Ford F-150 Raptor: Exotisches Raubtier

Pickup mit 450 PS

Ford F-150 Raptor: Exotisches Raubtier
Der Ford F-150 Raptor greift auf 450 PS zurück © SP-X

Eigentlich ist der F-150 Raptor nur dem amerikanischen Markt vorbehalten. Doch einige Exemplare von Fords Vorzeige-Pickup verirren sich auch mal in die „Alte Welt“.

5,60 Meter lang, zwei Meter hoch und schon ohne Außenspiegel satte 2,20 Meter breit: Der Ford F-150 Raptor wirkt auf deutschen Straßen wie ein Fremdkörper, ein Raubtier, das Klein- und Kleinstwagen aufsaugt – und dann genüsslich verschlingt. Eigentlich ist der rund 2,5 Tonnen schwere Pickup strikt dem US-Markt vorbehalten, wo er vor allem dank seines starken Motors – da kommen wir noch zu – und seiner Offroad-Fähigkeiten jeden Monat fast 1000 Mal verkauft wird. Dabei dürfte auch der verhältnismäßig geringe Kaufpreis von umgerechnet 50.000 Euro helfen.

Möchte man den Raptor nach Deutschland bringen, verlangen die bekannten Importeure mal locker das Doppelte des US-Preises. Lohnt sich das? Und wie kommt man mit dem Raptor auf deutschen Straßen zurecht?

Verblüffend bequemer Innenraum

Hat man sich vom gewaltigen Äußeren des sportlichsten F-150-Ablegers nicht abschrecken lassen, kann man über die schwarzen Trittbretter vorsichtig das Cockpit entern, das eher einer Flugzeugträger-Kommandobrücke als einem Auto-Innenraum gleicht: Überall sind Schalter und Knöpfe für die vielen Fahrmodi, Geländeeinstellungen und möglichen Zusatzanbauten verstreut, die Ford dem Raptor zutraut. Seilwinde? Geht. LED-Lichtleiste auf dem Dach? Gar kein Problem.

Hat man erstmal auf den verblüffend bequemen Ledersesseln Platz genommen, beginnt man mit dem Versuch, die Lage zu überblicken. Von hier oben sieht alles ganz klein aus. So müssen sich echte Trucker fühlen. Dabei gibt es im Raptor allen Komfort. Die Sitze sind beheiz- und kühlbar, das Infotainment-System lässt kaum Wünsche offen und die Verarbeitung ist auf einem ordentlichen Niveau. Alles wirkt extrem stabil. Vor allem das Platzangebot ist fast schon unwirklich. Egal ob nach oben, nach vorne, nach rechts oder nach links: Hier kann man sich ausbreiten. Vorausgesetzt, man sitzt in der ersten Reihe. Der Fond der mit gegenläufig öffnenden Türen ausgerüsteten „Supercab“-Version ist eher etwas für den Nachwuchs oder wetterempfindliches Gepäck.

Ernüchternder Sound des Raptors

Der Ford F-150 Raptor greift auf 450 PS zurück
Sehr komfortabel geht es im Cockpit des Raptors zu SP-X

Unter der Haube des Raptor pumpt ein 3,5 Liter großer V6-Turbomotor literweise Drehmoment aus seinen Brennräumen. Das gleiche Aggregat kommt übrigens auch im Supersportler Ford GT zum Einsatz – dort mit 441 kW/600 PS. Im Raptor dürfen wir „nur“ auf 330 kW/450 PS zurückgreifen, was einem angesichts der monströsen Ausmaße des F-150 trotzdem zunächst leicht verrückt vorkommt – genau wie die „Ecoboost“-Bezeichnung, die den Motor ziert.

Mit einem Druck auf den Startknopf erwacht das Triebwerk zum Leben. Der Sound ist dabei etwas ernüchternd. Nur zur Erinnerung: In der letzten Raptor-Generation trieb noch ein sechs Liter großes frei saugendes V8-Ungetüm Nachbarn und Umweltschützer mit seinem fiesen Geschrei in den Wahnsinn. Der neue Motor ist kleiner, leiser aber auch sparsamer und stellt ein höheres Drehmoment zur Verfügung, 691 Newtonmeter liegen im Idealfall an. Kombiniert wird das Ganze mit einer Zehngang-Automatik, die im normalen Fahrbetrieb butterweich und unauffällig schaltet.

Generell lässt sich der Raptor nach einer gewissen Eingewöhnungszeit recht gut im Alltag bewegen. Klar, die Außenmaße schränken ab und zu ein, doch auch ein Nissan GT-R oder eine G-Klasse von Mercedes passen nicht durch jede Einbahnstraße oder in jedes Parkhaus. Ungeschlagen ist beim F-150 dagegen der Rundumblick, den man an jeder Ampel über die „Kleinen“ schweifen lassen kann. Wie wohl man sich umgekehrt in einem Smart neben dem Raptor fühlt, ist allerdings nicht überliefert.

Eleganter Kurvenspaß im Ford F-150 Raptor

Der Ford F-150 Raptor greift auf 450 PS zurück
Bis zu 170 km/h schafft der Ford F-150 Raptor SP-X

Szenenwechsel: Ab auf die Autobahn. Wir schalten den Fahrmodi-Knopf auf „Sport“, treten das Gaspedal durch und lassen die Elektronik den Rest machen. Dunkel grummelnd schiebt der Raptor an und scheut sich auch vor ordentlichen Autobahn-Geschwindigkeiten nicht. In knapp über fünf Sekunden geht es aus dem Stand auf Tempo 100, Schluss ist – aus Vernunftsgründen – bei 170 km/h. Dabei fühlt sich der Raptor trotz seiner 35-Zoll-Offroad-Reifen auf der Autobahn nicht ganz so schwammig an, wie vorher befürchtet. Aber auch abseits der relativ vorhersehbaren Kurvenfolgen auf der A4 zwischen Köln und Olpe liefert der Raptor ab. Zwar kann man in Deutschland nicht mal eben den Rubicon Trail oder die Baja-Halbinsel zum Offroaden aufsuchen, das Bergische bietet dafür aber einige feine Sträßchen, die man eigentlich in Sportwagen vom Kaliber eines Porsche 911 aufsuchen sollte.

Fahrwerksseitig ist der Raptor mit Motorsport-Dämpfern der Firma Fox ausgerüstet. Davon binden an jeder Ecke gleich zwei jeweils ein Rad an die Karosse. Auf kurvenreichen Landstraßen fühlt sich der F-150 zwar weiterhin echt groß an, kann aber um die Haarnadeln wedeln wie ein deutlich kleineres – und leichteres – Auto. Dabei hilft mit Sicherheit auch das um 250 Kilo gesenkte Gesamtgewicht im Vergleich zum Vorgänger. Auch die Bremsen scheinen mit der schieren Masse des Ford gut klarzukommen. Und das, obwohl man in den ersten 15 Minuten immer das Gefühl hat, viel zu schnell auf eine Kurve zuzufahren. Aber man gewöhnt sich an alles und wenn man dann die Gänge noch über die Schaltwippen selbst sortiert und den Raptor von Kurve zu Kurve feuert zeigt sich, dass man mit dem großen Pick-up auch außerhalb des Landes der unbegrenzten Möglichkeiten viel Spaß haben kann. Nie hätten wir es für möglich gehalten, dass ein solcher Koloss so spielerisch zu beherrschen sein kann. Trägheit der Masse? Davon hat der Raptor noch was nie gehört. (SP-X)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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