Luxuriöser Gleiter

Volvos Kombi-Klassiker heißt seit Jahren schon V70 und ist unter diesem Label in der dritten Generation unterwegs. Von seinem nordisch kühlen Charme und dem Gefühl von Geborgenheit hat er nichts verloren.

Von Jürgen Wolff

Das ist der Volvo. Der Schwedenkombi, wie wir ihn seit Jahrzehnten kennen und schätzen - unsere progressiven Studienräte sind ihn in den 70ern gefahren, wenn sie etwas auf sich hielten. In Hollywoodfilmen beförderte er gut situierte Ostküsten-Familien durch die Handlung. Und er ist unverwechselbar. Obwohl er zum Ford-Konzern gehört und damit eigentlich ein Ami ist. Und längst nicht mehr so kantig. Ohne das riesige Wagenrad, das sich früher einmal Lenkrad nannte. Modern eben. Rundlicher geschliffen. Längst im zweiten Jahrtausend angekommen. Und vor kurzem wieder einmal upgedatet.

Alte Tugenden

Der neue V70 bringt alle Tugenden mit, die man über die Jahrzehnte an seinen Vorgängern hat schätzen lernen. Er wirkt solide wie ein Panzer und dank der geschwungenen Formen und den unverwechselbaren Rückleuchten dennoch elegant und klassisch. Schon von außen und auf den ersten Blick erkennbar: die gute Verarbeitung. Die Spaltmaße sind eng und gleichmäßig, die die Bleche massiv und die Scharniere kräftig. Die Türen lassen sich leicht öffnen und schließen und fallen mit einem satten Klang ins Schloss. Was man nicht sieht: Die Knautschzonen wurden von den schwedischen Sicherheitsfanatikern noch einmal optimiert, die Struktur der Karosserie noch einmal verstärkt. Selbst der Fußgängerschutz wurde unter anderem mit einer höheren Motorhaube verbessert. Die Schweden, die tun was.

Funktionales Design

Das Design: elegant und doch klassisch Foto: Volvo

Innen ist auf den ersten Blick alles weitgehend gleich geblieben. Wertige Materialien, klare Linien, Blenden im gebürsteten Alulook - und natürlich der Klassiker der Volvo-Neuzeit: die «schwebende» Mittelkonsole. Die Bedienelemente sind zwar manchmal etwas fummelig, aber selbst erklärend und gut erreichbar - die Klimaanlage ist geradezu vorbildlich in ihrem funktionalen Design. Selbst, was zunächst etwas irritiert, erweist sich schnell als intelligente Lösung. Der Navi-Bildschirm etwa, der beim Einschalten der Zündung automatisch aus der Mitte des Armaturenbrettes hochfährt. Die Screen ist nicht plan zum Betrachtungswinkel des Fahrers sondern leicht nach vorne gekippt. Spätestens nachts zeigt sich der Sinn der Neigung: kein anderes Navi direkt unterhalb der Windschutzscheibe verursacht so wenig Spiegelung - trotz beachtlicher Größe. Auch ansonsten ist die Sicht hervorragend: Die Fensterflächen sind groß, die Holmen schmal - und dank Kastenform und tief herunter gezogener Heckscheibe weiß man ziemlich genau, wo der Volvo aufhört. Wer immer noch Probleme hat, für den gibt es gegen einen Aufpreis von 770 Euro Parksensoren vorne und hinten.

Veränderte Vorzeichen

Viele praktische Details finden sich im Cockpit Foto: Press-Inform

Die weichen Sitze sind bequem und bieten einen gerade noch akzeptablen Seitenhalt. Die Einstellung von Gestühl und Lenkrad ist auch für größere Fahrer kein Problem. Das Raumgefühl vorne ist so großzügig, wie es sich für einen Kombi der gehobenen Mittelklasse gehört. Hinten ist genügend Platz, dass auch zwei Erwachsene längere Reisen bequem überstehen - vom Nachwuchs ganz zu schweigen. Der Laderaum hinter der weit aufschwingenden Klappe ist zwar wieder etwas gewachsen, aber auch jetzt noch nicht so groß, wie er optisch wirkt. 575 Liter sind das Normalmaß, durch das Umklappen der dreifach geteilten Rücklehnen lässt es sich auf bis zu 1600 Liter erweitern. Zum Vergleich: Die Mercedes E-Klasse kommt auf 670 bis 1950 Liter und selbst der Lifestyle-Kombi des A6 schafft nahezu die gleichen Maße wie der Volvo - dabei galt der zu Studentenzeiten mal schon fast als Kleinlaster.

Was im Laderaum als erstes auffällt und sich dann auch im Passagierraum entdecken lässt: Die vielen praktischen Details, die Volvo dem V70 mitgegeben hat. Allein das Verzurrsystem im Laderaum ist ein Baukasten für sich. Dazu kommen zahlreiche Abtrennungen und Fangnetze - selbst ein ausfahrbarer Ladeboden ist gegen Aufpreis zu haben. Wichtiger ist innen aber, was man alles nicht sieht. Das Fahrer-Informationssystem IDIS etwa überwacht auch, was der Fahrer mit Bremspedal, Gas, Blinker oder Lenkrad anstellt - kommt das System dabei zu dem Schluss, dass der Fahrer gar zu hektisch wird, schaltet es die Konzentration störende Funktionen auf dem kleinen Dienstweg einfach ab - kein Telefon mehr, das klingelt. Das kann aber auch erst recht nerven - dann, wenn der - optionale - Abstandswarner hecktisch rotes Blinklicht auf die Frontscheibe vor dem Fahrer projiziert, aber einem nie wirklich das Gefühl gibt, rechtzeitig genug zu reagieren. Vertrauen ist gut - selber bremsen besser. Und Nerven schonender.

Sonorer Klang

Das Verzurrsystem ist ein Baukasten für sich Foto: Press-Inform

Mit dem 136 kW/185 PS starken und laufruhigen Fünfzylinder-Diesel ist der V70 ordentlich motorisiert; etwas mehr dürfte es trotzdem sein. Die Kraft des sonor klingenden und nie unangenehm laut werdenden Selbstzünders reicht völlig, um den bis zu 2,3 Tonnen schweren Kombi in weniger als zehn Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 zu bringen. 210 km/h schafft er maximal - wenn auch oben herum mit etwas Mühe. Da fährt er mit seinem kleinen Fünfzylinder der Konkurrenz hinterher. Dabei ist der Volvo V70 schon von Natur aus kein Renner sondern ein angenehmer, fast luxuriöser Gleiter. V70 fahren ist easy going. Der Verbrauch, von Volvo mit 6,5 Liter auf 100 km angegeben, liegt in der Realität allerdings schnell zwei Liter höher.

Mit einem Basispreis von 38.950 ist der Volvo kein Schnäppchen - aber im Vergleich zu den Mitbewerbern durchaus günstig. Der ähnlich motorisierte Mercedes E 280 CDI kostet in der Kombi-Version mindestens 46.708 Euro. Und ein Audi A6 Avant 2.7 TDI kommt auch noch auf mindestens 41.350 Euro. Dabei kommt der V70 schon in der Serienversion «Kinetik» relativ umfangreich bestückt daher: Lederlenkrad, Tempomat, beheizbare Außenspiegel, 2-Zonen-Klimaautomatik gehört zum Standard.


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