VW Scirocco: Für den Rebell im Mann

2.0 TSI mit 220 PS

VW Scirocco: Für den Rebell im Mann
De VW Scirocca sieht sportlich aus und fährt sich auch so. © VW

Der VW Golf ist bieder, aber erfolgreich. Der Scirocco ist cool und sportlich. Im vergangenen Jahr haben die Wolfsburger ihn überarbeitet. Was er zu bieten hat, zeigt unser Test mit dem 2.0 TSI.

Verwandtschaft lässt sich nicht leugnen, das ist nicht nur bei Menschen so. Und wenn man einen rollenden Erfolgskompromiss wie den VW Golf in der Familie hat, muss man sich erst recht zur Decke strecken. So hat es etwa der auf dem Bestseller basierende VW Scirocco nicht einfach, vielleicht weil er gerade nicht bürgerlich-spießig sondern sportlich-spaßig sein will. Seit 2008 rollte die aktuelle Generation des Coupés über unsere Straßen, nachdem der traditionsreiche Name nach 16-jähriger Pause fast schon in Vergessenheit geraten war. 2014 hat VW die aktuelle Generation nachgeschärft.

Ist der VW Golf optisch eher unauffällig gezeichnet, weil er halt „everybody´s darling“ sein will, macht der Scirocco ganz offen auf exaltiert. Zwei große Türen, strenger Blick und strammes Heck – kein Zweifel, das Coupé ist der böse Bruder in der Golf-Familie. Seine ausgeprägte Keilform hat allerdings die bekannten Nachteile: Durch die winzige Heckscheibe, die nach hinten schmaler werdenden Seitenscheiben und die breite C-Säule fällt die Rundumsicht sehr bescheiden aus. Das wiederum macht die optionale Einparkhilfe (365 Euro) zur Pflicht.

Abgeflachtes Sportlenkrad

Auffällig ist jedoch eigentlich nur das Blechkleid - im Innenraum ist der Scirocco zuallererst ein VW. Man findet sich quasi automatisch gut zurecht in diesem Auto. Um sich auch hier etwas abzugrenzen, hat der kleine Sportler etwas an Bord, was den Hobby-Alonso im Bürger ansprechen soll: ein aus dem Golf GTI stammendes Lenkrad, das unten abgeflacht ist, sportlich wirkende Hauptinstrumente, eine Stoppuhr und Sportsitze. Natürlich sind diese VW-typisch eher straff, doch gerade deshalb auch auf längeren Fahrten nicht nur für junges Bindegewebe aushaltbar.

Gerade so aushaltbar ist das Infotainment-System. Die Bedienung fällt nach heutigen Maßstäben eher umständlich aus, als kleine Geduldsprobe stellte sich zum Beispiel die Bluetooth-Kopplung dar. Zwar verfügte unser Testwagen über die Media-in-Buchse, die nichts anderes ist als ein i-Pod/i-Phone-Adapterkabel. Wer jedoch kein treuer Apple-Jünger ist, dem bringt auch die 225 Euro teure Sonderausstattung nichts. Auch das betagte Navi steht nicht gerade an der Spitze des Fortschritts.

Alltagstaugliches Auto

VW hat den Scirocco vor allem technisch überarbeitet.
Das Cockpit im Scirocco VW

Der Scirocco will ein voll alltagstaugliches Auto sein. Mit Platz für vier Personen nebst Gepäck. Wer die Heckklappe am VW-Logo öffnet (übrigens eine praktische Veränderung, weil diese vorher nur über den Schlüssel oder einen Knopf im Cockpit zu öffnen war), schaut zwar in ein tiefes Loch, das aber durchaus reisetauglichen Platz für Koffer bietet. Weil die Ladekante jedoch so hoch geraten ist, freut sich über das Ein - und Ausladen schwerer Einkäufe eigentlich nur die Oberarmmuskulatur.

Der Einstieg ins Gästeabteil über die großen und rahmenlosen Türen ist zumutbar – für alle mit Joga-Erfahrung, guter Gelenkigkeit und passender Kleidung. Älteren Herrschaften oder Hüfthosen-Trägerinnen will man doch lieber den Beifahrerplatz anbieten. Dort sitzt man mit dem Kopf zwar nah am Himmel, Arme und Beine können sich aber gut ausbreiten.

Doch kommen wir zum Herzstück dieses Scirocco: Unter seinem attraktiven Blechkleid arbeitet das Zwei-Liter-GTI-Aggregat mit 162 kW/220 PS, das ihn erwartungsgemäß energisch vorantreibt. Auf kurvigen Landstraßen oder Autobahnstrecken fängt der Antrieb schnell Feuer und sorgt für gute Laune. Problemlos beschleunigt das leicht beherrschbare Coupé aus allen Drehzahlen nach oben. Die sechs Stufen des Getriebes arbeitet die Doppelkupplung (DSG) fast pausenlos und fast immer richtig ab. Hinzu kommt eine präzise Lenkung, die schnelle Kurvenfahrten zusätzlich zum Vergnügen machen.

Hoher Verbrauch

VW hat den Scirocco vor allem technisch überarbeitet.
Das wuchtige Heck des Scirocco VW

Der Scirocco-Spaß geht allerdings ins Geld. Beim Verbrauch sollte man sich nicht der Illusion hingeben, der von VW angegebene Durchschnittswert von 6,4 Litern wäre auch nur annähernd realistisch. Nach unseren allerdings eher strammen Testfahrten teilte uns der Scirocco per Bordcomputer mit, dass er fast 11 Liter Super für 100 Kilometer benötigt habe. 220 Pferdchen brauchen nun mal ihr Futter.

Wer so viel Leistung nicht benötigt, kann auch ruhigen Gewissens zum 132 kW/180 PS starken Aggregat oder direkt zum 1,4-Liter-Basisbenziner mit 92 kW/125 PS greifen. Mindestens 23.900 Euro müssen für den Einstieg in die Scirocco-Welt investiert werden. Unser Testwagen kostet mindestens 30.425 Euro, mit diversen Extras rücken die 40.000 Euro schnell in Bezahlweite. Ein echter Volkssportler ist zumindest diese Scirocco-Variante daher nicht.

Gerade mal 3.016 neue Scirocco fanden 2014 hierzulande einen Besitzer. Zum Vergleich: Bei der Golf-Familie – inklusive Sportsvan und Kombi - griffen 255.044 Autofahrer zu. Vielleicht ist es die Mischung aus der relativ bescheidenen Alltagstauglichkeit und der ambitionierten Preisgestaltung, die den kleinen Sportler zum eher seltenen Bild auf unseren Straßen macht. Da greifen viele Interessenten doch lieber gleich zum Golf GTI, denn auch er bietet tolle Fahrleistungen bei gleichzeitig aber deutlich mehr Platz. (SP-X)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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