Renault Latitude – der Unverkäufliche

Renault Latitude V6 dCi240 FAP

Renault erweitert im Januar das Modell-Programm mit der fast fünf Meter langen Komfort-Limousine Latitude. Sie zielt auf Aufsteiger und gilt aber vom ersten Tag an als unverkäuflich.

Von Martin Woldt

Konservativ gestylt wie kein anderer Renault zuvor wird der französische Hersteller Anfang kommenden Jahres den Latitude nach Deutschland bringen. Auf den ersten Blick ähnelt der 4,90 Meter lange Viertürer manchem all zu gut bekannten Mittelklassemodell zwischen VW Passat und Ford Mondeo. Und man ahnt schon, dass da kein Auto anrollt, das die Versuchung in sich trägt, Hund und Gattin dafür zu verlassen. Aber solch in Chrom gerahmte, schnörkellose Eleganz zählt zu den Spielregeln in der Liga der Vertreterlimousinen, in der drei Viertel aller Modelle mit einer gewerblichen Zulassung auf die Straße kommen. Understatement und Solidität regieren dieses Segment. Weshalb Renault im Latitude so ziemlich alle Spuren französischer Raffinesse tilgte. Es gibt noch weniger Digitalanzeigen als im Laguna.

Spezielles Leasingangebot

Allerdings behauptet Sprecherin Nadine Meier, dass es der Hersteller zumindest in Deutschland doch eher auf den Privatmann abgesehen habe. Solche Renault-Kunden nämlich, die bislang vergeblich nach dem Aus des Velsatis 2009 nach einer großen komfortablen Limousine im Programm suchten. Für eine monatliche Leasingrate von 399 Euro sollen sie vier Jahre gut gepolstert durch die Lande schweben können. Andere Finanzierungen blieben vorerst außen vor.

Komfort ist denn auch das Stichwort, auf das Projektmanager Francois Gras gesteigerten Wert legt. Anders als bei der 20 Zentimeter kürzeren Laguna-Limousine, die auf der gleichen Plattform unterwegs ist, wird im Latitude eine Hinterachse von Konzernpartner Nissan/Samsung verbaut. Während es beim Radstand von 2,76 Meter blieb, verbreitert sich die hintere Spurweite um fünf Zentimeter auf 1,56 Meter. Zwar wird die Hinterachse für Europa etwas fester abgestimmt, legt ihren weich schwingenden Grundcharakter aber nicht völlig ab. Das ist auch unter Komfortgesichtspunkten nicht nur von Vorteil. Harte Stöße balanciert der Latitude etwas länger aus.

Andere Hinterachse

Klassisches Cockpit Foto: Renault

In Korea, wo Renault das Auto für die Hauptzielgruppe, asiatische Kunden, baut und als SM5 vom Band schickt, entspricht das dem Geschmack. Aber wer hierzulande etwa vom Laguna aufsteigt, dem bleibt die unterschiedliche Fahrwerksabstimmung nicht verborgen. Unter Umständen sogar am Steuer. Die Version mit dem kleineren 127 kW/173 PS starken Diesel ist weniger feinfühlig als jene mit dem größeren Selbstzünder (177kW/241 PS). Hier sollte Renault noch etwas an den Stellschrauben der elektrohydraulischen Lenkhilfe nachjustieren. Das Auto liegt dann einfach besser in der Hand.

Besondere Note

Asiatische Präferenzen lässt der Latitude auch an anderer Stelle erkennen. Zentral in der Mittelkonsole ist beispielsweise ein Filter platziert, der der Umluft nach Bedarf erfrischende Duftnoten beimengt. Was in den Straßenschluchten chinesischer Metropolen wie lebensrettend wirken mag, ist in Europa kaum mehr als eine nette Dreingabe. Sie konnte sich schon in anderen französischen Fahrzeugen nie wirklich durchsetzen. Den eingebundenen Schadstoffsensor allerdings, der bei belasteter Umgebungsluft automatisch den Zustrom von außen unterbricht, weiß man gewiss auch hier zu schätzen.

Komfort als oberstes Gebot

Der Renault Latitude misst 4,90 Meter Foto: Renault

Zu den weiteren Besonderheiten des Latitude zählt die Kombination beider Dieselaggregate mit einer sechsstufigen Automatik. Ein Sechsganghandschalter ist allein dem Benziner (103 kW/140 PS) vorbehalten. Den Kraftschluss in der Wandlerautomatik hat Renault in beiden Fällen gut abgestimmt. Die Beschleunigungswerte von null auf hundert zwischen 9,9 und 7,6 Sekunden sind passabel.

Akustisch gefiel uns allerdings auch hier der größeren Diesel V6 dCi240 besser. Die Übergänge beim dCi 175 waren häufiger von gemischten Tonlagen begleitet, die weniger souverän mit Kraftentfaltung harmonierten. Gewiss ordnet sich die ausschließliche Kombination der Selbstzünder mit einer Automatik der Komfort-Strategie unter. Renault unterschätzt aber offenbar, dass Tankstellenpreise auch Stress machen können.

Ausbaufähiger Spritspargedanke

Zwar sind die im Fahrzyklus ermittelten Verbrauchswerte von 6,5 bzw. 7,2 Litern für beide automatikgesteuerten Diesel auf 100 Kilometer keine Aufreger. Allerdings weicht die Fahrpraxis durch den unter Straßenbedingungen höheren Regelbedarf mitunter deutlicher davon ab. Da der kleinere Diesel etwa im Laguna ja als Handschalter mit fast einem Liter niedrigerem Verbrauch nicht neu erfunden werden muss, sollte man ihn auch dem Latitude-Interessenten nicht vorenthalten.

Zumal der Spritspargedanke in den jetzt avisierten Versionen etwas untergeht. Nur das Benzinmodell fährt unter dem Sparsamkeitslabel eco2. Es gibt keine Einsparhilfen wie eine Schaltpunktanzeige oder das Start-Stopp-System. Aber gerade die erleichtern das Gewissen, zieht man den Umstieg in ein größeres Auto in Betracht.

Streitbarer Oberklasse-Anspruch

Beinfreiheit bei 2,76 Meter Radstand Foto: Renault

Apropos groß. Man tut dem Latitude sicher keinen Gefallen, wenn man ihn, wie Renault das im Vorfeld mitunter darstellte, als Oberklasse-Modell betrachtet. In Länge und Breite mag er in die Gefilde der Mercedes E-Klasse oder vom Audi A6 vorstoßen. Aber schon beim 447 Liter großen Kofferraum tun sich 100 Liter Unterschied auf. Doch davon abgesehen bräuchte es mehr "Wurzelholz-Exklusivität" wie etwa eine dynamische Fahrwerksregelung, Abstandswarner, Schaltwippen und solchen Schnickschnack, die über die Mittelklasse hinausreichen.

Allerdings sind Massagefunktionen im Fahrersitz, eine Drei-Zonen-Klima-Automatik, die Rückfahrkamera oder das Bose-Sound-System als Serienausstattung auch nicht zu verachten. Doch drängen sich eher Vergleiche in Richtung Skoda Superb, Opel Insignia oder VW Passat auf. Aber Achtung, da sind wir immer noch im preissensiblen Sektor. Vielleicht ist es clever, das Auto nur per Leasing zu platzieren. Die überschaubare Monatsrate von 399 Euro inklusive Wartung und Garantie gilt allerdings nur für den Benziner. Die Kosten für die Diesel-Varianten werden laut Nadine Meier, zum Jahresende bekannt gemacht.

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