Lücken bei Sicherheit für Motorradfahrer

Die Entwicklungsabteilungen der Hersteller arbeiten mit Nachdruck daran, dass Motorradfahren durch technische Helfer sicherer zu machen. Doch nicht alles, was beim Auto Sinn macht, kann aufs Zweirad übertragen werden.

Von Heiko Haupt

Motorräder sind schnell, die Fahrer haben keine Knautschzone, und umkippen kann so ein Zweirad auch. Doch obwohl die Gefahr beim Fahren mit dem Motorrad allgegenwärtig ist, reicht die eingesetzte Sicherheitstechnik nicht an die des Autos heran. Während bei vierrädrigen Fahrzeugen die Assistenz- und Sicherheitssysteme kaum noch zu zählen sind, dürfen sich Motorradfahrer bestenfalls über ein ABS freuen. Allerdings lässt sich Autotechnik nicht ohne Weiteres aufs Motorrad übertragen.

ABS hat seine Grenzen

«Eine der grundsätzlichen Fragen ist, welche Technik vom Auto wirklich auf das Motorrad übertragen werden kann», erklärt Michael Lenzen, Sprecher des Bundesverbandes der Motorradfahrer (BVDM) in Mainz. So hört es sich zwar gut an, dass das ABS jetzt auch von den Motorradherstellern verstärkt angeboten wird. «Doch das ABS hat beim Motorrad seine Grenzen.»

Schräglagen bei Kurvenfahrten zum Beispiel, auf zwei Rädern eine Notwendigkeit, sind beim Auto unbekannt. «Wegen der geringeren Reifenaufstandsfläche in Schräglage kann weniger Bremskraft übertragen werden», erklärt Michael Lenzen. Das Bremssystem selbst kann jedoch Schräglagen nicht erkennen. «Irgendwann wird es einen weiteren Schritt bei der Technik geben, und es wird möglicherweise auch mit Neigungssensoren gearbeitet.» Trotz etwaiger Unzulänglichkeiten in bestimmten Situationen wird das ABS beim Motorrad als großer Schritt nach vorne gesehen, der zumindest bei Geradeausfahrt misslungene Bremsmanöver verhindern hilft.

Der Airbag an der Gold Wing von Honda Foto: Werk

Derzeit beschäftigen sich die Entwickler im Hinblick auf die Fahrsicherheit allem Anschein nach vorrangig mit dem Gegenteil des Bremsens: So will BMW in München ab dem Jahr 2007 eine Antriebs-Schlupfregelung anbieten. Dieses ASC, Automatic Stability Control, genannte System dient dazu, ein Durchdrehen des Hinterrades bei starker Beschleunigung zu verhindern. Dieser Eingriff verbessert jedoch nicht in erster Linie die Spurtqualitäten. Vielmehr geht es darum, dass ein durchdrehendes Rad keine Seitenführungskräfte aufbaut und daher zur Seite ausbrechen kann.

Leistungsstärke Zweiräder

Dass derartige Technik in naher Zukunft wohl häufiger zum Einsatz kommt, hat einen einfachen Grund: «Motorräder sind mittlerweile häufig so leistungsstark, dass der Reifen recht schnell durchdrehen kann», sagt Ruprecht Müller, Motorradexperte des ADAC-Technikzentrums im bayerischen Landsberg. Vor allem die dadurch fehlenden Seitenführungskräfte sind es, die für einen Fahrer gefährlich werden können.

«Das Motorrad stellt sich quer», erklärt Müller. Folge ist unter Umständen etwas, das mit dem Begriff «Highsider» beschrieben wird. Das quer rutschende Motorrad bekommt plötzlich wieder «grip» - das Rutschen endet abrupt. «Wenn die Seitenführung plötzlich wieder da ist, stellt sich das Motorrad auf und der Fahrer wird wie bei einem Katapult abgeworfen.» Zwar wurden solche Antischlupf-Systeme erstmals schon in den neunziger Jahren angeboten. Doch erst jetzt ist mit er größeren Verbreitung zu rechnen.

Überforderte Fahrer

Das Integral ABS an der BMW Foto: Werk

Bei Sportmotorrädern der oberen Klassen kommt noch hinzu, dass die Motorleistungen nicht mehr von jedem Fahrer beherrscht werden. «Selbst erfahrene Motorradlenker können davon überfordert sein», sagt Ruprecht Müller. Weil ein Antischlupf-System dann allein auch nicht immer hilft, setzen einzelne Hersteller nun schon auf weitere Möglichkeiten: Über Schalter kann der Fahrer unterschiedliche Kennfelder beziehungsweise Motorcharakteristiken auswählen. «Auch das kann man im Grunde schon als ein Assistenzsystem für den Fahrer bezeichnen», sagt Müller.

Unterschiede zwischen Motorrad und Auto gibt es auch beim Einsatz von Airbags. Hier ist Honda derzeit Vorreiter, der Hersteller bietet künftig den Supertourer Goldwing gegen Aufpreis mit dem aufblasbaren Lebensretter an. «Doch ein Airbag ist nicht in jedem Kollisionsfall hilfreich», erläutert Matthias Haasper vom Institut für Zweiradsicherheit (ifz). «Bei Honda hat man von Anfang an darauf hingewiesen, dass sich die Airbagtechnik hier auf den Schutz bei einer Frontalkollision bezieht.» Ein entsprechender Schutz für seitliche Zusammenstöße ist noch nicht erfunden.

Weil die Sicherheitstechnik auch noch in der Motorrad-Zukunft die eine oder andere Lücke aufweisen wird, soll Unfällen weiter auch auf andere Weise entgegen gewirkt werden: «Man muss besonders beim Fahrer ansetzen», sagt Matthias Haasper. Wenn der besser geschult ist und mit den Gefahren-Situationen umzugehen weiß, ist dies ebenfalls ein Schritt in Richtung erhöhter Sicherheit. (dpa)

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