«Ganze Industrie befindet sich im Umbruch»

Jake Hirsch Präsident Powertrain bei Magna

«Ganze Industrie befindet sich im Umbruch»
Jake Hirsch, Präsident Powertrain bei Magna © AG/Flehmer

Nicht nur die strenge Gesetzesnorm in den USA macht den Ingenieuren bei der CO2-Reduktion zu schaffen. In der Autogazette spricht Jake Hirsch, Präsident Powertrain von Magna, über den Wandel im Motoren- und Getriebebereich.

Im Zuge der CO2-Reduktionen in den kommenden Jahren wird sich das Bild bei den Motoren- und Getriebeherstellern wandeln. «Motor, Getriebe, Allrad – alles wird neu angegangen. Die Gesetzesnorm 54 Miles per Gallon ist eine gewaltige Herausforderung. Da gilt es, Lösungen zu finden, sprich Kombinationen mit Verbrennungsmotor bis hin zum rein elektrischen Antrieb. An allem arbeiten wir», sagt Jake Hirsch, Präsident Powertrain von Magna, im Interview mit der Autogazette.

«Aus Mechanikern werden Mechatroniker»

Der kanadisch-österreichische Zulieferer wird ab dem kommenden Jahr für Jaguar ein Fahrzeug produzieren. Ob dann das von Magna neu entwickelte Allradsystem Flex4 oder andere Komponenten des Zulieferers zum Einsatz, konnte Hirsch noch nicht sagen. «Auch wenn Fahrzeuge bei Magna gefertigt werden, müssen nicht unbedingt unsere Produkte verbaut werden.»

Der Präsident ist zudem damit beschäftigt, aufgrund der derzeitigen Veränderungen die Zukunft einzuleiten. «Die ganze Industrie befindet sich im Umbruch. Aus den Mechanikern werden Mechatroniker. Software wird eine sehr große Rolle spielen. Algorithmen werden neu hinzukommen. Wir haben speziell auf Elektronik ausgerichtete Leute. Natürlich wird es immer noch mechanische Teile geben. Einen Elektromotor müssen wir immer noch aufwickeln, aber es wird unter Umständen ganz anders aussehen. Das wird in zehn Jahren aber noch nicht der Fall sein, 20 Jahre wird es wohl noch dauern.»

«Gibt immer noch Möglichkeiten, Verbrauch zu verbessern»

Magna hat ein neues Allradsystem entwickelt.
Magna hat ein neues Allradsystem entwickelt. Magna

Autogazette: Herr Hirsch, Anfang des Jahres hat Magna das Allradsystem Flex4 eingeführt. Ist mit diesen Systemen die Grenze bei der CO2-Reduzierung erreicht oder in Sichtweite?

Jake Hirsch: Es gibt immer noch Möglichkeiten, den Verbrauch zu verbessern.

Autogazette: An welchen Hebeln kann noch angesetzt werden, um die CO2-Werte weiter zu senken?

Hirsch: Überall dort, wo noch parasitische Verluste existieren, die man eliminieren kann. Das heißt, dass bestimmte Teile nur dann Kraft verbrauchen, wenn sie benötigt werden und ansonsten in Bereitschaft bleiben. Im Hinblick auf den Allradantrieb Flex4 bedeutet das, dass hinter dem Motor der ganze Antriebsstrang abgeschaltet wird.

Autogazette: Wird dabei gemeinsam mit Getrag vorgegangen oder bleibt der übernommene Getriebehersteller eigenständig?

Hirsch: Das muss man vom Allradgetriebe getrennt sehen. Auf dem Gebiet der Verbrauchsoptimierung und den On Demand-Systemen, also der Umstellung der Systeme vom mechanischen auf elektrischen Betrieb sicher. Auf diesem Gebiet können dann zwischen drei und zehn Prozent eingespart werden.

Autogazette: Welche Systeme werden wir dann im neuen Jaguar sehen, den Magna produzieren wird?

Hirsch: Da können wir leider im Moment nichts zu sagen.

Autogazette: Aber es werden doch wohl einige Systeme sein?

Hirsch: Nicht notwendigerweise. Auch wenn Fahrzeuge bei Magna gefertigt werden, müssen nicht unbedingt unsere Produkte verbaut werden.

«Gesetzesnorm in USA eine riesige Herausforderung»

Autogazette: Die alternativen Antriebe werden in Zukunft eine immer größere Rolle einnehmen. Inwieweit werden die neuen Techniken das Powertrain-Gebiet verändern?

Hirsch: Die ganze Industrie befindet sich im Umbruch. Motor, Getriebe, Allrad – alles wird neu angegangen. Wir sind beim Motor nicht direkt betroffen, aber die Hybridisierung und Elektrifizierung werden uns betreffen. Die Gesetzesnorm 54 Miles per Gallon . . .

Autogazette: . . . die ab 2025 geltende Gesetzesnorm in den USA . . .

Hirsch: . . . ist eine gewaltige Herausforderung. Da gilt es, Lösungen zu finden, sprich Kombinationen mit Verbrennungsmotor bis hin zum rein elektrischen Antrieb. An allem arbeiten wir.

Autogazette: Wie wird Ihr Arbeitsgebiet in zehn Jahren aussehen? Neue Anforderungen, neue Berufe . . .

Hirsch: . . . aus den Mechanikern werden Mechatroniker. Software wird eine sehr große Rolle spielen. Algorithmen werden neu hinzukommen. Wir haben speziell auf Elektronik ausgerichtete Leute. Natürlich wird es immer noch mechanische Teile geben. Ein Elektromotor müssen wir immer noch aufwickeln, aber es wird unter Umständen ganz anders aussehen. Das wird in zehn Jahren aber noch nicht der Fall sein, 20 Jahre wird es wohl noch dauern.

«Rolle des Verbrennungsmotors wird abnehmen»

Produktionsstandort Magna
Magna-Steyr Produktionsstätte Magna

Autogazette: Bis 2050 sollen 80 Prozent weniger CO2 als heute in die Luft geblasen werden. Brennstoffzelle und Elektromotoren werden führend sein. Getriebe werden dann nicht mehr gebraucht, oder?

Hirsch: Es kommt darauf an. Aber auf alle Fälle nicht mehr in dem Maße wie heute, weil Elektromotoren einstufig gefahren werden können. Es wird sicher noch Kunden geben, die bestimmte Getriebeaktivitäten bevorzugen.

Autogazette: Wird denn in 20 Jahren noch auf den Verbrennungsmotor zurückgegriffen oder wird er eine untergeordnete Rolle spielen?

Hirsch: Die Rolle des Verbrennungsmotors wird abnehmen, aber in 20 Jahren wird er noch in der einen oder anderen Form dabei sein.

Autogazette: Welcher Antrieb wird denn der Bestimmende sein, worauf sich die Powertrain-Branche einstellen muss?

Hirsch: Die Systeme im Verbund oder Komponenten und Module, die am meisten CO2-Einsparungen bringen. Dabei muss aber auch die Kosten-Nutzen-Ratio beachtet werden.

Autogazette: Und wie sieht das konkret aus?

Hirsch: Die Eier legende Wollmilchsau gibt es momentan noch nicht.

«Auto trägt einen Klacks zum CO2-Ausstoß bei»

Autogazette: Mit der Elektrifizierung tut man sich in Deutschland noch schwer. Wie sieht Ihre Lösung aus?

Hirsch: Man muss das Thema in Relation sehen. Es wird viel über das Auto in Verbindung mit CO2-Ausstoß geredet. Dabei trägt das Auto im Vergleich einen Klacks bei – unter 15 Prozent. Solange die Infrastruktur nicht geschaffen ist, wird es schwierig für die Elektrifizierung. Zudem gibt es immer noch neue Möglichkeiten der Erdölgewinnung.

Autogazette: Das heißt, der Verbrennungsmotor wird auch noch in 30 oder 40 Jahren Bestand haben?

Hirsch: Man soll nie nie sagen. Es dauert schon noch eine Zeit lang.

Autogazette: Welcher Motor wird nach der Verbrenner-Ära am stärksten zum Einsatz kommen?

Hirsch: Der Elektromotor mit seinen verschiedenen Anwendungen rein angetrieben oder mit Wasserstoff angetrieben. Wenn es bei der Technik weitergeht, macht man einen großen Sprung. Aber da arbeiten ja auch viele dran.

Autogazette: Magna doch bestimmt auch?

Hirsch: Wir arbeiten nicht an der Wasserstoffzelle direkt. Aber wir arbeiten natürlich an dem, was aus der Wasserstoffzelle beim Antrieb ankommt.

Autogazette: Und da sind Sie soweit, dass Sie schon den neuen Jaguar mit Wasserstoff antrieben könnten?

Hirsch: Da kann ich nichts dazu sagen. Das machen unsere Schwestern bei Magna-Steyr.

Das Interview mit Jake Hirsch führte Thomas Flehmer

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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