2019 stecken sie 3,3 Milliarden Euro in die Forschung, neue Modelle und den Ausbau der Produktion. Bleibt dieses Investment bestehen, nachdem VW alle Investitionen auf den Prüfstand stellt? Der spanische Industrieminister ließ verlauten, dass VW daran festhält.

Stackmann: Ich gehe davon aus, dass der VW Vorstandsvorsitzende Matthias Müller und der spanische Industrieminister José Manuel Soria die starken, leistungsfähigen spanischen Standorte mit ihren gut ausgebildeten Mitarbeitern als wichtiges Element im weltweiten Produktionsverbund des Konzerns ansehen.

Autogazette: Was bedeutet dieses Investment für Ihre weiteren Wachstumsziele?

Stackmann: Das bedeutet, dass der Weg, den wir die vergangenen drei Jahre eingeschlagen haben, der erkennbar richtige ist. Das ist auf Zustimmung beim Konzern gestoßen. Die Marke entwickelt sich prima, sie entwickelt sich geradlinig und nachhaltig. Wir sehen, dass wir im dritten Jahr in Folge wachsen und das auch in unserer Kernregion Europa.

Autogazette: Dabei ist der Leon zum stärksten Produkt der Marke geworden...

Stackmann: Der Leon hat sich zum stärksten Produkt der Marke entwickelt. Er eröffnet uns den Weg in komplett neue Segmente. Mit ihm wachsen wir stark im Flottengeschäft, wir wachsen stark im Markt der jungen Familien. Damit eröffnen wir eine neue Kundengruppe für Seat. Das Investment, das wir nun vom Konzern vertrauensvoll erhalten haben, ermöglicht uns, diesen eingeschlagenen Weg konsequent zu Ende zu gehen.

«Haben fantastische Erfolge im mediterranen Bereich»

Seat liegt bei den Importeuren auf dem zweiten Platz.
Der Ibiza ist mit dem Leon das wichtigste Modell der Spanier Seat

Autogazette: Wo sehen Sie außerhalb Europas das größte Wachstum für die Marke?

Stackmann: Wir haben fantastische Erfolge im mediterranen Bereich: in Nordafrika, im mittleren Osten, wir wachsen mit 50 Prozent in Israel und der Türkei und wir wachsen auch in Ägypten. Wir machen mit einem Zuwachs von elf Prozent auch in Mexiko Fortschritte. Doch wir haben eine Obsession auf Europa. Mit diesem Fokus können wir noch einiges erreichen.

Autogazette: 2014 konnten Sie weltweit den Absatz um zehn Prozent auf 390.500 Fahrzeuge steigern. Werden Sie auch in diesem Jahr wieder zweistellig wachsen?

Stackmann: Dieses Jahr wird ohne Frage ein weiteres Wachstumsjahr für die Marke Seat werden. Nach drei Quartalen liegen wir bei einem Wachstum von 4,9 Prozent und 308.400 verkauften Fahrzeugen, dies versuchen wir bis zum Jahresende zu halten. Zweistellig werden wir sicherlich nicht mehr wachsen. Aber wir liegen mit diesen 4,9 Prozent über unserer eigenen Zielsetzung für dieses Jahr. Die Entwicklung ist also sehr erfreulich und wir erwarten den nächsten Wachstumsimpuls für Seat mit der Einführung des neuen Kompakt-SUV im kommenden Jahr.

Autogazette: Ist dieser Kompakt-SUV das Modell, von diesem sie sich prozentual das größte Wachstum versprechen?

Stackmann: Für uns eröffnet sich mit diesem Modell ein Markt von fast 25 Prozent in Europa. Es ist ein Segment, das wir bisher nicht bedient haben. Deshalb erwarten wir von dem Kompakt-SUV einen großen Wachstumsimpuls in den Jahren nach der Einführung dieses Modells und den nächsten großen Wachstumsschritt für die Marke.

Autogazette: Wieviel Stackmann steckt denn im neuen SUV?

Stackmann: Da steckt ganz viel Teamarbeit drin. Zur Marken-DNA zählt, dass wir immer weniger von einzelnen Personen abhängig sind, sondern als Mannschaft agieren und Projekte erfolgreich umsetzen. Natürlich steckt in diesem SUV auch von mir sehr viel Herzblut. Wir sind alle mächtig stolz.

«Deutsche Markt ist der Schlüsselmarkt für uns»

Luca de Meo (l.) und Jürgen Stackmann steigen auf.
Luca de Meo wird Nachfolger von Jürgen Stackmann dpa

Autogazette: Sie sagten immer, dass der Wachstumstreiber für Seat insbesondere der deutsche Markt ist. Derzeit liegt Seat in Deutschland – wo 86.000 Autos vom Abgasskandal betroffen sind - nach neun Monaten mit fast 72.000 Einheiten bei einem Wachstum von 5 Prozent. Sind Sie zufrieden mit der Performance?

Stackmann: Absolut. Der deutsche Markt ist der Schlüsselmarkt für uns. Er hat dazu geführt, dass wir die große Abhängigkeit von Südeuropa beenden konnten. Doch neben dem Wachstum in Deutschland hat sich auch der Markt in Südeuropa erholt, wo wir nun auch wieder zulegen. So erholt sich auch der spanische Markt. Erstmals seit Jahren ist das Vertrauen der Kunden dort wieder zurückgekehrt. Wir wachsen in Spanien im Vergleich zum Vorjahr über 20 Prozent, in Italien sogar über 40 Prozent. Wir können uns über Wachstum im Süden und Stabilität im Norden freuen.

Autogazette: Schaut man sich den Anteil der Eigenzulassungen im Juli an, lag Seat auf dem deutschen Markt mit einer Quote von 45,9 Prozent unter den Herstellern auf Platz eins. Sieht so gesundes Wachstum aus.

Stackmann: Wir hatten im Juli in der Tat eine hohe Eigenzulassungsquote auf dem deutschen Markt, die auch über unserem eigenen Schnitt liegt. Doch diese hohe Quote resultiert daraus, dass wir im Juli den neuen Ibiza eingeführt haben und damit auch viele Tageszulassungen angeboten haben. Man muss feststellen, dass diese Tageszulassungen bedauerlicherweise in Deutschland zum Teil des Marktes geworden sind. Im August wird sich das wieder normalisiert haben. Wir verfolgen in Deutschland aber die konsequente Politik, uns bei den Eigenzulassungen auf dem Niveau der anderen Importeure zu bewegen. Daran halten wir fest.

Autogazette: Also wollen Sie sich auch zukünftig nicht um jeden Preis Wachstum erkaufen?

Stackmann: Wir sind nicht mehr oder weniger aggressiv unterwegs als der Markt. Es geht bei uns um nachhaltige Profitabilität, deshalb schließen wir so etwas aus. Zugleich ist diese hohe Eigenzulassungsquote auch damit zu begründen, dass wir 40 neue Händlerbetriebe eröffnet haben.

Autogazette: Sie haben jetzt rund 360 Händlerbetriebe in Deutschland. Reicht das für das weitere Wachstum aus?

Stackmann: Wir sind auf der Zielgeraden. Viele der bestehenden Händler haben sich weiter entwickelt und haben in ihre Betriebe investiert. Ferner verändern sich die Händlerbetriebe in ihrem Aussehen, so wird der Markenauftritt hin zur neuen CI verändert und wir legen einen großen Wert auf den Service, wo wir unser Personal weiter geschult haben.

«Wir befinden uns auf Zielkurs»

Autogazette: Im Vorjahr konnten Sie den Verlust von Seat signifikant auf 66 Millionen Euro reduzieren. Ab wann wollen Sie die schwarze Null schreiben?

Stackmann: Wir befinden uns auf Zielkurs, sonst hätten wir nicht diese große Investition in die Zukunft tätigen können. Wir sind für alle Beteiligten erkennbar vor dem Erreichen des Ziels Profitabilität. Im ersten Halbjahr haben wir erstmals seit Jahren wieder ein positives operatives Ergebnis mit einem Plus von 52 Millionen Euro erzielen können. Das ist zwar nur eine Momentaufnahme und hat keine Signalwirkung für das Ende des Jahres. Aber es zeigt, dass die Substanz der Marke zurück ist. Die gute Arbeit der zurückliegenden Jahre mit Blick auf Effektivität und Effizienz zahlt sich aus. Das zeigt, dass wir auf dem richtigen Kurs unterwegs sind.

Das Interview mit Jürgen Stackmann führte Frank Mertens

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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