Biedermann statt Brandstifter

VW Touran

VW hat dem Touran das neue Markengesicht verpasst und den Kompakt-Van mit sparsameren Triebwerken ausgestattet. Der Touran bleibt weiterhin seiner Linie treu und bietet dabei mehr als solide Leistungen.

Von Thomas Flehmer

Es kommt selten vor, dass ein Fahrzeug gleich zwei Mal modellgepflegt wird. Doch beim VW Touran, der bereits vor vier Jahren geliftet wurde, macht nun der Ende des Jahres kommende neue Opel Meriva Druck auf den Kompakt-Van aus Wolfsburg. Damit die Marktführerschaft - insgesamt 1,13 Millionen Einheiten wurden in sieben Jahren Touran-Geschichte verkauft - auch weiterhin behauptet werden kann, ist die Überarbeitung recht stark ausgefallen.

Golf VI steht Pate

Dabei steht der Golf VI, der im Herbst 2008 präsentiert wurde, auch für den Touran recht häufig Pate. Jedes Karosserieteil wurde - bis auf die vier Türen neu gestaltet. An der Front macht sich die neue Marken-DNA am stärksten bemerkbar. Der mittlerweile typische kleine Kühlergrill mit den Scheinwerfern kommt auch beim Touran zum Vorschein, Sie sollen ebenso Dynamik ausstrahlen wie der von 0,32 auf 0,29 gesenkte cW-Wert.

Das Heck zieren nun zwei horizontal angebrachte Heckleuchten, die sich vom Kotflügel bis in die Heckklappe ziehen. Ein Dachkantenspoiler soll die Aerodynamik weiter verbessern. Doch selbst die neuen Linien und Design-Kniffe können die an sich klobige Form des Kompakt-Van-Konzeptes nicht wegschnipsen. Wer Touran fährt, legt mehr Wert auf Praktikabilität als auf Schönheit; ist eher der brave Biedermann als der aktive Brandstifter, was sich beim Autofahren ja auch nicht unbedingt als Nachteil erweist.

Aufgewerteter Innenraum

Der Innenraum wurde aufgewertet Foto: VW

Auch im Innenraum setzte sich die beim Golf angefangene Designlinie fort. Hier kommen nun mehr Chromapplikationen und edlere Materialien zum Einsatz. Die Instrumente sind weiß hinterleuchtet und das Dreispeichen-Multifunktionslenkrad ist mittlerweile auch schon bekannt und lässt sich genauso leicht bedienen wie bei den Geschwister-Modellen. Ab der mittleren Ausstattungslinie spendiert VW sogar schon elektrische Fensterheber.

Ebenfalls je nach Ausstattung kann der Touran als Fünf- oder Siebensitzer geordert werden. Die Sitze der zweiten Reihe können verschoben und ausgebaut werden, die in der dritten Reihen versenkbaren beiden Einzelsitze erfordern einen finanziellen Aufwand von 705 Euro. Dann schwindet zu Gunsten der zu transportierenden Personen das Gepäckvolumen auf 121 Liter. Als Fünfsitzer beginnt das Volumen des Kofferraums bei 695 Litern und endet bei 1989 Litern. Und so mutiert der Touran trotz der Aufwertung weiterhin eher zum praktischen Lastenesel als zur glitzernden Stilikone.

Aufregender Parkassistent

Auch das Heck wurde modifiziert Foto: VW

Technisch neu und recht aufregend ist der Park Assist, der schon bei der ersten Modellpflege 2006 debütierte. Konnte der Platzhirsch im Segment vor vier Jahren aber "lediglich" längs automatisch einparken, so ist ab der aktuellen Modellpflege auch ein automatisiertes Quer-Einparken möglich. Sensoren messen die Größe der Parklücke. Ist die Lücke groß genug, legt der Fahrer den Rückwärtsgang ein und gibt nur noch Gas, das Einschlagen des Lenkrades besorgt der 720 Euro teure Parkassistent.

Ebenso neu und sinnvoll ist der Fernlichtassistent. Das kamerabasierte System erkennt die jeweilige Verkehrssituation und blendet ab einer Geschwindigkeit von 60 km/h automatisch auf oder ab und optimiert so für 310 Euro ebenso die Sicherheit von Fahrer und Beifahrer wie die 955 Euro teure adaptive Fahrwerksregelung, die die Dämpfung des Wagens an die jeweilige Beschaffenheit der Fahrbahn und der Fahrsituation anpasst.

"Allzweckwaffe" jetzt auch im Touran

Der TSI-Motor kommt nun auch im touran zum Einsatz Foto: VW

Erstmals kommt die neue "Allzweckwaffe" des Konzerns auch im Touran zur Geltung, der 1.2 TSI mit 77 kW/105 PS. Und auch im 1460 bis 1613 Kilogramm schweren Kompakt-Van gibt der per Turbo aufgeladene Vierzylinder eine gute Performance ab. Zwar sind 11,9 Sekunden für den Sprint zur 100 km/h-Marke und 188 km/h keine Spitzenwerte, doch der Touran ist ja mehr Biedermann als Brandstifter und überzeugt bei den Verbrauchswerten, besonders in der Bluemotion-Version mit gut funktionierender Start-Stopp-Automatik und Bremsenergie-Rückgewinnung.

5,9 Liter und 139 Gramm CO2 pro Kilometer gibt VW als Verbrauch an, das sind 2,2 Liter weniger als die Einstiegsversion des Vorgängers, umgerechnet 27 Prozent. Durch die Aufladung steht das maximale Drehmoment von 175 Newtonmetern schon ab 1500 Umdrehungen zur Verfügung und setzt den Van gut in Schwung. Wie beim Golf ist die Geräuschdämmung dabei faszinierend. Selbst bei hohen Geschwindigkeiten stören nicht einmal Windgeräusche. Ebenso schön ist es, dass bereits in der Basisversion ein sechster Gang zur Verfügung steht, der der Stille ebenso Vorschub leistet und zum angenehmen Fahren beiträgt.

Ab 4,6 Liter Verbrauch

Alltagsnutzen vor Schönheit Foto: VW

Neben dem 1.2 kommen auf Benziner-Seite die bekannten 1.4 TSI mit 103 kW/140 PS und 125 kW/170 PS zum Einsatz, auch das Turbo-Erdgas-Fahrzeug ist weiterhin im Angebot. Bei den Dieseln setzt der 1.2 TDI mit 77 kW/105 PS und Bluemotion-Technologie ein Highlight mit 4,6 Litern Verbrauch. Mit 121 Gramm CO2-Ausstoß wurde allerdings die Steuerfreiheit knapp verpasst, was wohl aber nur sehr korrekte Familienväter monieren werden. Interessant wird es in ein paar Jahren - nicht nur für Familienväter. Der Touran erwies sich nicht gerade als zuverlässiges Gefährt und schnitt auch bei Dauertests nicht berauschend ab. Mal sehen, was sich nach dem Facelift getan hat.

Grund zum Mosern gibt es vorher schon bei den Preisen. Während der Einstieg mit 22.400 Euro beim 1.2 TSI und 24.950 Euro beim 1.2 TDI noch recht günstig erscheint, geht es in 2000 Euro-Schritten die Ausstattungslinien hoch, falls etwas mehr im Fahrzeug außer dem Lenkrad anwesend sein soll. Das wunderbare Doppelkupplungsgetriebe zum Beispiel, ein Dachsystem oder halt die Fahrassistenten treiben den Preis schnell an die 35.000 Euro heran. Folgen dann noch Navigationssystem sowie bestimmte Räder und Reifen sind auch die 40.000 Euro nicht mehr weit. Da wird letztendlich der Biedermann doch noch zum Brandstifter.

Vorheriger ArtikelMini denkt über Cityflitzer nach
Nächster ArtikelSelten genutzt
Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

Keine Beiträge vorhanden