Fiat 500C Twin Air: Vorhang auf

Offener Zweizylinder

Fiat hat auch das 500er Cabrio mit dem Twin Air verstärkt. Mit zwei Zylindern lässt es sich gemütlich cruisen, aber Temperament kann der Kleinwagen auch zeigen.

Von Sabine Stahl

Ein Zauberer benötigt mindestens einen Zylinder für seine Vorstellung. Verrichten Pkw-Motoren ihre Arbeit, sind mindestens drei, meist vier und mehr Zylinder im Einsatz. Nur einer tanzt hier aus der Reihe: Der neue Twin Air von Fiat. Der 0,9 Liter kleine Ottomotor mit 63 kW/85 PS, der im Kleinstwagen-Cabrio 500C für Vortrieb sorgt, kommt mit zwei Zylindern aus. Das Triebwerk hat zwar keine magischen Kräfte, doch es bringt mit seinem lautstarken Temperament einen Hauch von italienischem Lebensgefühl auf die deutschen Straßen - erst recht als Cabrio.

Akustischer Zirkus

Die zwei Brennkammern des neuen Motors sollen vor allem eines: Spritsparen. Dem liegt eine einfach Rechnung zugrunde: Geringer Hubraum gleich geringer Verbrauch. Beim 500C bedeutet dies jedoch nicht gleichzeitig weniger Spaß. Denn der Zwerg ist ein echtes Temperamentsbündel, zumindest wenn man ihn fordert. Dann hat der Kleine seinen großen Auftritt. Das heißt in der Praxis: Fast mühelos dreht er auf 5000 U/min, selbst 6000 U/min sind problemlos realisierbar.

Mal eben auf 160 km/h beschleunigen? Kein Problem. Der italienische Triebwerks-Zampano mit den zwei Zylindern sorgt im Nullkommanichts für ein Lächeln auf dem Gesicht des Fahrers und macht dabei, zumindest akustisch, auch noch ordentlich Zirkus. Denn der Twin Air-Motor ballert und krakeelt, was das Zeug hält.

Sparen im "Eco"-Modus

Per Knopfdruck sparen im Fiat 500C Twin Air Fiat

Die mehr oder minder mühelose Beschleunigung bis maximal 173 km/h funktioniert allerdings nur, wenn man nicht im "Eco-Modus" unterwegs ist. Der drosselt den Cinquecento rigoros, schließlich soll der Benzinverbrauch im Zaum gehalten werden. Wer also die Taste in der Mittelkonsole betätigt und fortan mit dem "Eco"-Zeichen im Bordinstrument über die Straßen rollt, muss ein ruhiges Gemüt haben.

In diesem Modus hat ein beherzter Gaspedal-Tritt eine ähnliche Wirkung auf die Beschleunigung des Fiat wie das Anstupsen eines gemächlich durch die Manege trottenden Zirkuselefanten. Die anfängliche Reaktionslosigkeit verwundert den Gas-Treter zwar im ersten Moment, doch erfüllt sie ihren Zweck: Schließlich hat sich der Fahrer beim Reiseantritt per Knopfdruck für eine verbrauchsarme Fahrweise entschieden.

Krach bei 100 km/h

Bei Tempo 100 wird es arg laut im Fiat 500C Twin Air Fiat

Beim Haushalten mit dem Kraftstoff hilft außerdem die Start-Stopp-Automatik, die den Twin Air beim Ampelstopp vorübergehend zum Schweigen bringt, um ihn bei "Grün" recht ruckvoll wieder in Gang zu setzen. Bei abwechselnder Eco- und Nicht-Eco-Ausfahrt steht am Ende des Praxistests ein Spritverbrauch von 6,7 Litern je 100 Kilometer im Bordcomputer. Der Hersteller gibt für die Version mit der griffgünstig gelegenen aber etwas unpräzisen Fünfgang-Handschaltung 4,1 Liter an, was 95 Gramm CO2 entspricht. Bei der Steuer werden dank des kleinen Hubraums jährlich nur 18 Euro fällig.

Neben seinem Zwergenmotor hat der kleine Südländer allerdings noch weitere Besonderheiten an Bord, nämlich das mobile Dach. Auf Knopfdruck fährt die "Stoffmütze" zunächst bis hinter die Köpfe der Fondinsassen und gibt den Blick gen Himmel frei. Wer in dieser Dach-Position auf die Autobahn düst, der darf frische Luft im Überfluss nicht fürchten. Denn diese wird den Insassen nicht etwa sanft um die Ohren geweht, sondern geballert wie die Kugeln aus einem Maschinengewehr. Ab 100 km/h wird es so laut, dass man freiwillig die Schnellstraße verlässt, auf den Parkplatz fährt und dort das Dach wieder schließt oder es kurzerhand ganz aufmacht. Dafür muss der Finger nochmals auf den entsprechenden Knopf gehalten werden und schon verschwindet das letzte bisschen Stoff samt Heckscheibe und mit ihm das nervige Begleitkonzert. So kann man mit dem 500C zurück auf die Autobahn, ohne dass einem die Luftverwirbelungen auf die Ohren schlagen.

Rückwärts per Sensor

Ein schickes Cockpit empfängt die Insassen im Fiat 500C Twin Air Fiat

Wer bei der nächsten Raststätte an den Kofferraum des Kleinen will, wird gleich mehrfach überrascht. Denn bevor die winzige Klappe öffnet, fährt das Dach vollautomatisch ein Stück nach oben. Erst dann kann die Luke gelupft werden. Der dahinter erscheinende Stauraum ist auf den ersten Blick erschreckend klein. Doch mit ein wenig Hin- und Herrücken passen zum Erstaunen aller sogar zwei Getränkekästen sowie eine große Damenhandtasche hinein.
Beim Einlegen des Rückwärtsgangs fährt das Dach jedoch leider nicht von alleine nach oben und bringt die Heckscheibe in Stellung. Das muss man per Knopfdruck erledigen, andernfalls gerät das Zurücksetzen zu einem Blindflug mit ungewissem Ausgang. Nur gut, dass es akustische Unterstützung durch die Parksensoren gibt. Zum Glück sind diese bei allen Twin Airs Serie.

Die Platzverhältnisse im Fiat sind insgesamt durchaus gut. Selbst auf den beiden hinteren Sitzen können 1,90-Meter-Menschen Platz nehmen, vorausgesetzt, sie haben das Zeug zum Schlangenmenschen und schaffen es, sich durch die enge Öffnung nach hinten zu schlängeln. Dort angekommen, sitzen sie prima und überraschenderweise ohne oben anzuecken. Lässiges Zurücklehnen fällt wegen der niedrig platzierten Kopfstützen allerdings aus, da diese sich in den Schulterbereich der Passagiere bohren.

Ab 17.200 Euro

Fazit der Vorstellung: Der Fiat 500C Twin Air ist zwar kein Kunststück, aber eine magische Kleinwagen-Kugel, die sich mit modernem Motor samt Start-Stopp-Automatik und trickreichem Stoffdach in die Herzen des Publikums zaubert. Die Kosten für die amüsante Vorstellung: mindestens 17.200 Euro. (mid)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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