Renault setzt bei Twizy auf Revolution

Elektro-Zweisitzer mit Flügeltüren

Renault setzt bei Twizy auf Revolution
Der Renault Twizy bietet zwei Personen Platz © Renault/Emerling

Renault kommt langsam in Fahrt bei seinen Elektromobilen. Ein erster Test der Autogazette mit einem Prototypen des Ende des Jahres auf dem Markt kommenden Twizy zeigt aber auch auf, dass der kleine Zweisitzer nicht unbedingt als die prognostizierte Alternative zu Rollern herhalten kann.

Von Thomas Flehmer

Die Halbwertzeit des BMW C1-Rollers dauerte nicht lang. Zwischen 2000 und 2003 wurde der überdachte Motorroller gebaut, doch die Kundschaft zeigte dem Zweirad die kalte Schulter. An das Projekt des bayrischen Herstellers erinnert Renault mit seinem Twizy, der auf den ersten Blick wie ein verlängerter C1 ausschaut. Zum einen können zwei Personen unter dem Dach hintereinander Platz nehmen, zum anderen stehen Fahrer und Beifahrer vier Räder zur Verfügung, die von einem 15 kW/20 PS starken Elektromotor angetrieben werden.

Volumenmodell statt Imageträger

Renault sieht in dem gerade mal 2,40 Meter langen und 1,20 Meter breiten Twizy eine Alternative für Roller, Micro-Cars oder die Fahrt mit dem öffentlichen Nahverkehr. "Der Twizy ist kein Imageträger, sondern ein Volumenmodell. Es ist die Revolution, auf die wir setzen", sagt Renault-Produktmanager Christophe Ambroggi vor der ersten Testfahrt mit einem Prototypen.

Sehr revolutionär sieht die Mischung aus Quad und Strandbuggy, die es auch als Twizy 45 mit einem 4 kW / 5 PS starken Elektromotor geben wird, wahrlich aus. Fahrer und Beifahrer sitzen hintereinander, wobei der Co-Pilot mit seinen Gedanken an einen Gynäkologenstuhl nicht unbedingt falsch liegt. Die Beine schmiegen sich um den Fahrersitz, ansonsten aber haben selbst zwei fülligere Personen gut Platz für die Fahrt durch die Stadt. Und auch das gerundete Dach lässt viel Kopffreiheit zu.

Fahrfreude auf offener Strecke

Der Renault Twizy verfügt über 57 Newtonmeter Drehmoment AG/Flehmer

Gestartet wird der Twizy wie ein Verbrennungsmotor, Rückwärts- und Vorwärtsgang sowie Leerlauf werden per Knopfdruck eingestellt, bevor das Gaspedal dann heruntergedrückt werden kann. Von Beginn an liegen die 57 Newtonmeter Drehmoment zur Verfügung und der Stromer setzt sich flott in Bewegung. Die Höchstgeschwindigkeit wird mit 80 km/h angegeben, auf freier Strecke wurde dieser Wert um drei bis fünf Stundenkilometer überboten.

Denn das Fahren mit dem Twizy bereitet auf offener Wildbahn eine Menge Fahrfreude. Die Motorgeräusche entfallen, nur das Rollen der Reifen wird deutlich vernommen, da kein Helm die Ohren bedeckt, denn eine Helmpflicht besteht nicht bei beiden Twizy-Varianten. Warme Luft weht dank nicht existierender Türen recht angenehm in den Innenraum, der Vorstellung von Regen und Orkanböen mag man sich in diesem Moment nicht hingeben. Der Regen soll zwar von den seitlichen Flanken abperlen, die feucht-nasse Luft wird trotzdem gespürt. Renault bietet für die Klimaverhältnisse Fußsäcke als Schutz an.

Gewöhnungsbedürftige Lenkung

Das Einparken gelingt mit dem Renault Twizy sehr leicht AG/Flehmer

Optional können auch Türen, die die Hälfte des Einstiegs bedecken, geordert werden. Renault geht davon aus, dass rund 80 Prozent aller Kunden, halbwegs geschlossene Twizys ordern werden. Wie beim ebenfalls elektrischen Mercedes-Benz SLS werden die Türen, deren Aufpreis noch nicht feststeht, gen Himmel geöffnet. Das ist allerdings auch die einzige Gemeinsamkeit zwischen Twizy und SLS.

Dank seiner kurzen Ausmaße wird der Twizy aber eher für urbane Aufgaben gebraucht werden. Eine Parklücke kann notfalls auf quer eingenommen werden, das Rangieren in selbige hinein, geht dank eines Wendekreises von 3,40 Metern Durchmesser recht geschmeidig, auch wenn die Lenkung des Prototypens etwas gewöhnungsbedürftig ist.

Spaßmobil statt Citystromer

Dreieinhalb Stunden muss der Renault Twizy geladen werden AG/Flehmer

Trotz seiner kleinen Abmessungen ist der Twizy eine Alternative für den Öffentlichen Nahverkehr und natürlich auch für Micro-Cars, die vor allem in den Nachbarländern beliebt sind. Als Alternative zum Roller taugt er weniger. Zwar schützt der Twizy besser vor Wind und Wetter, doch kann er nicht so geschickt durch den vollen Verkehr gelenkt werden wie ein Roller. Zudem wird es schwer, den Zweisitzer gerade in stark bewohnten Gebieten innerhalb von dreieinhalb Stunden aufzuladen, ohne dass das aus dem Fenster heraushängende Kabel durchgeschnitten oder die zugängliche Inneneinrichtung von Sprayern missbraucht wird.

In der Einfamilienhaus-Siedlung in den Vorstädten gibt es unter dem Carport keine Probleme mit dem Aufladen, nur dürfen die Trabantenstädte im Speckgürtel nicht allzu weit von der City entfernt sein, da der Twizy nur über eine Reichweite von maximal 100 Kilometern verfügt, die je nach Fahrweise auch schrumpfen kann. So dient der Twizy wohl eher als Spaßmobil, als Zweit- oder Drittfahrzeug oder in der kleineren Variante, die in Deutschland mit dem Führerschein Klasse S ab 16 Jahren gesteuert werden kann, als Vorbereitung auf das begleitete Fahren.

45 monatliche Leasingkosten für Batterie

Christophe Ambroggi stellt die seriennahe Version des Renault Twizy vor AG/Flehmer

6990 Euro verlangt Renault, um Buggy-Gefühle in der Großstadt erleben zu können. Hinzu kommen 45 Euro monatliche Leasinggebühren für die Batterie auf drei Jahre. Sollte diese vorher ihre Leistung deutlich verlieren, übernimmt Renault die volle Garantie und tauscht aus. Die Fahrt mit dem Twizy bereitet riesige Freude, doch ob der Zweisitzer – zumindest in Deutschland -die Chance zum Revolutionär hat, sei noch dahingestellt. Oder er folgt dem Beispiel des C1. Der Motorroller ist heute begehrt wie nie – auch eine Art Revolution.

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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