Opel Cascada: Der letzte Mohikaner

Technische Basis vom alten Astra

Opel Cascada: Der letzte Mohikaner
Der Opel Cascada ist übrig geblieben im offenen Kompakt-Segment © Opel

Die Cabrios der Kompaktwagenklasse sterben langsam wieder aus. Mit dem Opel Cascada können dagegen noch die Freuden des immerhin 4,70 Meter langen offenen Viersitzers genossen werden – aber auch die Schwächen sind nicht zu übersehen.

Die letzten Biotope des Cabrios sind heute das Premiumsegment und die Sportwagenklasse. Kompakte Pkw mit aufklappbarem Dach – vor wenigen Jahren noch überall zu kaufen – gibt es heute bei den bürgerlicheren Marken kaum noch.

Einer der letzten Vertreter ist der Opel Cascada, der die rationalen Gründe für den Cabrio-Verzicht mal wieder ins Gedächtnis ruft. Und gleichzeitig emotionale Gegenargumente liefert.

Opel Cascada ein Zweisitzer mit Zusatzsitzen

Stolze 4,70 Meter misst das Stoffdach-Cabrio und hat damit Mittelklasseformat. Ein Golf Cabrio beispielsweise ist fast einen halben Meter kürzer. Theoretisch kann der Opel aus seinen großzügigen Dimensionen auch durchaus Gewinn ziehen. So ist der Fond bei geschlossenem Verdeck zwar finster, bietet aber vergleichsweise viel Bein- und Schulterfreiheit. Doch wirklich bequem haben es Erwachsenenköpfe auf der Rückbank nur bei geöffnetem Dach – und wann, außerhalb von Fußball-Autokorsos, fährt man schon dauerhaft so?

Daher bleibt auch der lange Cascada im Grunde ein Zweisitzer mit zwei Zusatzsitzen. Auch darüber hinaus ist der Opel wie jedes Cabrio seiner Klasse ein eher unpraktisches Auto. 380 Liter Kofferraumvolumen bei geschlossenem und 280 Liter bei geöffnetem Verdeck sind zwar aller Ehren wert, aufgrund der schmalen Öffnung aber nur eingeschränkt nutzbar. Immerhin passen zwei Wasserkisten auch bei Open-Air-Fahrt hinten rein.

Opel Cascada mit Luxusflair und Prestigegewinn

Der Opel Cascada ist übrig geblieben im offenen Kompakt-Segment
Der Cascada zielt in Richtung Premium Opel

All diese Kritikpunkte sind für ein Cabrio nicht ehrenrührig – in dieser Klasse geht es letztlich nicht anders. Als Gegenleistung gibt es neben dem Vergnügen des Offenfahrens auch einen guten Schuss Luxusflair und Prestigegewinn. Gerade davon will der Cascada besonders profitieren. In Auftritt und Aufmachung orientiert er sich eher an Audi A5 Cabrio und Co. als am offenen Golf.

Breit und geduckt steht er auf der Straße und strahlt genau die dynamische Eleganz aus, die auch bei den Käufern der Premiummodelle gefragt ist. Hier merkt man, dass das leicht eskapistische Cabrio für Opel weniger Absatzkurbler als vielmehr Image-Booster und Mutmacher nach der Krise zu Beginn des Jahrzehnts sein sollte. Trotzdem bleibt man dem Preisgefüge der Marke verhaftet. Mit 26.650 Euro ist der Cascada durchaus bürgerlich positioniert, auch wenn dann gerade einmal 88 kW/120 Benziner-PS zur Verfügung stehen. Unseren Testwagen mit dem 147 kW/200 PS starken Top-Benziner gibt es ab 30.850 Euro. Beides liegt grob auf dem Niveau des VW Golf Cabrio – und tausende Euro weg von den Preisen bei Audi, BMW oder Mercedes.

Alter Opel Astra liefert technische Basis

Der Opel Cascada ist übrig geblieben im offenen Kompakt-Segment
Im Cockpit muss man noch mit dem alten Design vorlieb nehmen Opel

Dass die technische Basis vom Allerwelts-Kompakten Astra stammt, käme einem angesichts der selbstbewussten Statur nicht in den Sinn. Allerdings: Dabei handelt es sich nicht um den 2015 erfolgreich erneuerten Astra, sondern das seit 2009 gebaute Vorgängermodell – nicht unbedingt die technische Speerspitze der Kompaktklasse. Größtes Problem des alten Astra und damit auch des Cascada: das Übergewicht. Mindestens 1700 Kilogramm bringt das Cabrio auf die Waage – da kommt selbst der 147 kW/200 PS starke 1,6-Liter-Turbobenziner, immerhin das Spitzenaggregat im Programm, ein wenig ins Schwitzen.

Wer besonders sportliche Fahrleistungen erwartet, wird enttäuscht. Knapp neun Sekunden benötigt der Vierzylinder, um den Opel auf Tempo 100 zu beschleunigen. Da freut man sich, nicht einen der schwächeren Benziner erwischt zu haben und lässt es gleich etwas ruhiger angehen. Entspannt Cruisen heißt die Devise, zu der das sanfte, aber verbindliche Fahrwerk hervorragend passt. Der Cascada wirkt zwar schwer, aber auch massiv und wertig. Das macht Lust, einfach mal mit offenem Dach durch die Gegend zu mäandern. Innenstädte sollte man dabei aber eher meiden – vor allem wegen des kurios großen Wendekreises von 12,20 Metern. In Kombination mit der schlechten Rücksicht bei geschlossenem Verdeck wird das Rangieren nämlich zum Entspannungs-Killer.

Opel Cascada als abseitigere Alternative

Wie man es auch dreht: Ein richtiges Alltagsauto ist selbst ein viersitziges Kompakt-Cabrio wie der Cascada nicht. Wer Wert auf Platz und Praxis legt, fährt mit dem moderneren Astra-Fünftürer oder einem modischen SUV klar besser. Der offene Opel ist die etwas abseitigere Alternative.

Grade das könnte ihn wiederum für den einen oder anderen Käufer interessant machen. Große Absatzvolumina sind so allerdings nicht zu generieren. Am Ende bleibt angesichts dessen die bange Frage, ob der Cascada endgültig zu den letzten seiner Art zählt. Erzkonkurrent VW zumindest hat seine Cabrio-Modelle Golf und Eos bereits eingestellt. (SP-X)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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