Piaggio MP3: Auf drei Rädern durch den Stau

Wendig in der Stadt

Piaggio MP3: Auf drei Rädern durch den Stau
Der Piaggio MP3 ist für volle Städte das richtige Gefährt. © Piaggio

In Paris sind Staus allgegenwärtig. Vor diesem Hintergrund sind extrem viele Roller unterwegs. Besonders beliebt ist dabei die Piaggio MP3. Nun gibt es sie in der zweiten Generation. Was sie zu bieten hat, zeigt unser Fahrbericht.

Von Ulf Böhringer

Frankreichs Hauptstadt ist, straßenverkehrstechnisch gesehen, im doppelten Sinne ein heißes Pflaster: Erstens ist die Verkehrsdichte legendär und zweitens der Kopfsteinpflasteranteil für eine Metropole ungewöhnlich hoch. Der erstgenannte Aspekt führt dazu, dass die Zweiradnutzung extrem hoch im Kurs steht, denn Staus sind allgegenwärtig, freie Parkplätze dagegen mehr als rar.

Der zweite Aspekt hat die Pariser in den letzten acht Jahren in Scharen auf den Piaggio MP3 umsteigen lassen; mit seinen zwei Vorderrädern und einem Hinterrad ist er deutlich fahrsicherer als ein konventioneller Roller, aber dennoch beinahe gleich wendig. Die zweite MP3-Generation, im Pariser Gewühl soeben präsentiert, behält alle Vorteile des Erstlings, bietet als 500er jedoch ab sofort mehr Raum für Passagiere und Gepäck sowie ein Komfort-Plus, vor allem aber dank Antischlupfregelung, ABS, größerer Vorderräder und vergrößerter Bremsen mehr Sicherheit.

Nur geringe Modifikationen

Der Umfang der optischen Veränderungen entspricht ungefähr der Retusche vom Golf VI zum Golf VII. Kein modifiziertes Detail sticht so richtig ins Auge, aber insgesamt lässt der neue MP3 den bisherigen fast schon plump aussehen. Insbesondere das neu designte Heck schmeichelt dem Auge des Betrachters. Dass die Heckklappe entfallen ist, darf als großer Vorteil gelten, denn der Stauraum unter der elektrisch entriegelbaren Sitzbank ist jetzt wesentlich besser zugänglich als bisher; zwei ausgewachsene Integralhelme passen hinein. Zusätzlich findet sich jetzt am Heck ein kleiner Gepäckträger.

Viel mehr Platz steht ab sofort auch dem Fahrer und einer eventuellen Sozia zur Verfügung: Die Sitzbanklänge ist durch das Update um 25 Prozent gewachsen, der Sitz selbst ist bequemer und weist vorne wie hinten eine kleine, wohltuende Rückenstütze auf. Der Abstand vom Sitz zum Fußraum ist angenehm gewählt, so dass ziemlich Große, aber auch eher Kleinere sich bequem untergebracht fühlen.

Gute Sitzposition

Auch der Boden ist für MP3-Piloten ab etwa 1,65 Meter Körpergröße gut erreichbar. Sehr gut schützt auch das Windschild; für Ganzjahres-Fahrer ist ein Riesen-Windschild als Zubehör lieferbar, das seine volle Wirkung aber nur bei halbwegs zügiger Fahrt entfaltet. Auch eine Wetterschutzdecke, die mit Laschen am Fahrzeug fixiert werden kann, ist erhältlich und wird von den Pariser Roller-Profis auch eifrig genutzt.

Fürs Vorwärtskommen in der Seine-Metropole ist die stärkste lieferbare MP3-Motorisierung gerade die richtige, und auch die Deutschen haben am 500er Motor mit 29,5 kW/40 PS großen Gefallen gefunden. Die kleineren Hubraumversionen mit 300 und 125 Kubik spielen bei uns praktisch keine Rolle, während sich der bisherige MP3 500 hierzulande bestens verkauft. Der Halbliter-Einzylindermotor läuft dank diverser Modifikationen nun deutlich sanfter und soll auch zehn bis 15 Prozent weniger Sprit verfeuern.

Einer der Gründe für den Minderverbrauch ist, dass nun auch ein zweiter Fahrmodus namens ECO zur Wahl steht; gegenüber dem Standard-Modus wird bei ihm die Einspritzmenge leicht reduziert. Doch auch das stufenlose Getriebe wurde verbrauchsoptimiert. Verringert wurde zudem die Lautstärke des MP3 beim vollen Beschleunigen, und zwar gleich um 3 db/A, was einer Halbierung der wahrgenommenen Lautstärke entspricht.

Sicherheit steht im Vordergrund

Piaggio MP3
Zwei Helme finden unter der Sitzbank Platz. Böhringer

Besonderen Wert hat Piaggio bei der Überarbeitung des MP3 auf die Sicherheit gelegt: Die Traktionskotrolle hält ein auf nassem Kopfsteinpflaster gern mal wegschmierendes Hinterrad zuverlässig im Zaum. Mit einem Continental-ABS ist der MP3 500 der erste Dreirad-Roller auf dem Markt, der über dieses Sicherheitsdetail verfügt. Die Bremse ist als Kombi-Bremse ausgelegt: Der Tritt aufs Bremspedal – es ist wegen der Möglichkeit, den MP3 mit dem Pkw-Führerschein zu fahren, erforderlich – aktiviert alle drei Bremsscheiben; mittels des rechten Bremshebels werden die zwei Front-Scheibenbremsen, mittels des linken nur die hintere Bremse betätigt. Eine Parkbremse gibt’s dazu.

Auch das Fahrwerk des MP3 zeigt sich verbessert. Eine komplett neue Rahmenkonstruktion erhöht die Steifigkeit um 35 Prozent, die Vorderräder weisen jetzt 13 statt bisher 12 Zoll Durchmesser auf, wodurch auch die vorderen Bremsscheiben größer dimensioniert werden können. Das Fahren des MP3 ist einfach, für reine Automobilisten aber sicher lernbedürftig.

Parken ohne Ständer

Piaggio MP3
Enorm wendig, die Piaggio MP3 Piaggio

Mit verriegelten Vorderrädern – der kleine Schalter zur Betätigung sitzt rechts am Lenker – steht der MP3 beim Parken völlig ohne Ständer. Und wer sich gut konzentrieren kann, schafft es, beim Heranrollen an eine rote Ampel kurz vor Stillstand die Räder zu arretieren, wodurch beim Stehen die Füße am Trittbrett bleiben können. Herzhaftes Gasgeben genügt, um die Verriegelung bei Starten wieder zu lösen.

Der MP3 ist für die Smartphone-Totalkontrolle via Bluetooth bereits vorbereitet, zusätzlich kaufen muss man nur eine Smartphone-Halterung. Wer die PMP-App zum Leben erweckt hat, kann jede nur erdenkliche Information auf dem Display abrufen und auch speichern. Leider ist das System im Pariser Stadtverkehr nur nach Beendigung der Fahrt nutzbar, denn der von Piaggio gewählte Platz fürs Smartphone unmittelbar auf dem Lenkkopf ist völlig ungeeignet; man muss nämlich den Blick nach unten richten – während vorne der Verkehr tobt.

Mit 9.790 Euro inklusive ABS und Nebenkosten kratzt der MP3 500 an der 10.000 Euro-Schwelle. Für das viele Geld bekommen Käufer einen technisch exklusiven und zugleich wertigen Dreirad-Roller. Erhältlich ist er zum identischen Preis als Business- oder Sport-Edition; die Unterschiede sind gering und ausschließlich optischer Art. Die LED-Leuchten vorne (Positionsleuchten) und hinten strahlen bei allen gleich hell. (SP-X)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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