«Es geht nicht primär darum, Nummer eins zu werden»

Mercedes-Vertriebschef Joachim Schmidt

«Es geht nicht primär darum, Nummer eins zu werden»
Mercedes-Vertriebschef Joachim Schmidt. © Daimler

Mercedes hat im Vorjahr einen neuen Rekordabsatz erzielt. Doch im direkten Vergleich liegen die Stuttgarter hinter BMW und Audi. Im Interview mit der Autogazette spricht Vertriebschef Joachim Schmidt darüber, wie der Abstand zur Konkurrenz verkürzt werden soll.

Der Daimler-Konzern geht nach der Berufung von Hubertus Troska als China-Vorstand und einer Bündelung seiner Vertriebsstrukturen bereits ab Mitte des Jahres von einer Steigerung des Absatzes auf dem chinesischen Markt aus.

Wie Mercedes-Vertriebschef Joachim Schmidt im Interview mit der Autogazette sagte, werde so etwas nicht von heute auf morgen gehen. «Doch ich erhoffe mir noch im Laufe dieses Jahres eine stringentere Marktbearbeitung. Durch die personelle und institutionelle Neuorganisation gehe ich davon aus, dass wir ab Mitte dieses Jahres auch quantitative Effekte erzielen können», sagte Schmidt.

«Bis 2015 wollen wir in China 300.000 Autos verkaufen.»

Im Vorjahr hatte Mercedes in China 196.211 Fahrzeuge absetzen können und war damit auf ein im Vergleich zur Konkurrenz bescheidenes Plus von 1,5 Prozent gekommen. Trotz dieser geringeren Steigerung hält Schmidt an seinem Absatzziel für das 2015 fest: «Unser Ziel steht: Bis 2015 wollen wir in China 300.000 Autos verkaufen.» Der Mitbewerber Audi konte im Vorjahr in China etwas mehr als 400.000 Einheiten absetzen und damit ein Plus von fast 30 Prozent erzielen.

«Für uns zählt, dass unsere Kunden zufrieden sind»

Dieter Zetsche bei der Vorstellung des Mercedes CLA
Dieter Zetsche mit dem neuen Mercedes CLA AG/Mertens

Autogazette: Herr Schmidt, wie sehr schmerzt es Sie, auch in diesem Jahr hinter BMW und Audi wieder nur dritter Sieger geworden zu sein?

Joachim Schmidt: Wieso dritter Sieger? Wir sind Sieger geworden, weil wir so viele Autos wie nie zuvor verkauft haben. Mit der Kernmarke Mercedes-Benz waren es 1,32 Millionen Fahrzeuge, mit Mercedes-Benz Cars 1,42 Millionen.

Autogazette: Im Vergleich der drei Premiumhersteller liegen Sie damit bei den Absatzzahlen aber nur hinter Audi auf Platz drei.

Schmidt: Für unsere Kunden ist diese Platzierung nicht so wichtig. Und für uns zählt, dass unsere Kunden mit unseren Autos zufrieden sind. Und das sind sie, wie beispielsweise Kundenzufriedenheitsstudien von J.D. Power oder dem AutoMarxX des ADAC zeigen. Hier sind wir die Besten. Natürlich haben die Kollegen der Wettbewerber im Vergleich zu uns noch ein paar Autos mehr verkauft, aber unsere Performance stimmt.

«Wollen unsere Shareholder zufrieden stellen»

Mercedes E-Klasse.
In Detroit wurde die neue E-Klasse präsentiert AG/Mertens

Autogazette: Mercedes hat sich zum Ziel gesetzt, spätestens bis zum Jahr 2020 erfolgreichster Premiumhersteller vor BMW und Audi zu werden. Gehen Anspruch und Wirklichkeit derzeit in Stuttgart etwas auseinander?

Schmidt: Wir werden bis 2020 insgesamt 13 neue Fahrzeuge in Segmenten auf den Markt bringen, in denen wir heute nicht oder nur bedingt vertreten sind und in denen es für uns Wachstumschancen gibt. Mit dem Ausfüllen dieser Nischen und einem erstarkten China-Geschäft können wir Nummer eins werden. Doch es geht nicht primär darum, die Nummer eins zu werden, sondern darum, dass wir profitabel wachsen.

Autogazette: Eine Marke wie Mercedes muss sich natürlich zum Ziel setzen, Nummer eins zu sein. Doch geht es mit Blick auf den Vorsprung von BMW mit jetzt 1,84 Millionen letztlich nicht nur noch darum, wer hinter den Münchnern Nummer zwei wird?

Schmidt: Schauen wir mal. Doch betrachten Sie sich die BMW-Zahlen einmal ohne Mini, dann wird der Abstand schon geringer.

Autogazette: Auch in den 1,42 Millionen von Ihnen sind über 100.000 Smarts enthalten...

Schmidt: ...ohne Smart liegen wir mit der Kernmarke Mercedes-Benz bei 1,32 Millionen. Dieses Rennen um die Nummer eins hat für uns nicht die Bedeutung, die die Medien dem Thema beimessen. Wir wollen unsere Shareholder zufrieden stellen, wir wollen profitabel wachsen und unsere Kunden aber auch unsere Mitarbeiter zufrieden stellen.

«S-Klasse ist das höchste Gut für uns»

Eine Niederlassung von Mercedes im chinesischen Kanton.
Mercedes-Niederlassung in Kanton dpa

Autogazette: Bereitet der chinesische Markt Ihnen derzeit eigentlich schlaflose Nächte aufgrund der im Vergleich zur Konkurrenz enttäuschenden Absatzzahlen?

Schmidt: (lacht) Ich kann sehr gut schlafen. China bereitet mir zwar keine schlaflosen Nächte, aber es stellt ohne Frage eine Herausforderung dar, da wir derzeit dort noch nicht optimal aufgestellt sind. Wir haben die Gründe analysiert und werden sie nun nach und nach abarbeiten. Man sollte mit Blick auf China indes auch einmal erwähnen, dass wir dort im Luxus-Segment, der Krone des Automobilbaus, mit der S-Klasse im Jahr vor ihrem Modellwechsel mit über 30.000 verkauften Einheiten die Nummer eins sind.

Autogazette: Welche Wachstums-Impulse erwarten Sie denn von der neuen S-Klasse für den chinesischen Markt?

Schmidt: Für die Imagebildung und die Profitabilität unserer Marke ist die S-Klasse das höchste Gut für uns. Wir werden die neue S-Klasse im Sommer in Europa einführen, wobei neben China noch die USA und Deutschland zu den wichtigsten Märkten für dieses Modell zählen.

«Unser Ziel steht»

Autogazette: Sie konnten im Vorjahr in China 196.200 Autos absetzen, was gerade mal einem Plus von 1,5 Prozent entspricht. Müssen Sie Ihr Ziel aufgeben, bis 2015 in China 300.000 Autos abzusetzen?

Schmidt: Keineswegs. Unser Ziel steht: Bis 2015 wollen wir in China 300.000 Autos verkaufen. So schlecht sind wir in China auch nicht unterwegs...

Autogazette: ...nun ja: Audi kam dort mit über 400.000 verkauften Einheiten auf ein Plus von fast 30 Prozent...

Schmidt: ...und wir haben dort im Vorjahr so viele Autos wie nie zuvor abgesetzt.

Autogazette: Daimler hat gerade mit Hubertus Troska einen neuen Vorstand für China berufen und seine Vertriebsaktivitäten unter einem Dach gebündelt. Welche Zeit braucht es, damit sich das in den Verkaufszahlen niederschlägt?

Schmidt: So etwas wird nicht von heute auf morgen gehen. Doch ich erhoffe mir noch im Laufe dieses Jahres eine stringentere Marktbearbeitung. Durch die personelle und institutionelle Neuorganisation gehe ich davon aus, dass wir ab Mitte dieses Jahres auch quantitative Effekte erzielen können.

«Sind dabei, Lücken im Modellprogramm zu schließen»

Autogazette: Sie haben gesagt, dass Sie die Gründe für den im Vergleich zur Konkurrenz geringeren Absatz analysiert haben. Welche Gründe gibt es denn außer den Lücken im Modellprogramm?

Schmidt: Man muss festhalten, dass wir unseren Kunden beispielsweise kein vergleichbares Auto zu einem Audi Q3 anzubieten haben. Wir sind jedoch dabei, diese Lücken im Modellprogramm zu schließen. Daneben gab es das Problem der Vertriebsstruktur, das wir nun durch die Bündelungen der Vertriebsaktivitäten behoben haben.

Autogazette: Kostet es wirklich deutlich Absatz, wenn Sie kein vergleichbares Auto wie einen Q3 anzubieten haben?

Schmidt: Wenn man einen kleinen Geländewagen nicht im Portfolio hat, kann man ihn nicht anbieten. Und es gibt Kunden, die genauso ein Fahrzeug haben wollen und keinen großen SUV. Wenn man in derartigen Segmenten nicht vertreten ist, kann man diese Kunden nicht bedienen.

«CLA wird unser Wachstum weiter befördern»

Mercedes-Vertriebschef Joachim Schmidt und Dieter Zetsche.
Gruppenbild mit Daimler-Chef Zetsche und dem CLA Daimler

Autogazette: Ist China mit Blick auf die Wachstumsstrategie MB 2020 für Sie der mit Abstand wichtigste Markt oder muss man derzeit nicht eher auf die USA schauen?

Schmidt: Wenn man sich die Prognosen anschaut, dann wird China der größte Automarkt der Welt sein. Aber auch in den USA haben wir große Chancen. Wir sind dort hervorragend aufgestellt und haben nun mit dem CLA ein Modell vorgestellt, das unser Wachstum weiter befördern wird.

Autogazette: In den USA konnten Sie im Vorjahr mit über 274.000 Autos ein Plus von 11,3 Prozent erzielen. Gehen Sie in diesem Jahr von einem zweistelligen Wachstum aus?

Schmidt: Wir wollen in den USA stärker als der Markt wachsen. Der CLA kommt in den USA allerdings erst im September auf den Markt und wird somit von den Stückzahlen in 2013 nicht die ganz große Rolle spielen.

Autogazette: Welche Erwartungen haben Sie für dieses Jahr mit Blick auf Europa? Wird die Krise in diesem Jahr unverändert weitergehen?

Schmidt: Wir gehen momentan davon aus, dass Südeuropa auf dem derzeit niedrigen Niveau stagnieren wird. Ich glaube nicht, dass es noch schlechter wird, aber auch nicht besser: Wir haben in Europa den Bodensatz erreicht.

Autogazette: Sie wollen in diesem Jahr trotz eines Andauerns der Krise erneut beim Absatz zulegen. Mit welcher Erwartung gehen Sie in dieses Jahr?

Schmidt: Ich denke, dass wir im späten Lebenszyklus mit dem Smart nicht weiter zulegen können. Aber ich glaube, dass wir wieder eine Größe von 100.000 Einheiten erreichen können. Mit Mercedes wollen wir weiter wachsen. Aber zur genauen Prozentzahl äußere ich mich nicht.

Autogazette: Mitte des Jahres 2012 sagten Sie, dass die Kernmarke Mercedes-Benz ihr eigentlich für das Jahr 2015 avisiertes Ziel von 1,5 Millionen Autos schon 2014 erreichen wird. Bleiben Sie trotz der Krise bei dieser Aussage?

Schmidt: Ja, an dieser Aussage hat sich nichts geändert: Wir werden mit unserer Kernmarke Mercedes-Benz das Ziel von 1,5 Millionen Einheiten bereits 2014 erreichen.

«Elektromobilität wird eine Nische bleiben»

Für E-Autos gibt es Sonderkennzeichen.
Der Smart Electric Drive Daimler

Autogazette: Der Hype um die Elektromobilität ist abgeebbt. Merken Sie das an der schwindenden Nachfrage nach dem Elektro-Smart?

Schmidt: Die Elektromobilität ist einer starken Auf- und Abwärtsbewegung unterzogen, doch für uns hat sich in unserer Auffassung nichts geändert: Elektromobilität wird auf lange Zeit eine Nische für die urbane Mobilität bleiben. Mit unserem Smart haben wir damit ein ideales Fahrzeug für die Anforderungen an Elektromobilität. Der Smart Electric Drive ist das einzige Serien-Elektro-Fahrzeug auf der Welt, das einen Nachfragesog nach sich zieht. Wir haben zur Zeit in Europa eine derart hohe Nachfrage nach dem Auto, dass wir sie kaum befriedigen können.

Das Interview mit Joachim Schmidt führte Frank Mertens

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