Höllenritt zum Bäcker

VW Golf GTI

Die sechste Generation des Golf GTI besticht auch 33 Jahre nach der Markteinführung als Volkssportler. Während viele Gene vom Ur-GTI erhalten blieben, ist der Spitzname mittlerweile verpönt.

Von Thomas Flehmer

33 Jahre Treue halten ist gerade in diesen Zeiten ein immer seltener werdendes Gut. Der frühere Formel 1-Fahrer Hans-Joachim Stuck hat keine Schwierigkeiten, seine Treue unter Beweis zu stellen. «Wir hatten schon immer einen GTI in der Familie, vom ersten bis zum sechsten», sagt der 58-Jährige «Strietzel», der 33 Jahre nach der Markteinführung des ersten VW Golf GTI als Repräsentant der Wolfsburger auch den letzten Schliff an der neuen, mittlerweile sechsten Generation des ehemaligen Porsche-Killers, dessen Spitzname angesichts der neuen Herren aus Zuffenhausen nicht mehr laut gesagt werden darf, Hand anlegte.

Traditioneller Charakter

Sicher ist der mittlerweile 210 PS unter der Haube beherbergende GTI in den Jahren seit 1976 erwachsener geworden, doch dem Grundkonzept wurde in all den Jahren ebenso die Treue gehalten. «Der GTI muss seinen Charakter behalten, deshalb darf man nicht zuviel gestalten. Zu große Sprünge wären gefährlich, weil wir sonst zu viele Kunden verlieren», sagt Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg. Rund sieben Prozent aller Golf-Käufer entscheiden sich für einen GTI, 1,7 Millionen Fahrzeuge wurden seit 1976 weltweit verkauft.

So ist die Ähnlichkeit zur sechsten Serien-Generation des Golf unverkennbar. Der Kühlergrill wurde wieder schmaler, ist aber wie der Ur-GTI von roten Streifen umfasst. Die Nebelleuchten stehen senkrecht und haben gleichzeitig Kurvenlicht integriert, ansonsten ist es schwer, hervorstechende Unterschiede herauszufinden. Dass die Fertigung des GTI für die Designschmiede ein «absoluter Höllenritt» gewesen sei, wie Klaus Bischoff, der Leiter Marken-Design erklärt, ist daher nur schwer erkennbar. Viel wurde investiert, um das Strömungsverhalten und die Aerodynamik zu optimieren.

Hoher Spaßfaktor

Ein ausgeprägter Dachspoiler prägt die Heckansicht Foto: Volkswagen

Ein besonderer «Höllenritt» war für Bischoff auch die Lage der doppelflutigen Abgas-Endrohre, die zuerst links angebracht werden sollten, ehe VW-Chef Martin Winterkorn entschied, dass bei einem GTI die beiden Rohre links und rechts die Abgase herauspusten sollen. Diese Diskussionen kosteten den GTI auch den Einsatz von LED-Tagfahrleuchten, die nun frühestens beim Facelift auftauchen werden.

Doch auch ohne LED-Tagfahrlicht kommt der neue GTI gut voran. Dem tiefergelegten Sportfahrwerk wurde neben der Optimierung von Dämpfern und Federn erstmals in einem VW-Serienfahrzeug ein elektronisches Quer-Sperrdifferential XDS eingebaut, das die Kurveneigenschaften des GTI in Zusammenarbeit mit dem ESP ganz stark verbessert. Ein Untersteuern ist so gut wie nicht mehr möglich, gefährlich wird es nur, wenn die Kurvenhatz übertrieben wird. Das von VW initiierte Werbemotto «Ab 21 Jahren» hat schon seinen Sinn. Denn die Gefahr der Übertreibung ist aufgrund der Fahreigenschaften des GTI recht groß. «Wenn man mit dem GTI zum Bäcker fährt», beschreibt Hackenberg den Spaßfaktor des GTI, «dann kann es etwas länger dauern» - weil man sich nicht von dem Fahrzeug trennen möchte.

Manuelle Schaltung erhält Vorzug

Aerodynamisch optimiert Foto: VW

Lediglich 6,9 Sekunden vergehen, bis die 100 km/h erreicht sind. Auf Kurvenreichen Strecken heißt es deshalb, so schnell wie möglich bis zum nächsten Knick. Mit der optional erhältlichen Fahrwerksregelung DCC werden Nick- und Wankbewegungen reduziert, die Unterschiede der Modi des DCC «Normal», «Comfort» und «Sport» sind dabei nur mit starker Konzentration zu bemerken.

Während das sechsgängige Doppelkupplungsgetriebe im Vorgänger seine Premiere beging und dabei viel Spaß bereitete, macht der Sechsgang-Handschalter im neuen GTI mehr Laune als das weiterhin überhaupt nicht enttäuschende DSG, das für 1875 Euro nachgeordert werden kann. Die blubbernde Zwischengasfunktion wurde bei beiden Getriebearten in den Sound des Volkssportlers eingebaut.

Kein Protz

Das auf sportlich getrimmte Cockpit Foto: VW

Im Innenraum bekommt man von dem Röhren nicht so viel mit. Wie beim Serien-Golf wurden auch beim GTI die Scheiben laminiert, sodass nur wenige Geräusche eindringen. Wer also hören will, wie er fährt, muss die Seitenscheibe herunterfahren. Aber auch sonst fällt es auch, dass man in einem GTI sitzt. Die Backen der Sportsitze erinnern den nicht ganz schlanken Fahrer daran, wieder auf den Heimtrainer zu gehen.

Die roten Nähte um Lenkrad, Sitze oder Schalthebel vermitteln das Gefühl von Sportlichkeit ebenso wie die in Aluminium gehaltene Pedalerie. Hier kommt dann doch ein bisschen Manta-Feeling auf, vor allem wenn man dem dunkel gehaltenen Dreitürer den Vorzug vor dem roten Fünftürer gibt. Doch protzig wirkt der mindestens 26.650 Euro teure GTI zu keiner Zeit, eher - für VW zumeist untypisch - zurückhaltend und auf die inneren Werte vertrauend.

Von Alt und Jung

In Rot und Weiß Foto: VW

Auf diese Weise des Understatements hält die sechste Generation einem selbst den Spiegel hin. «Wir sind alt geworden und das Auto jünger», sagt der treue Strietzel, «das, was wir damals konnten, können wir heute nicht mehr, das Auto schon.» Für die Fahrt zum Bäcker reicht es aber immer noch - auch wenn es länger dauert.

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