Golf bleibt Golf

VW Golf VI

Etwas völlig Neues darf man von der neuen Generation Golf nicht erwarten. Trotzdem überzeugt die sechste Auflage des Volkswagen. Gar nicht volkstümlich verhält sich dagegen das Preisverhalten.

Von Thomas Flehmer

Lediglich fünf Jahre haben sich die Ingenieure in Wolfsburg Zeit gelassen, um den neuen Golf in die Spur zu schicken. Nachdem der Golf V nicht ganz so wie erhofft flutschte, steht nun der «Sechser» bereit, die Erwartungen zu befriedigen. Die ersten Testfahrten haben gezeigt, dass der Volkswagen auch 34 Jahre nach seiner Geburt weiterhin ein Wagen des Volkes bleiben kann. «Der Golf setzt ganz neue Maßstäbe in der gesamten Golfklasse», sagt Produktionsvorstand Jochem Heizmann. Doch wie auch im richtigen Leben bleiben die Klassenunterschiede und Highlights des neuen Golfs nur denen vorbehalten, die sich das auch leisten können. Der Rest der Gesellschaft kann dagegen auch weiterhin das lediglich fünf Jahre alte Modell fahren.

Gesicht der Zukunft

Der neue Golf unterscheidet sich äußerlich nur wenig vom Vorgänger. Der neue Design-Chef Walter de Silva schärfte die Linien neu ohne dabei die charakteristischen Attribute zu verbergen, die einen Golf nun mal ausmachen. Anders als bei Scirocco oder Passat CC blieben die Designer beim Golf eher auf der konventionellen Seite. Zwar wurden Elemente der beiden eher sportlichen Aushängeschilder innerhalb der Serienmodellpalette übernommen, zugleich aber auch Gene der ersten und vierten Generation.

Immerhin wurden Kühlermaske und Scheinwerfer «zu einer Einheit» formiert, wie VW-Designer Klaus Bischoff sagt. «Die neue Front trägt das zukünftige Gesicht der Marke VW.» Allerdings muss man schon zwei- oder drei Mal hinschauen, um den neuen Golf vom alten zu unterscheiden. Etwas dynamischer erscheint das neue gestaltete Heck des 4,20 Meter langen Golfs. Damit ist der neue Hoffnungsträger gegen den Trend um fünf Millimeter im Vergleich zum Vorgänger geschrumpft.

Wohliger Innenraum

Der Innenraum gewann stark an Wertigkeit hinzu Foto: VW

Den Passagieren im Innenraum macht diese Verkürzung nichts aus. Denn auch der Radstand ist mit 2,58 Metern identisch, die Breite ist um zwei Zentimeter auf 1,78 Meter gewachsen. Platz ist also für jeden genug - natürlich muss man sich auf die hart umkämpfte Kompaktklasse einstellen und darf nicht von den Größenverhältnissen eines Phaetons ausgehen.

Dafür ist der Wohlfühlfaktor deutlich angestiegen. Die Materialien wirken wertiger, die Instrumententafel ist aufgefrischt. So sind die mit dem Passat CC fast identischen Drehzahlmesser und Tacho weiß anstatt blau unterlegt. Das Armaturenbrett hat den Mief der vergangenen Jahrzehnte abgelegt, die Mittelkonsole ist einfach, aber sinnvoll gestaltet worden. Jeder Knopf sitzt an seinem Platz, kein Knopf ist zuviel.

«Quantensprung» zur oberen Mittelklasse

Der Abstandstempomat Foto: VW

In Verbindung mit den optionalen Ledersitzen samt liebevoll gestalteten Nähten hat der Golf ebenso einen «Quantensprung» vollzogen wie bei der «Sicherheit und Technik», so Heizmann. Abstandstempomat, adaptive Fahrwerksregelung von Comfort zu Sport, die sich allerdings beim Fahren nicht allzu deutlich bemerkbar macht, sowie die automatische Einparkhilfe, die vor zwei Jahren im Touran ihre Premiere feierte, vermitteln den Insassen einen seichten Übergang zur oberen Mittelklasse.

Kommt noch das weiterhin wundervoll agierende DSG hinzu, sind die Freuden über den Golf perfekt. Allerdings müssen die Freuden teuer erkauft werden. Das DSG, egal ob mit sechs oder sieben Gängen, kostet 1775 Euro Aufpreis, die Fahrwerksregelung DCC 925 Euro, die Einparkhilfe in der Basisversion Trendline 520 Euro, bei den beiden anderen Ausstattungslinien Comfortline und Highline ist dieser sehr gut funktionierende Helfer Serie.

Lange Aufpreisliste

Das Heck wurde etwas dynamischer gestaltet Foto: AG/Flehmer

Dass die sehr wertige Lederausstattung zwischen 1850 und 2120 Euro kostet, ist dagegen eher zu verschmerzen als die fehlenden Leichtmetallräder, die in der Trendline 860 Euro kosten, in der Comfortline 225 Euro und nur in der höchsten Ausstattung Serie sind. Hinzu kommt natürlich noch das rund 1000 Euro teure RNS 310 Navigationssystem oder das RNS 510 mit Festplatte für 2575 Euro.

In der Aufzählung fehlen auch noch die Bi-Xenon-Scheinwerfer, die erst noch folgen werden sowie die rund 200 Euro Aufpreis für die Standardfarbe Weiß - auch das gibt es noch für das Volk.

Der leiseste Golf aller Zeiten

Schön leise über den Asphalt Foto: AG/Flehmer

Wer auf diese Gimmicks verzichten kann und möchte, ist auch schon mit dem von uns gefahrenen 1.4 TSI -Benziner gut bedient, DSG sollte allerdings an Bord sein, wird laut VW auch immer beliebter bei den Kunden. Denn schon mit den 90 kW/122 PS und ohne Durchzugsunterbrechung gibt der Golf mächtig Gummi. Die 9,5 Sekunden bis Tempo 100 km/h fühlen sich deutlich schneller an. Und 200 km/h sind mit diesem kleinen Motor auch nicht zu verachten.

Und auch in den Kurven zeigt sich der kleine Benziner überraschend agil. Die Lenkung ist sehr direkt und das Fahrwerk ist selbst schon in der Comfort-Einstellung recht schnittig. Zudem soll der kombinierte Verbrauch lediglich 6,2 Liter auf 100 Kilometer betragen, das entspricht einem CO2-Ausstoß von 144 Gramm pro Kilometer. Während bei den Otto-Motoren alte Bekannte unter der Motorhaube arbeiten, hat nun auch die Commonrail-Technik bei den Selbstzündern des Klassikers Einzug gehalten. Zudem zog VW noch eine Dämmfolie zwischen die beiden Verbundglasscheiben der Front, sodass selbst das charakteristische Nageln des ersten Golfs wohl nur noch schwer im Innenraum zu hören wäre. So gestaltet sich auch die Fahrt im Diesel sehr leise und somit komfortabel. In der eigentümlichen Bescheidenheit spricht VW vom «leisesten Golf aller Zeiten».

Sparversionen kommen später

Die Rückfahrkamera ist im Emblem integriert Foto: AG/Flehmer

Noch leiser wird es, sollte irgendwann mal der Elektromotor im Twin Drive in Serie gehen. Doch das ist noch Zukunftsmusik. Nicht mehr ganz so lange müssen die Kunden allerdings auf die Bluemotion-Version warten. Erst im kommenden Sommer sollen dann nur noch 99 Gramm CO2 pro Kilometer ausgestoßen werden, ein fast schon perfekter Wert. Mit 3,8 Litern ist VW damit wieder auf dem Weg zurück zum Dreiliter-Auto. Noch schneller ist die Version mit Flüssiggas zu haben, dagegen wird der Erdgas-Antrieb erst später Einzug in den Golf halten. Dann ist der GTI schon auf dem Markt. Auf dem Autosalon in Paris feiert er Premiere.

Auch wenn die letzte Version mit knapp «nur» drei Millionen verkauften Fahrzeugen die schwächste Auflage hatte, so wird sich auch die sechste Auflage zum Erfolg hochschwingen. Mit den 16.500 Euro Einstiegspreis für den 58 kW/80 PS starken Benziner ist es damit allerdings nicht getan. 20.675 Euro kostet dagegen schon der stärkere 1.4 mit den 122 PS in der Ausstattungsvariante Comfortline, 500 Euro billiger ist der 2.0 TDI mit 81kW/110 PS in der Basisversion Trendline. Für den Einstieg in den Markt nicht schlecht und nur wenig teurer als der Vorgänger, dafür mit mehr Features an Bord.

Kein Sechser im Lotto

Doch wenn die oben genannten Features mit an Bord sollen, sind die 25.000 Euro schnell erreicht. Und dann wird aus dem Volkswagen doch wieder ein Fahrzeug für die eher Reicheren im Volk. Da scheint der Sechser im Lotto eher erreichbar als ein halbwegs ausgestatteter Golf der sechsten Generation. Schade eigentlich.

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