Flaggschiff ohne Flagge

Toyota Avensis

Toyota bringt die dritte Generation des Avensis. Die Mittelklasselimousine und der Kombi sind mit üppiger Ausstattung unterwegs, aber ohne Innovation.

Von Frank Wald

Für Takashi Yamamoto war es ein weiter Weg bis zum neuen Toyota-Avensis. Der japanische Chefkonstrukteur fuhr mehr als 5000 Kilometer durch zehn verschiedene Länder Europas, um heraus zu finden, was europäische Autofahrer wünschen. «Ich wollte, dass die dritte Generation einen stärkeren Charakter und eine große Portion an europäischem, kreativem Geist bekommt», sagt Yamamoto. Das hat sie zweifellos - leider aber auch nicht mehr.

Ein Hauch von Luxus

Was nicht heißt, dass Toyotas neues Flaggschiff, das am 24. Januar zu Preisen ab 22.700 Euro zeitgleich als Limousine und Kombi auf den deutschen Markt kommt, ein schlechtes Auto ist. Ganz im Gegenteil. Die um fünf Zentimeter auf nun knapp 4,70 Meter gestreckte Limousine (Kombi: 4,77 Meter) macht einen qualitativ hochwertigen Eindruck. Vor allem das Interieur vermittelt durch sicht- und fühlbar hochwertige Materialien und Oberflächen, moderate Farb- und Metallic-Lackierungen sowie Titan-Applikationen oder wahlweise auch Bambusholz-Strukturierung einen Hauch von Luxus.

Auch die die Platzverhältnisse sind üppig, vorn und hinten sitzen groß gewachsene Menschen sehr bequem und der Kofferraum fasst 509 Liter, (Kombi 543 Liter). Über das Design freilich lässt sich mal wieder streiten. Entworfen wurde der Mittelklässler erneut in Toyotas Designstudio ED2 in Südfrankreich. Der Vorderwagen macht sich sehr breit, schiebt eine aufdringlich dicke Karosserie-Unterlippe in den Fahrtwind und lässt die Front insgesamt sehr zerklüftet und unruhig erscheinen. Das Heck dagegen wirkt, bei Limousine wie Kombi, harmonisch und sportlich, so als sei es vom Fahrtwind geformt.

Vom Innovationsträger zum Mitläufer

Den Innenraum umströmt ein Hauch von Luxus Foto: Toyota

Und auch auf der Straße läuft alles wie erwartet. Das Fahrwerk ist eher auf Komfort ausgelegt, schluckt unbekümmert Querrillen auf der Autobahn wie Holperstrecken über Land, dirigiert von einer wunderbar präzise arbeitenden Lenkung. Und auch der Geräuschkomfort, der schon dem Vorgänger höherklassiges Niveau verlieh, ist ausgezeichnet.

Leider hat der größte Autohersteller der Welt vergessen, seinem (europäischen) Topmodell irgendeine Top-Technik mit auf den Weg zu geben. Immerhin wurde der Vorgänger 2003 noch mit der bis dato höchsten Wertung im EuroNCAP zum sichersten Auto Europas gekürt, war weltweit der erste Pkw mit Knieairbag und trug so ganz nebenbei auch noch den weltweit saubersten Diesel unter der Haube.

Ein geschmeidiges Heck bildet den Abschluss der Kombiversion Foto: Toyota


Dagegen ist die dritte Avensis-Auflage eben «nur» ein «Ich auch-Auto», das den derzeitigen Stand der Technik repräsentiert. Soll heißen, auch der Avensis bietet jetzt (gegen Aufpreis) das, was die Mitbewerber schon lange haben: Bi-Xenon-Scheinwerfer mit Kurvenlicht, Abstandsradar, Spurhalteassistent und Spurwechselwarner sowie ein Precrash-System, dass bei einem drohenden Unfall die Gurte strafft und die Bremse in Stellung bringt.

Neues «Multidrive S»

Viel Platz im Kofferraum Foto: Toyota

Ebenso haben es die Pioniere des Hybrid-Autos versäumt, alternative Antriebe einzubauen. Weder Start-Stopp-Automatik noch Hybrid oder sonst eine Form von Elektroantrieb ist in Sicht. Toyotas Spritspar-Initiative beschränkt sich auf das konzernweite «Optimal Drive», was für den Avensis bedeutet: eine Leistung steigernde Ventilsteuerung («Valvematic») für die drei Benzinmotoren (132 bis 152 PS), die Verbrauch und CO2-Ausstoß um 10 bis 26 Prozent verringern soll - auch wenn die bislang nur die EU4-Abgasnorm erfüllen. Ebenso sollen die drei Dieselmotoren (126 bis 177 PS) dank höherem Einspritzdruck (2000 bar) und früher einsetzendem und bulligerem Drehmoment ihre Verbräuche und Abgasemissionen um bis zu zehn Prozent drücken.

Neu sind schließlich auch ein tatsächlich einigermaßen schnell und spontan schaltendes CVT-Getriebe «Multidrive S», eine Sechsstufen-Automatik für den prognostizierten Bestseller-Diesel mit 2,2-Liter und 150 PS sowie ein neu entwickeltes Sechsgang-Schaltgetriebe, mit dem alle Benziner serienmäßig ausgerüstet sind. Ein Doppelkupplungsgetriebe aber, das den Komfort einer Automatik mit der Schnelligkeit und dem Verbrauchsvorteilen einer manuellen Schaltung kombiniert, ist bei Toyota noch nicht in Planung. Unterm Strich sollen all diese Maßnahmen den durchschnittlichen CO2-Ausstoß der gesamten europäischen Avensis-Palette auf 153,5 g/km pro Fahrzeug reduzieren.

Von der Spitze entfernt

Die Front ziert eine klobige Karosserie-Unterlippe Foto: Toyota

Chefkonstrukteur Takashi Yamamoto will mit dem neuen Toyota Avensis nicht weniger als «die Spitze im Mittelklassesegment» definieren. Dazu muss man jedoch etwas Spitzenmäßiges auf den Markt bringen.

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