Gummi-Mixturen sollen Spritverbrauch senken

Die Mischung machts

Gummi-Mixturen sollen Spritverbrauch senken
Vorn ist die Corvette C6 mit 18 Zoll Reifen der Dimenson 245/40 R 18 unterwegs © Foto: AG/Mertens

Die Reifenhersteller haben in den vergangenen Jahren einen extreme Wandel vollziehen müssen. Anstatt „Gimme Gummi“ verlangen selbst Sportwagenfahrer nach verbrauchseinsparenden Pneus.

Von Felix Rehwald

Der PS-Wahn früherer Jahrzehnte wurde zuletzt durch die Klimadebatte und steigende Spritpreise ganz schön gebremst. Denn viel wichtiger als ordentlich Rums unter der Haube ist vielen Autofahrern inzwischen, wie viel Kraftstoff ihr Gefährt konsumiert. Das zwingt nicht nur die Autobauer, kleinere Motoren zu montieren und Spritspartechnologien zu erfinden. Auch die Reifenhersteller sind gefordert, neue Gummimischungen anzurühren, die den Rollwiderstand verringern und somit helfen, den Spritverbrauch insgesamt zu senken.

Rollwiderstand verbessern

Und das ist keineswegs nur ein Thema für sogenannte Öko-Modelle. Selbst die Hersteller ausgesprochen sportlicher Fahrzeuge schrieben ihnen inzwischen ins Lastenheft, dass neue Reifen zu einem geringeren Spritverbrauch ihrer Autos beitragen müssen, erzählt Klaus Engelhart vom Reifenhersteller Continental. Den Rollwiderstand zu verbessern, sei daher bei jeder Reifen-Neuentwicklung ein Ziel der Ingenieure.

Ihre wichtigsten Ansatzpunkte sind die Konstruktion des Reifenunterbaus und die Zusammensetzung der Gummimischung für die Lauffläche, erläutert Thomas Alshuth vom Deutschen Institut für Kautschuktechnologie (DIK). Der Unterbau, die sogenannte Karkasse, besteht im Prinzip aus einem Stahlgewebe, das in Gummi eingebettet ist. Zu einem geringen Rollwiderstand trägt eine Konstruktion bei, bei der sich das Gummi zwischen den Stahlnetz-Lagen nur wenig verschieben kann, wenn der Reifen in Bewegung ist. Der Schlüssel für rollwiderstandsarme Laufflächenmischungen sind laut Alshuth neue Werkstoffe, an denen auch das DIK für die Reifenindustrie forscht.

Reifeningenieure im «Zielkonflikt»

Ziel sei es hier, die innere Reibung des Materials zu verringern, erklärt der Leiter der DIK-Abteilung Elastomerphysik. Früher hätten die Reifenhersteller der Gummimischung Ruß hinzugefügt. In den 1990er Jahren setzte das Unternehmen Michelin stattdessen erstmals ein Salz der Kieselsäure ein, auch als Silica bezeichnet. «Das hat einen Riesenschwung gebracht, was den Rollwiderstand anbelangt», sagt Alshuth. Gleichzeitig verbesserte der Zusatzstoff die «Nassbremseigenschaften» der Reifen.

Das ist wichtig, weil sich die Reifeningenieure in einem «Zielkonflikt» befinden, wenn sie den Rollwiderstand eines Pneus zu verringern versuchen, erklärt Arnulf Thiemel vom ADAC-Technikzentrum. «Insbesondere der Nassgriff - also die Hafteigenschaften des Reifens auf nasser Straße - verhält sich diametral zu einem geringen Rollwiderstand», erläutert der Experte. Je weniger Sprit ein Reifen verbraucht, desto schlechter werden die Nassbremseigenschaften, räumt auch Continental-Sprecher Klaus Engelhart ein.

Kompromissreifen am besten

Das größte Problem bei der Entwicklung neuer Reifen ist laut Thiemel, dass die Änderung eines Kriteriums immer auch Nachteile in anderen Bereichen bewirkt. Ein guter Autoreifen müsse aber in allen Punkten überzeugen, betont der ADAC-Experte. Darauf achteten nicht zuletzt die Ingenieure des Clubs bei ihren regelmäßigen Reifentests. Vorteile bei den Umwelteigenschaften, die durch Nachteile beim Bremsverhalten erkauft wurden, führten zwangsläufig zur Abwertung. Denn Abstriche bei der Sicherheit dürfe es nicht geben.

Am besten schnitten erfahrungsgemäß sogenannte Kompromissreifen ab, bei denen sich die Eigenschaften Nassgriff, Rollwiderstand und Abrieb ausgewogen zueinander verhalten. Reifenfachleute bezeichneten diese Kriterien als «magisches Dreieck», erzählt DIK-Experte Alshuth. «Einen in der Summe guten Reifen zu entwickeln, ist aufwendig und teuer», ergänzt ADAC-Experte Thiemel.

Gasfuß immer noch entscheidend

Die Zugabe von Silica zur Laufflächenmischung mache den Zielkonflikt immerhin «beherrschbarer», sagt Continental-Sprecher Engelhart. Auch über das Profil lasse sich noch einiges an Spritsparpotenzial aus dem Reifen herausholen: Es wird so angelegt, dass er sich möglichst wenig verformt.

Allerdings sollte man nicht vergessen, dass die Reifen nur für ein Fünftel des Rollwiderstands eines Autos verantwortlich sind, sagt Engelhart. Und der wiederum ist nur ein kleines von vielen Kriterien, die letztlich den Spritverbrauch ausmachen. Ein viel größeres Sparpotenzial stecke immer noch im Gasfuß vieler Autofahrer. Daran ändert selbst die Tatsache nichts, dass sie rollwiderstandsoptimierte Reifen aufgezogen haben.

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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