«Elektrisch fahren ist eine andere Welt»

Interview mit GM-Chefentwickler Frank Weber

In der vergangenen Woche hat General Motors die Preise für den Chevrolet Volt bekanntgegeben. Im Interview mit der Autogazette spricht Chefentwickler Frank Weber über den Fahrspaß und die Praktikabilität des Elektroautos.

General Motors wird 2010 den Chevrolet Volt für unter 30.000 Dollar einführen. Ein Jahr später soll das Elektroauto den europäischen Markt erobern. «Wir haben aber eine Zielsetzung: Wir machen das nicht als Testflotte und wir wollen es nicht in einer Nische positionieren. Es ist aber auch klar, dass die erste Generation aufgrund der neuen Technologie ein natürliches Limit hat. Letztendlich entscheidet der Markt», sagte Chefentwickler Frank Weber im Interview mit der Autogazette.

«Leute müssen nicht verzichten»

Der gebürtige Wiesbadener ist allerdings vom Erfolg des Fahrzeugs überzeugt. «Elektrisch zu fahren, hat nicht nur einen ökologischen Aspekt. Elektrisch zu fahren ist eine komplett andere Welt des Fahrens», sagt der 41-Jährige, dessen Projekt bei GM absolute Priorität genießt.

Mit einer anderen Welt des Fahrens meint Weber, der 1991 zu Opel stieß, den sportlichen Aspekt. «Der Elektromotor erzeugt aus dem Stand heraus 370 Newtonmeter Drehmoment. Das ist so viel, wie Sie sonst in einem 3,0 Liter Sechszylinder. Sie haben das Gefühl wie in einem Sportwagen - allerdings vollkommen geräuschlos. (...) Es war vom Konzept her auch so gedacht, dieses Auto als «Fun-to-drive» zu positionieren. Die Leute müssen also nicht verzichten, sondern werden feststellen, dass es möglich ist sowohl grün als auch mit Spaß zu fahren.»

Reichweite reicht aus

GM-Vize Bob Lutz präsentiert den Chevrolet Volt Foto: dpa

Dass die Reichweite mit der 180 Kilogramm schweren Batterie lediglich 60 Kilometer beträgt, ist für Weber kein Problem. «Deshalb haben wir in den USA Autos mit Datenrekordern ausgerüstet und den Bedarf festgestellt. Fast 80 Prozent der Autofahrer fuhren nicht mehr als 60 Kilometer. Sicher gibt es Einzelfälle, auf die dieses Ergebnis nicht zutrifft.»

Zudem gebe es in naher Zukunft keine Möglichkeit, diese Reichweite zu vergrößern. «Es ist auf absehbare Zeit kein Energiespeicher vorhanden, dass ein Reinelektroauto so benutzt werden kann wie man heute sein Auto mit Verbrennungsmotor benutzt. Dafür sind die Energiespeichermöglichkeiten nicht da.»

«Darwinistischer Prozess liegt vor uns»

Autogazette: Herr Weber, sind Sie derzeit der wichtigste Mann bei General Motors?

Frank Weber: Das ist eine interessante Frage. Es unterstreicht die Ernsthaftigkeit, mit der wir an Antriebs-Lösungen für zukünftige Generationen arbeiten. Ich denke schon, dass das über ein normales Autoprogramm hinausgeht. Und das Projekt hat höchste Priorität.

Autogazette: Der Elektroantrieb besitzt höchste Priorität bei GM. Wie kam es zu diesem Wandel? Es hat ja im vergangenen Jahr ein regelrechter Elektrohype eingesetzt, nachdem dieser Antrieb zuvor eher stiefmütterlich behandelt wurde.

Weber: Wir sind dabei, den Elektroantrieb zu etablieren. Das bedeutet aber nicht, dass er jetzt schlagartig alles andere Bekannte ablöst. Die Herausforderung der nächsten zehn Jahre liegt darin, dass man an verschiedenen Lösungen gleichzeitig arbeiten muss. Wir haben einen sehr darwinistischen Prozess vor uns, bei dem einige Lösungen überleben, andere verschwinden werden. Deshalb rückt der Elektroantrieb jetzt in den Vordergrund, weil er der einzige Antrieb ist, der beim Fahren keine Emissionen ausstößt. Der Elektroantrieb ist aber nicht die Herausforderung, denn das ist schon seit hundert Jahren möglich. Die tatsächliche Herausforderung ist es, elektrische Energie im Auto zu speichern. Alles steht und fällt mit der Fähigkeit, Batterien kompakt, effizient, bezahlbar und robust in Autos zu integrieren. In den letzten drei bis fünf Jahren hat sich abgezeichnet, dass wir in der Lage sind, mit Lithium-Ionen-Batterien genügend Energien bereitzustellen, um elektrischen Fahren möglich zu machen. So ist der Volt ja auch kein rein elektrisches Auto: Nach 60 Kilometern kann man die Batterie über das Stromnetz, oder über einen Verbrennungsmotor und einen Generator wieder aufladen.

40 Prozent CO2-Einsparung

Der Chevrolet Volt Foto: GM

Autogazette: Sie sagten, dass nur beim Fahren keine Emissionen entstehen. Vor zehn Jahren wurde bei einem Versuch auf Rügen die Quintessenz festgestellt, dass man mit Elektroautos die Emissionen nur verlagert. Wie ist der heutige Stand? Wo kommt der Strom jetzt her?

Weber: Die Effizienz der elektrischen Antriebe war damals noch auf einem ganz anderen Stand. Wenn wir heute unsere gesamte Automobilflotte auf den elektrischen Antrieb umstellen, würden wir bereits 40 Prozent CO2 einsparen. Das liegt daran, dass Strom heute aus einer Vielzahl von Energiequellen produziert wird. Natürlich stellt sich die Frage, wie man die Länder anleitet, möglichst umweltfreundlich Elektrizität zu erzeugen. Das ist ein Thema jenseits von dem, was die Automobilindustrie beeinflussen kann. Die derzeit vorhandene Elektrizität würde uns erlauben, mit der vorhandenen Netzkapazität mehrere Millionen Autos zu betreiben.

Autogazette: Ist Atomstrom unerlässlich dabei oder wird es andere Quellen geben?

Weber: Atomstrom ist nur eine von vielen Quellen, wie Wind, Solar oder Geo-thermisch.

180 Kilogramm für 60 Kilometer

Der Opel Flextreme ist ebenfalls elektrisch unterwegs Foto: GM

Autogazette: Die Lithium-Ionen-Batterie reicht nur für 60 Kilometer. Birgt das nicht Risiken, dass die Kunden das Auto verschmähen werden?

Weber: Für diese 60 Kilometer benötigen wir schon eine Batterie, die 180 Kilogramm wiegt. Es ist die derzeit größte Batterie, die es in dieser Form gibt. Der Knackpunkt ist, für welche Strecke diese Batterie Energie spenden soll, damit die Mehrheit der Menschen das tägliche Fahren rein elektrisch vollziehen können. Deshalb haben wir in den USA Autos mit Datenrekordern ausgerüstet und den Bedarf festgestellt. Fast 80 Prozent der Autofahrer fuhren nicht mehr als 60 Kilometer. Sicher gibt es Einzelfälle, auf die dieses Ergebnis nicht zutrifft. Aber weil in den USA die Strecken einfach weiter sind, sollte das für viele andere Länder auch gelten. Wir wollen, dass in Zukunft zwischen 80 bis 90 Prozent der Leute elektrisch und damit emissionsfrei unterwegs sind.

Autogazette: Wie lang wird es dauern, bis die Reichweite so weit ist, dass auch längere Reisen unternommen werden können?

Weber: Die Lösung mit dem Verbrennungsmotor, der den Generator antreibt, wird für geraume Zeit die Lösung sein, um die Gesamtreichweite auf die eines herkömmlichen Autos zu erhöhen, und um die Größe des Batteriepaketes in einem sinnvollen Rahmen zu halten. Es ist auf absehbare Zeit kein Energiespeicher vorhanden, dass ein Reinelektroauto so benutzt werden kann wie man heute sein Auto mit Verbrennungsmotor benutzt. Dafür sind die Energiespeichermöglichkeiten nicht da.

Jederzeit bereit

370 Newtonmeter stehen jederzeit zur Verfügung Foto: dpa

Autogazette: Muss ein Auto aufgrund der Batterie eine Mindestgröße erfüllen?

Weber: Eine Verkleinerung des Autos führt nicht zu einer Verdopplung der Reichweite. Es gibt natürlich eine gewisse Dominanz der Batterie. Wir hatten beim Chevrolet Volt und E-Flex eine ganz klare Zielsetzung. Wir wollen den Elektroantrieb zu einer pragmatischen Lösung für Leute, die nicht ihr Leben wegen des Autos umstellen wollen. Das Elektroauto soll eine positive Alternative zum herkömmlichen Antrieb sein. Deshalb haben wir uns für die Kompaktklasse entschieden.

Autogazette: Welchen Unterschied macht es, ob der Verbrennungsmotor den Elektromotor auflädt anstatt die Vorderräder anzutreiben?

Weber: Da gibt es einen gewaltigen Unterschied. Unabhängig von der Gaspedalstellung wird Strom produziert. Dadurch kann der Verbrennungsmotor sehr effizient eingesetzt werden. Konkret heißt das: Wenn ich an der Ampel stehe und dann bei Grün Vollgas gebe, braucht der Motor nicht hochgefahren werden, sondern der elektrische Antrieb schiebt einen nach vorn. Der Verbrennungsmotor treibt lediglich den Generator an.

Autogazette: Wie hoch wäre denn das Einsparungspotenzial, wenn man die Batterie und den Generator herausnehmen würde?

Weber: Durch die Rückgewinnung von Energie beim Bremsen ist das Thema Masse nicht so ausschlaggebend wie bei einem herkömmlichen Fahrzeug. Selbst wenn man das Gewicht um 500 Kilogramm mindern würde, würde man damit die Reichweite nicht stark vergrößern. Beim Auto, das elektrisch fährt, hat die Aerodynamik eine hohe Wichtigkeit.

Gewaltige Beschleunigung

Das Innenleben des Volt Foto: GM

Autogazette: Wie schnell beschleunigt ein Auto mit Elektroantrieb?

Weber: Gewaltig. Elektrisch zu fahren, hat nicht nur einen ökologischen Aspekt. Elektrisch zu fahren ist eine komplett andere Welt des Fahrens. Der Elektromotor erzeugt aus dem Stand heraus 370 Newtonmeter Drehmoment. Das ist so viel, wie Sie sonst in einem 3,0 Liter Sechszylinder. Sie haben das Gefühl wie in einem Sportwagen - allerdings vollkommen geräuschlos. Die Beschleunigung aus dem Stand ist das, was man als Fahrspaß bezeichnet. Das macht das Automobil zu einem Erlebnis. Die Beschleunigung von Null auf 100 läuft in weniger als neun Sekunden ab. Es war vom Konzept her auch so gedacht, dieses Auto als «Fun-to-drive» zu positionieren. Die Leute müssen also nicht verzichten, sondern werden feststellen, dass es möglich ist sowohl grün als auch mit Spaß zu fahren. Sie geben Gas und hören nichts dabei. Das ist phänomenal, das muss man mal erlebt haben.

Autogazette: Das heißt aber auch, dass Fußgänger und andere Verkehrsteilnehmer stark aufpassen müssen, weil da ein leiser Sportler ankommt...

Weber: ...es gibt natürlich noch die Rollgeräusche. Zudem gibt es im Auto ein fußgängerfreundliches Audiosignal.

Autogazette: Auch wenn der Volt ein sportliches Auto ist, sehen Sie einen Sinn in Sportwagen mit Elektroantrieb wie beim Tesla Roadster?

Weber: Ich habe da gar kein Problem mit. Sportliches Fahren ist elektrisch noch leichter, weil das Drehmoment aus dem Stand heraus zur Verfügung steht.

Höhere Sensitivität in Europa

Der Flextreme auf der IAA 2007 Foto: dpa

Autogazette: Wo wird denn das Auto eher aufgenommen werden: In den USA oder in Deutschland?

Weber: Das macht keinen großen Unterschied. In den USA gibt es eine stetig wachsende Gruppe, die nach einer automobilen Lösung sucht, die Unabhängigkeit vom Öl schafft. In Europa ist die Sensitivität für Umweltverträglichkeit im Allgemeinen größer. Deshalb ist der Markt ohnehin sensibler für Konzepte in dieser Art. Und elektrisch zu fahren kostet viel weniger im Vergleich mit einem Kilometer, den man mit Benzinmotor zurücklegt.

Autogazette: Wie sieht der Ladevorgang aus. Wirklich einfach das Verlängerungskabel aus dem Fenster hängen und dann anschließen oder gibt es gewisse Komponenten?

Weber: Genauso simpel ist das. Es wird geladen wie ein Handy. Sie benötigen knapp drei Stunden, dann ist eine leere Batterie voll aufgeladen.

Erste Generation mit natürlichem Limit

Autogazette: Wenn das Fahren viel weniger Kosten gegenüber dem Benzinmotor benötigt, werden Sie sich vor Bestellungen kaum retten können.

Weber: Der Preis ist für das Auto gar nicht ausschlaggebend, sondern nur ein Element. Zum Preis kämen deutlich niedrigere Betriebskosten dazu.

Autogazette: Mit welchen Marktanteilen rechnen Sie dann?

Weber: Das ist sehr schwer abzuschätzen. Wir haben aber eine Zielsetzung: Wir machen das nicht als Testflotte und wir wollen es nicht in einer Nische positionieren. Es ist aber auch klar, dass die erste Generation aufgrund der neuen Technologie ein natürliches Limit hat. Letztendlich entscheidet der Markt.

Das Interview mit Frank Weber führte Thomas Flehmer



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