Audi S4: Tiger auf Samtpfoten

Sportliche Limousine mit 354 PS

Audi S4: Tiger auf Samtpfoten
Der Audi S4 hält nichts von optischen Muskelspielen © Audi

Der S4 von Audi verbirgt seine sportlichen Attitüden hinter einem wenig mutigen Design. Doch die sportliche Limousine der A4-Familie kann halt auch mehr als nur Gas geben.

Das häufig beschworene Bild vom „Sportler im Maßanzug“ ist zugegeben ein wenig abgedroschen. Aber es passt trotzdem haargenau auf diesen Testwagen: Der Audi S4 ist zwar erst 2016 auf den Markt gekommen, wirkt aber wie ein alter Bekannter. Kein Wunder, gilt das gleiche doch auch für die bürgerliche Ingolstädter Mittelklasse insgesamt, also den A4 in all seinen Varianten.

Diese Modelle wurden 2015 vorgestellt, erhielten viel Lob für ihre Verarbeitung, den Komfort und die Laufruhe, mussten aber auch Kritik einstecken, und die bezog sich fast immer auf das zwar elegante, vielleicht auch zeitlose, letztlich aber wenig mutige Design. Bösartig interpretiert könnte das heißen: Der A4 ist ein wenig langweilig.

Audi RS4 in der Pipeline

Für das derzeitige Spitzenmodell der Baureihe, den S4 gilt das vielleicht ebenso. „Derzeitig“ übrigens deshalb, weil ein noch stärkerer RS4 mit um die 500 PS ja in Vorbereitung ist, aber erst im Laufe des nächsten Jahres in den Handel kommt. Aber zurück zum S4, dessen optische Bescheidenheit fast schon zu weit geht und der sich auf den ersten Blick kaum von der normalen Limousine unterscheidet. Das ändert sich allerdings, wenn man den Motor startet und der nagelneue Sechszylinder die Arbeit aufnimmt. Denn das Dreiliter-Aggregat, unterstützt von einem Turbolader und nicht wie beim Vorgänger „nur“ von einem Kompressor, macht sofort Dampf.

Das liegt auch an der vorzüglichen Achtgang-Automatik aus dem Hause ZF, deren erste Stufen kurz und knackig übersetzt sind, dagegen die höheren länger, was auf etwa auf der Autobahn dem Verbrauch zu Gute kommt. Die angegebenen siebeneinhalb Liter sind natürlich illusionär, aber wir waren – auch wenn es vielleicht etwas komisch klingt – mit unseren elf Litern Durchschnittsverbrauch gar nicht so unzufrieden. Schließlich wollte der S4 getestet werden, entsprechend hoch war der Anteil dynamisch gefahrener Abschnitte. Im Alltag wird man wohl mit neun bis 10 Litern auskommen, angesichts von 354 PS unter der Haube wahrlich kein schlechter Wert.

Audi S4 voll alltagstauglich

Der Audi S4 hält nichts von optischen Muskelspielen
Der Kofferraum des Audi S4 fasst 480 Liter Audi

Zwei Dinge überzeugten uns an diesem Fahrzeug im Alltag am meisten. Die dank leicht hecklastig ausgelegten permanenten Allradantriebs unerbittliche Präzision des S4, sowohl in Kurven als auch beim Geradeauslauf, sowie der gleichzeitig überraschend hohe Komfort trotz aufgezogenen 19-Zoll-Rädern.

Im Vergleich zu anderen, ähnlich motorisierten Kalibern in dieser Klasse – nennen wir als Beispiel mal den Volvo S60 Polestar – ist der S4 geradezu ein Tiger auf Samtpfoten. Was nun wiederum Fahrer von der Sorte „ich will für mein Geld unverfälschte, sportliche Härte“ eher wieder abstoßen könnte. Der Audi hat aber weder in Sachen Optik noch Härte solche Muskelprotzereien nötig und ist daher ein echtes Alltagsauto. Natürlich nicht zuletzt auch deshalb, weil man zwei Erwachsene auch hinten gut mitreisen lassen kann und der Kofferraum großzügige 480 Liter Gepäck fasst. Eben wie bei den A4-Modellen.

Exzellente Verarbeitung im Audi S4

Der Audi S4 hält nichts von optischen Muskelspielen
Kühle Eleganz im Cockpit des Audi S4 Audi

Kaum zu unterscheiden vom A4 ist auch der Innenraum des S4. Passend zum zurückhaltenden Äußeren, geht es auch innen einfach typisch Audi zu. Es herrscht eine kühle Eleganz vor, die man auch als steril empfinden mag, dafür ist die Bedienung narrensicher und die Verarbeitung einfach nur exzellent. Aber das sind wir von den Ingolstädtern ja gewohnt. Der in die heilige Halle eindringende Sound ist allerdings künstlich komponiert und überzeugt nicht wirklich. Wer vor, neben oder hinter dem S4 steht, hört noch weniger „Musik“, was aber wiederum viele Menschen als wohltuend empfinden könnten.

Der S4 trägt seinen Nerz also nach innen, um hier ein weiteres gern genommenes Bild zu strapazieren. Aber auch das trifft in diesem Fall halt zu. Der S4 kann alles, was eine Sportlimousine in der Praxis können muss. Er ist dynamisch, schnell, präzise und ausreichend sparsam, hält für seine Passagiere aber viel Platz und noch mehr Komfort vor. Tatsächlich also eine fast perfekte und dazu noch perfekt verarbeitete Business-Sportlimousine. 59.300 Euro steht auf dem Preisschild des Basisangebots, 75.000 Euro sollte veranschlagen, wer auf die wirklich wichtigen und einige weniger wichtige Extras nicht verzichten will. Na ja, ein Maßanzug eben, und der hat nun mal seinen Preis. (SP-X)

Vorheriger ArtikelSicherheitsrisiko Winterjacke
Nächster ArtikelBorgward-Chef Walker gibt hohe Wachstumsziele aus
Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

Keine Beiträge vorhanden