«Die Taschen von Jaguar Land Rover sind kleiner»

Zunehmende Bedeutung der Elektronik

«Die Taschen von Jaguar Land Rover sind kleiner»
Forschungs- und Technologie-Direktor Wolfgang Epple von Jaguar Land Rover © AG/Flehmer

Mit dem Evoque Cabrio hat Range Rover für ein Novum im SUV-Segment gesorgt. Der britische Hersteller muss aufgrund seiner Größe ständig versuchen, Nischen zu besetzen, wie Forschungs- und Technologie-Direktor Wolfgang Epple der Autogazette sagte.

Von Thomas Flehmer

Trennungen führen nicht immer zu traumatischen Folgeerscheinungen, sondern können auch zum Erfolg führen. Nach der Abnabelung von Ford vor acht Jahren hat bei Jaguar Land Rover eine neue Zeitrechnung begonnen. «Aufgrund der vielen Eigentümer in früheren Jahren musste Jaguar Land Rover immer mit den Eigenheiten der anderen Hersteller bei den Plattformen leben», sagt Wolfgang Epple im Gespräch mit der Autogazette, «heute haben wir drei eigene Plattformen, die wir selbstständig bearbeiten können.»

Denn obwohl die britische Traditionsmarke anschließend vom indischen Mischkonzern Tata gekauft wurde, lässt besonders deren großer Chef Ratan Tata den Verantwortlichen in Solihull freie Hand, was sich mittlerweile seit vielen Jahren auszahlt. «Alle paar Wochen kommt Ratan Tata nach England, um sich über Fortschritte zu informieren», so Epple. Der 63-Jährige selbst ist dabei an vorderster Front unterwegs und verantwortet den Forschungs- und Technologiebereich, der immer mehr an Bedeutung im Auto zunimmt. «Früher machte die Elektronik im Auto vielleicht fünf Prozent aus, heute sind es bis zu 27 Prozent.»

Steigender Wert der Elektronik im Auto

Epple rechnet damit, dass sich der Wert bis 2020 noch auf bis zu 30 Prozent steigern wird. Nach oben offen jedoch verbleibt die Leistungsfähigkeit der Geräte. «Alle 18 Monate verdoppelt sich die Leistungsfähigkeit der Prozessoren», so der promovierte Informatiker, der in den siebziger Jahren als einer der ersten den damals neuen Studiengang aufnahm.

Die Leistungssteigerung kommt den Fahr- und Sicherheitsassistenten zu Gute, die immer mehr Einzug in das Automobil halten und die Entwicklung zum autonomen Fahren vorantreiben. Nach den fünf festgelegten Stufen der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) befindet sich Entwicklung derzeit auf der zweiten Etappe, «2019 oder 2020 werden wir die Stufe drei erreicht haben», so Epple, der seit vier Jahren dem Unternehmen angehört und zuvor bei Proton in Malaysia und davor 25 Jahre für BMW tätig war.

Autonomes Fahren bringt Zeit zurück

Die fünf Stufen zum autonomen Fahren
Die fünf Stufen auf dem Weg zum autonomen Fahren BASt

Und gerade mit der Stufe drei sieht Epple einen großen Meilenstein auf dem Weg zum voll autonomen Fahren. «Eine Fahrt zum Büro dauert zwischen 20 und 60 Minuten. 80 Prozent der Zeit kann dabei Level drei übernehmen. Der Informatiker sieht in dem Zeitgewinn den größten Nutzen, wenn Autos die Arbeit der Fahrer übernehmen. «Mir ist kein anderes Produkt bekannt, bei dem man Zeit zurückerhält», in dem man sich während des Fahrens anderen Dingen zuwenden kann.

Neben dem Faktor Zeit zählt auch noch der Faktor «Bequem» zu den prägnantesten Punkten, die autonomes Fahren sinnvoll gestalten. Auch wenn Epple dabei die Gefahr sieht, dass der „Faktor «Bequem» den Menschen nicht nur zu Gute kommt. «Immer weniger Menschen können Kopfrechnen, vielen fällt es immer schwerer, sich ohne Navi zurecht zu finden.» Es gibt viele Beispiele, bei dem die Leistungsfähigkeit der Menschen in dem Maße abnimmt, in dem die Leistungsfähigkeit der technischen Helfer zunimmt.

Durch Trennung zum Erfolg

Land Rover sorgt mit dem Range Rover Evoque Cabrio für ein Novum im SUV-Segment
Jaguar Land Rover sorgt mit dem Range Rover Evoque Cabrio für ein Novum im SUV-Segment AG/Flehmer

Dass die Leistungsfähigkeit der Menschen nicht immer abnehmen muss, beweist der britische Hersteller gerade mit dem Evoque Cabrio, mit dem ein neuer Trend im Geländewagen-Segment beginnen kann. «Als kleiner Hersteller sind unsere Taschen ein wenig kleiner. Deshalb müssen wir die Chance nutzen, in Nischen vorzudringen», so Epple. Dass die Chance auf den Erfolg mit dem Cabrio sehr groß ist, zeigen die Bemühungen des Volkswagen-Konzerns. Fast schon nach chinesischer Kopierart hat VW auf dem Autosalon in Genf die Studie T-Cross Breese vorgestellt und auch Audi soll vom ebenfalls in der Schweiz vorgestellten Q2 eine offene Variante in Petto haben.



Doch die Versionen der Konkurrenz aus Wolfsburg und Ingolstadt kratzen die Verantwortlichen von Land Rover kaum, denn die Briten sehen sich gerade im Offroad-Bereich laut dem Informatiker als führend an. «Davon lebt die Marke.» Und zwar so gut, dass sie an Kapazitätsgrenzen stößt und vor einiger Zeit mit dem Zulieferer Magna einen Partner gefunden hat, der die Produktion des neuen F-Pace übernehmen wird. Letztendlich wird durch die Auslagerung zugleich den Erfolgsweg der Marke in den letzten Jahren deutlich unter Beweis gestellt: Aus einer vermeintlich schmerzhaften Trennung auf dem Weg zu neuen Partnerschaften, um weiterhin solide wachsen zu können.

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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