Lange Arme garantiert

Yamaha Vmax

Lange Arme garantiert
Das Cockpit der Yamaha Vmax © Foto: Yamaha

Yamaha belebt einen Mythos neu. Der japanische Motorradbauer bringt die neue Vmax auf den Markt. Die Leistung flößt Respekt ein: 200 PS sorgen für fulminaten Vortrieb – und lange Arme.

Von Thilo Kozik

Fünfundzwanzig Jahre sind seit der ersten Vorstellung von Yamahas Vmax 1984 vergangen - eine Zeitspanne, in dem das seinerzeit stärkste Motorrad weit und breit zur Legende reifte und eine unheimlich treue Anhängerschaft von rund 100.000 Mitgliedern rund um den Globus auf sich vereinte.

Stil amerikanischer Muscle-Cars

Dafür war zum einen das höchst eigenwillige Design im Stil amerikanischer Muscle-Cars verantwortlich. Doch nicht zuletzt der Kick, mit damals unvorstellbaren 140 PS in einem ziemlich überforderten Fahrwerk über den Asphalt zu jonglieren, machte den Reiz dieser Macho-Maschine aus.

Das Cockpit der Yamaha Vmax Foto: Yamaha

Erinnern wir uns: In Deutschland war Yamaha die Vmax zu heikel, wer eine haben wollte, musste zum Grauimporteur gehen. Erst 1996 traute sich die deutsche Niederlassung, das Motorrad offiziell zu importieren - allerdings mit einer im Rahmen der freiwilligen Selbstkontrolle auf 100 PS gekappten Leistung, womit die Faszination futsch war.

Jetzt also, ein Vierteljahrhundert nach der Erstauflage, belebt Yamaha den Mythos neu: Mit einer 2009er Vmax, von Grund auf neu konstruiert und mit sämtlicher Hightech des japanischen Konzerns vollgestopft, aber doch mit der gleichen Aussage wie das Ur-Bike versehen - nur eben in allen Komponenten 25 Jahre jünger gemacht. Heute wie damals steht das V4-Aggregat voll im Mittelpunkt, nichts verstellt den Blick auf den Kraftprotz. Im Gegenteil: Die typischen Lufthutzen aus poliertem Alu und die markanten, hoch gereckten Titan-Schalldämpfer lenken den Blick auf das mit 200 PS stärkste Triebwerk der Zweiradwelt.

Die Lufthutze an der Yamaha Vmax Foto: Yamaha

Die Zylinderbänke stehen im engen 65 Grad-Winkel zueinander, leichte Aluminium-Schmiedekolben mit einsatzgehärteten Pleueln bringen einen Hubraum von 1679 ccm . Innen operiert die gesammelte Yamaha-Ingenieurskunst mit variablen Ansauglängen (YCC-I) und dem Drive-by-Wire-System YCC-T, wohl bekannt aus den Vorzeigesportlern YZF-R1 und R6, und bestens abgeschmeckt mit zusätzlichen Innovationen wie dem zentralen Nockenwellenantrieb über Kette und Zahnräder, der erst die kompakten Zylinderköpfe möglich macht.

Lässiger Kniewinkel

Das V4-Aggregat der Yamaha Vmax leistet 200 PS Foto: Yamaha

Doch was drin steckt ist egal, wenn man drauf sitzt - jedenfalls zu Beginn unserer Testfahrt im südlichen Kalifornien. Der im Stand mit beiden Beinen gut erreichbare Boden samt leicht zum Lenker hin vorgebeugte Oberkörper sprechen die Sprache des Drag Strip, lässige Kniewinkel sind für lockeres Abspulen von Kilometern gemacht. Dem Druck aufs Knöpfchen folgt ein knurriger Sound, der gleichzeitig Souveränität und Aggressivität versprüht. Erlaubt die hydraulische Kupplung den Kraftfluss über die Kardanwelle ans Hinterrad, zieht die Vmax mir unwillkürlich die Arme lang - selbst, wenn man wie ich nur gemütlich Anfahren und das geregelte Leben in den aufgeräumten Suburbs von San Diego (noch) nicht stören will.

Makellos lässt es sich in der Fünfgangbox herum rühren, beim Runterschalten überspielt die Antihopping-Kupplung etwaige Drehzahldifferenzen locker. Doch wozu Schalten? Das Ding schiebt selbst im Vierten und Fünften dermaßen nach vorne, dass ich die ersten drei Stufen nur zum Anfahren brauche. Überholen? Ein Dreh am Gasgriff genügt, und der lästige Verkehr ist aufgeschnupft.

Imposant - das Heck der Yamaha Vmax Foto: Yamaha

Dabei röchelt und arbeitet der Vau-Vier-Motor unter der Sitzbank so vernehmlich, dass mich das mulmige Gefühl beschleicht, dieser Kerl könne irgendwann doch sein eigenes Leben führen. Diesen Eindruck verstärkt das bisweilen verzögerte Gasannehmen aus dem Schiebebetrieb, das elektronische Gassystem lässt hier grüßen.

310 Kilo Lebendgewicht

Über Land macht die neue Vmax einen erfreulich agilen Eindruck trotz ihrer 310 Kilo Lebendgewicht und des 1,7 Meter langen Radstands. Klar, in engen Kurven tendiert das Ganze nach außen und bergab schiebt das Gewicht übers Vorderrad, aber der neue Leichtmetallrahmen mit unterschiedlich dicken Wandstärken sorgt für gute Stabilität. Gleiches gilt für die extra entwickelten Bridgestone BT 028-Pellen im 18-Zoll-Format, die gerne geradeaus laufen. Fragt sich nur, warum die Yamaha-Techniker die komplett einstellbaren Federelemente viel softer als standardmäßig empfohlen abgestimmt haben, was Wabern durch Kurven und unangenehme Kardanreaktionen zur Folge hat.

Glücklicherweise ist das Federbein hinten mit von außen bedienbaren Einstellmechanismen versehen, und mit strafferer Dämpfung sieht die kurvige Welt schon ganz anders aus. Die wahre Bestimmung der Vmax offenbart sich aber auf den breiten Einfallstraßen in Richtung San Diego, wenn sich sechsspurige Asphaltbänder kreuzen und Mega-Ampelanlagen den Verkehr regeln.

Wir Vmax-Fahrer rollen hier bis in die erste Linie und lauern auf Grün, die Beine fest in den uramerikanischen Teer gestemmt. Beim Startsignal schnalzt die Kupplung rein, der Motor malträtiert den Hinterreifen und mit einem dicken schwarzen Strich katapultiert sich die Yamaha mit mir als hilflosem Bündel von der weißen Startlinie - nichts und niemand kann ihr folgen, kein heißgemachter V8-Pickup und keiner der blutleeren Supersportler, die zuvor noch ihre Reihenvierzylinder hyperaktiv aufjaulen ließen.

Bequem - zumindest der Fahrer der Yamaha Vmax kann lässig Platz nehmen Foto: Yamaha

Dass die Vmax mit 19.750 Euro eine gehörige Stange Geld kostet, zunächst in einer europaweiten Auflage von 1500 Stück kommt und übers Internet unter www.new-vmax.com reserviert werden muss, tut ihrer Faszination keinen Abbruch. Denn neben dieser den Besitzerstolz maximierenden Exklusivität haben die Yamaha-Leute es geschafft, das Konzept und den Anspruch der Vorgängerin in die heutige Zeit zu transferieren: Auch die neue Vmax verkörpert Kraft, Beschleunigung und Adrenalin, toll gemacht - chapeau!

Gnadenlose Beschleunigung

Gnadenlos beschleunigt der Vau-Vier, bis der grell aufleuchtende Schaltblitz im Webcam-Format zum Hochschalten mahnt, einmal, zweimal, dreimal, doch bis zum elektronisch abgeriegelten Höchsttempo von 220 km/h traue ich mich trotz aller Drehfreude dann doch nicht - ein Wochenende im kalifornischen Kittchen stelle ich mir nicht so romantisch vor. Kurz vor der nächsten Kreuzung fangen die beiden mächtigen Sechskolben-Radialzangen das Torpedo locker wieder ein; mit gut kontrollierbarer Wirkung und recht spät einsetzendem ABS, aber ohne den harten Biss, den ihre brachiale Aufmachung eigentlich nahelegt.

Seitenansicht der Yamaha Vmax Foto: Yamaha

Dass wenig praxisgerechte Details wie die verspielte Infozentrale auf der Tankattrappe, während der Fahrt kaum ablesbar, und die per Zug hinter der linken Seitenverkleidung hochklappbare Rückenlehne, unter der sich der viel zu kleine Tank verbirgt, beibehalten wurden, fällt unter die Kategorie Kult - die gehören einfach zu einer Vmax.

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