Porsche 911: Selbst Ikonen kann man besser machen

Freude bei den Entwicklern

Porsche 911: Selbst Ikonen kann man besser machen
Beim neuen Porsche 911 wurde jedes Bauteil angefasst. © Porsche

Der Porsche 911 gilt als die Ikone unter den Sportwagen. Nun rollt sie zu den Händlern und die Erwartungen an den neuen Elfer sind riesig – denn die Entwickler haben fast an jedem Bauteil Hand angelegt.

Von Wolfgang Peters

Wer in diesen Tagen den kleinen schwäbischen Ort Weissach besucht und empfindliche Ohren hat, der wird unerwartete Geräusche registrieren: Aus der Porsche-Denkfabrik am Rande des Städtchens wehen milde Freudengesänge, leises Gläserklirren und langgezogene Seufzer der Erleichterung über die Felder. Es gibt wieder einen neuen „Elfer“ und die Ingenieure der einzelnen Entwicklungsabteilungen haben ihre Arbeit getan. Die Computerspeicher sind voll, aus Ideen, Visionen und Zeichnungen wurde ein Ausnahme-Auto, die Produktion läuft in diesen Tagen an und Porsche hat jetzt erstmals einen tieferen Blick auf Technik und Charakter seines Hochleistungs-Sportwagens frei gegeben.

Wolfgang Hatz, seit einem Jahr bei Porsche als Vorstand für Entwicklung und Forschung (kam von Audi), verwies auf die Bedeutung des Generationswechsels: „Einen neuen Porsche 911 auf die Räder zu stellen, das ist so, als würde man den Sportwagen neu erfinden“. Die Grundlage dafür bildet die neue Bodengruppe mit dem um zehn Zentimeter auf 2,45 Meter verlängerten Radstand. Aus einem umfangreichen Bündel an Maßnahmen ging zudem im Vergleich zum Vorgänger eine Verringerung des Gewichtes um 45 Kilogramm hervor. Der fahrfertige 911 der neuen Generation bringt 1400 Kilogramm auf die Waage.

Porsche 911 . Verbesserung einer Ikone

Dabei ging es beim Blick auf die Technikdetails nicht nur um Zahlen, Facts and Figures. Denn der Porsche 911 ist eine Ikone der Sportwagenwelt, ein unverwechselbarer Charakter, und er prägt als technisches Unikat wegen seiner beinahe mystischen Verklärung durch die Fans seit beinahe fünfzig Jahren die Identität des Unternehmens. Natürlich auch mit den neuen Kennzahlen für die Zukunft: Der 911 Carrera mit 3,4-Liter-Boxermotor und 257 kW /350 PS kostet 88.037 Euro, der Carrera S mit 3,8 Liter Hubraum und 294 kW/400 PS kommt auf 102.436 Euro. Beide Versionen gehen unter Vollgas auf freier Strecke weit über 250 km/h hinaus, der 911 S kratzt an 300 km/h.

Dass dabei nach Porsche-Angaben die Norm-Verbrauchswerte niedriger liegen als bei den (schwächeren) Vorgängern, belegt die Notwendigkeit des Übergangs von der abgelösten Baureihe 997 (seit 2004) zur neuen Familie 991: Normwerte von 8,2 und 8,7 Liter auf 100 km sind auch mit einer komplett-umfassenden Überarbeitung eines älteren Sportwagens nicht mehr zu erreichen. Hinzu kamen neue Sicherheitsvorschriften, die Forderungen der Kundschaft nach mehr Reise- und Fahrkomfort sowie schärfere Maßstäbe für Sicherheit sowie niedrigere Lärm- und Abgasemissionen.

Da musste vom Boden der Plattform bis zur Wölbung des Daches neu konstruiert werden. Kernthema des neuen 911 war die Frage nach dem Gewicht: intelligenter Leichtbau mit einer Struktur aus Alu und Stahl und einer Karosserie, die fast komplett aus Alu gefertigt ist. Abspecken war das Ziel und die Konstruktions-Waage signalisierte ein rechnerisches Minus von fast 100 Kilogramm. Dass der neue Elfer dann „nur“ 45 Kilo weniger wiegt als der vergleichbare Vorgänger, ist veränderten Crashvorschriften, dem längeren Radstand, der beinahe unmerklich vergrößerten Karosserie und dem neuen Fahrwerk geschuldet. Die um 25 Millimeter breitere Spur an der Vorderachse sorgt für einen satteren Auftritt.

Vier Schwerpunkte bei Entwicklung

Das Heck des neuen Porsche 911 Porsche

Für den komplett neu entworfenen 2+2-Sitzer (lediglich die Motoren wurden übernommen, aber stark überarbeitet) galten im Entwicklungs-Lastenheft vier Schwerpunkte: Neben dem Leichtbau ging es um die Steigerung der Performance (bessere Fahrleistungen und höhere Agilität beim Fahren), um die Effizienz (niedrigere Verbrauchswerte und höhere Leistung) sowie um Bewahrung und womöglich Steigerung der mit dem Elfer verbundenen akustischen Emotionen. Durch eine raffinierte Abgasanlage treten Motorgeräusche auf, die zwar im gesetzlichen Rahmen bleiben, aber jeden Tyrannosaurus Rex in die Flucht schlagen würden. Erstmals kommt ein Siebengangschaltgetriebe zum Einsatz, und für die schwächere der beiden 911-Versionen wurde der Hubraum von 3,6 auf 3,4 Liter zurückgenommen. Bei gleichzeitiger Steigerung der Leistung.

Die Architektur des Innenraums verbindet Purismus und jenes heimelige Gefühl einer intimen Fahr- und Wohnsituation, die den Elfer schon immer auszeichnete. Hinter den Vordersitzen gibt es mehr Platz, nun auch für die Schwiegereltern. Klassisch rund und klar gezeichnet sind die Instrumente und der Bedien- oder Wählhebel für das neue Siebengang-Schaltgetriebe oder das Porsche-Doppelkupplungsgetriebe ist näher ans Lenkrad gerückt: Die Hand des Fahrers fällt wie von selbst darauf.

Mehr neue Technik war noch nie zuvor in einem Porsche 911. Da ist es kein Wunder, dass in der Weissacher Denkfabrik von Porsche schwäbische Feierlaune aufgekommen ist. Aber nur für kurze Zeit. Denn die Arbeit an der nächsten Generation des (bisher) etwas kleineren Porsche Boxster und Cayman hat schon begonnen. (mid)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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