Der große Schritt

Buell 1125 R

Die kleine Ami-Schmiede Buell wagt sich mit der 1125R aus der luftgekühlten Nische und setzt sich dem weltweiten Wettbewerb auf Straße und Rennstrecke aus.

Von Thilo Kozik

Zum Nachtest hatten sie gebeten, die Verantwortlichen von Buell, und sich dafür eine Rennstrecke ausgesucht, die keiner auf der Uhr hat: Monteblanco, ein feines Testareal in Andalusien, irgendwo zwischen Sevilla und der portugiesischen Grenze. Mit unangenehm zuziehenden Kurven, einem teilweise richtig welligen Asphalt und einer Geraden, die fast den ganzen Kilometer misst. Hier also wollten die Amis, Tochterfirma der großen Harley-Davidson Company, den europäischen Journalisten ihr von den Entwicklungskosten her mit Sicherheit teuerstes Juwel nahe bringen, nachdem eine Testsession im November des letzten Jahres infolge wenig optimaler Motorabstimmung und ungünstiger Kühlluftführungen alles andere als zufrieden stellend verlaufen war.

148 PS und 111 Nm

Jetzt also Monteblanco: Eine Armada schwarzer Buells wartet in der Boxengasse auf den befreienden Druck aufs Knöpfchen. Der erfolgt, und willig springt der kompakte Vau-Zwo aus österreichischer Fertigung an. Österreich? Jawohl, die US-Amerikaner nutzen wie Aprilia oder BMW das Knowhow der Spezialisten von Rotax für den komplett neu entwickelten Twin. Ein paar Sätze zur Technik: Der Buell-Vau-Zwo mit 1125 ccm ist komplett eigenständig, Buell gab die gewünschte Spitzenleistung und Charakteristik vor. Weil das Triebwerk zudem kompakt sein sollte, ergaben sich 72 Grad als engstmöglicher Zylinderwinkel. Seine Luft schlürft der Vau durch riesige 61er Drosselklappen, die Ventile werden über kurze Schlepphebel gesteuert - laut Rotax ein Ableger aus der Formel-1-Technologie.

Die Trockensumpfschmierung arbeitet mit zwei Pumpen, der Öltank sitzt vorne unten im Motorgehäuse und nicht wie bei den anderen Buells in der Schwinge. Der Massenausgleich obliegt gleich drei Ausgleichswellen, wobei die Antriebswelle der Wasserpumpe gleichzeitig die dritte Ausgleichswelle darstellt. Die Nockenwellen werden per Zahnkette angetrieben, allerdings umläuft die Kette nur eine Welle, die zweite wird von einem zweiten Zahnrad direkt angetrieben. Vorteil: Die Zahnkette braucht praktisch nicht mehr gewechselt werden, das Ventilspiel muss nur alle 20.000 Kilometer justiert werden. Das Wichtigste aber: Mit 148 PS und 111 Nm Drehmoment ist das Aggregat bei der Musik dabei. Nicht ganz vorne, aber ausreichend kräftig allemal.

Bequemer Supersportler

Für einen Supersportler bequeme Sitzposition Foto: Buell

Verglichen zu anderen Supersportlern fühlt man sich recht kommod gebettet, nur die Kniewinkel sind ein wenig supersportmäßig gebeugt. Raus auf den Kurs und ordentlich Gas geben, lautet die Devise. Und warm gefahren den Schwachstellen der ersten Präsentation nachgeforscht, also mit niedrigen Drehzahlen rumrollen und zwischendurch die Gasaufzug-Probe machen. Doch zuerst mal schauen, was das Bike überhaupt so draufhat. Auf jeden Fall fühlt sich die Buell von Anfang an gut an, sie lässt sich erstaunlich leichtfüßig um die knifflige Strecke bewegen.

Kurzum: Sie macht ihrem Fahrer alles ziemlich leicht. Das liegt sicherlich auch am fehlenden Bauchspeck, denn die 1125 R bringt sogar vier Kilogramm weniger auf die Waage als die luftgekühlte XB12S. Da spielt der neue, jetzt in Amerika gefertigte Rahmen eine große Rolle, denn trotz gestiegener Steifigkeit wurde die Brücke volle 4,5 Kilogramm leichter. Auch die Schwinge zeigt sich stabiler und jetzt direkt im Motorgehäuse gelagert, was der spontanen Umsetzung von Lenkbefehlen entgegen kommt. Ganz wichtig auch die extreme Lenkgeometrie mit steilen 69 Grad Lenkkopfwinkel und sehr kurzen 84 Millimeter Nachlauf. Gemessen daran wirkt die Buell indes nicht überhandlich, im Gegenteil: Zum Einlenken verlangt sie sogar etwas Nachdruck.

Dank feiner Justierung leichtfüßig

Übersicht ist alles Foto: Buell

Um den welligen Partien des Kurses besser beikommen zu können, sind die Federelemente komplett einstellbar ausgelegt. Was gleichzeitig Fluch und Segen ist: Schon auf wenige Klicks und Umdrehungen reagiert die Buell sehr feinfühlig, und nur wer eine feine Justierung findet, den belohnt sie mit Leichtfüßigkeit. Dann bügeln die neue, mit dicken 47-Millimeter-Tauchrohren bestückte Showa-Gabel und das Federbein des gleichen Herstellers sämtliche Asphalt-Pickel tadellos weg, selbst das bisweilen spürbare Aufstellmoment beim Bremsen ist deutlich minimiert. Gehen die Modifikationen aber in die falsche Richtung, hört der Spaß bald auf.

Gut eingestellt fegt die Buell sehr sicher durch die engen Schikanen und nimmt alle Kurven in knackiger Schräglage. Bei dem steigenden Tempo kommt dann die neue Bremse ins Spiel, eine Ehrfurcht gebietende 375 mm Einzelscheibe, die Buell-typisch am Außenrand der Felge montiert ist und von einer Achtkolbenzange in die Mangel genommen wird. Spätestens Ende der Start-Zielgeraden mit knapp 250 km/h auf dem Tacho kann sie zeigen, was in ihr steckt. Sauber dosierbar, effektiv aber längst nicht so bissig wie japanische Doppelscheibenstopper vernichtet sie den Vortrieb exakt entsprechend der aufgewendeten Handkraft. Letzte-Rille-Bremser werden damit nicht wirklich glücklich, doch für Normalfahrer im Betrieb auf öffentlichen Straßen ist das bekömmlicher als eine plötzlich zumachende Bremse.

Kein wildes Ruckeln mehr

Macht mächtig Eindruck Foto: Buell

Vor lauter Angasen hätten wir fast den Zweck der Nachübung aus den Augen verloren, wenn uns nicht irgendwann ein Buell-Mann darauf angesprochen hätte. Na gut, dann stecken wir im nächsten Turn eben zurück, lassen die schnellen Leute vorbei und konzentrieren uns auf Gasannahme und Motorlauf unten herum.

Klar, die Buell-Leute hätten uns nicht drauf hingewiesen, wenn sie nicht sicher gewesen wären. Aber der Vau lässt sich unten herum tatsächlich gut fahren, kein wildes Ruckeln unterhalb 3500 Touren beim Gasaufziehen, keine ruppige Gasannahme mehr. Das Kraftwerk dreht sauber nach oben und drückt sehr gleichmäßig und kontrollierbar voran. Einzig die laute mechanische Geräuschkulisse unterhalb 4500 Umdrehungen hört sich nicht gut an. Als Ausgleich posaunt der Twin ab 5000/min bollernd und grollend aus dem Underslung-Auspuff, dass es einem warm ums Herz wird. Bis zum roten Bereich bei 10500/min geht das so weiter, Freude und Adrenalin pur!

Gewisse Exklusivität

Also hat sich der Aufwand dieser Nach-Testsession wirklich gelohnt. Diese Buell kann sich an allgemeingültigen Maßstäben messen lassen und muss nicht auf den Exotenstatus pochen wie so manche der eigenwilligen luftgekühlten Geschwister. Mit sattem Punch von unten heraus und einem sensiblen Fahrwerk ist sie leicht zu fahren und bereitet auf Landstraße wie Rennstrecke viel Fahr-Vergnügen.

Ins ernsthafte Renngeschehen wird die 1125R allerdings nicht eingreifen können, dafür wird sie ihren Käufern trotz des vergleichsweise günstigen Einstandspreises von 12.499 Euro eine gewisse Exklusivität garantieren können. Zumindest so lange, bis sich das Funktionieren der Updates herum gesprochen hat.

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