Porsche Boxster: „S“ muss nicht immer 911 sein

Fahrspaß zum halben Preis

Porsche Boxster: „S“ muss nicht immer 911 sein
Der Porsche Boxster verliert am wenigsten an Wert. © AG/Flehmer

Der Porsche Boxster verhalf in den neunziger Jahren dem damals angeschlagenen Sportwagenhersteller zu einem neuen Anfang. Die dritte Generation des Einstiegsmodells hat sich den teureren Derivaten im eigenen Unternehmen stark angenähert.

Von Thomas Flehmer

Ein unverschuldetes Image abzulegen ist recht schwer. Der Porsche Boxster wird als Frauenauto bezeichnet und hat einen vergleichbaren Stellenwert wie die erste A-Klasse, die ebenfalls zu Unrecht als kein echter Mercedes bezeichnet wurde. Der Autor dieser Zeilen hing diesem Image ebenfalls an, sodass die Herangehensweise an die ab April erhältliche dritte Generation sehr vorsichtig begann.

Eleganteres Heck des Porsche Boxster

Ausgangspunkt dieser Vorhaltungen war das dicke Heck des Einstiegs-Porsches, der immerhin den in den neunziger Jahren taumelnden Sportwagenhersteller quasi neues Leben einhauchte. "Der Boxster war das entscheidende Schlüsselprodukt für die Marke", sagt Dieter Landenberger, Leiter des Archivs, über das 1996 auf den Markt gekommene Cabrio.

Durch eine neue Designlinie und dem Wegfall des Dachkastens hat nun auch das Hinterteil des 4,37 Meter langen Sportwagens an Eleganz zugelegt und macht den Einstieg leichter. An der Front sind die typischen Rundscheinwerfer senkrechten Leuchten gewichen, sodass das ehemals freundliche Gesicht einer aggressiveren Miene gewichen ist.

Traditioneller Porsche-Innenraum

Traditionell geht es im Innenraum zu, der nun aber auch die Mittelkonsole erhalten hat, die erstmals im Panamera eingeführt und in den anderen Baureihen individuell gestaltet wurde. Ansonsten spricht das in Leder gehaltene Interieur jeden Porsche-Anhänger sogleich an. Allerdings muss sich der Fahrer mit drei statt fünf Rundinstrumenten hinter dem Lenkrad zufrieden geben, aber das ist zu verschmerzen.

Denn spätestens mit dem Drehen des Zündschlüssels sind alle Vorurteile wie weggeblasen. Der speziell für den Boxster entwickelte Sound ist einfach eine Symphonie der eleganten Sportlichkeit. Der 3,4 Liter große Sechszylinder kreischt nicht wie viele italienische Sportwagen, sondern röhrt und blubbert in vornehmer Weise.

Bei Tempo 70 in den zweiten Gang

Der Porsche Boxster S.
Das Heck des Porsche Boxster ist eleganter gestaltet AG/Flehmer

Mit dem ersten Druck auf das Gaspedal hat der Fahrer bereits vergessen, jemals Vorurteile geäußert zu haben. Die 232 kW/315 PS und das zwischen 4500 und 5800 Kurbelwellenumdrehungen anliegende Drehmoment über 360 Newtonmeter verwandeln das angebliche Frauenauto für die Arztgattin in einen aggressiven Vamp, der Fahrer und Beifahrer von Beginn an gefangen nimmt. In 4,8 Sekunden sind die 100 km/h erreicht, wenn das 2826 Euro teure Doppelkupplungsgetriebe mit an Bord ist.

Je nach Fahrmodus werden die sieben Gänge schneller oder entsprechend sportlich langsamer nach oben und unten geschaltet. Im Fahrmodus Sportplus dauert es zum Beispiel bis Tempo 70, ehe der zweite Gang eingelegt wird. Und auch das von Zwischengas und Blubbern begleitete Runterschalten ist dann eine Wonne, auch wenn der Schaltvorgang dann ziemlich kräftig ausfällt und die Insassen dabei in die Sitze drückt.

Fahrfreude pur im Porsche Boxster

Die S-Version bietet auch in den Serpentinen einen hervorragenden Eindruck. Wo andere Wagen abbremsen müssen, zieht es das gerade mal 1400 Kilogramm schwere Leichtgewicht ohne Wankbewegungen durch die Kurven. Ein ESP ist zwar an Bord, bleibt aber im Hintergrund und muss nicht eingreifen, wenn die Spaß fördernde Kurvenhatz nicht übertrieben wird. Auf der Autobahn schafft es der Boxster S bis zu einer Geschwindigkeit von 277 km/h. Dann sind aber die Sparmaßnahmen, die Porsche dem neuen Boxster zugefügt hat, nur noch Makulatur.

Die Karosse besteht zu 47 Prozent aus Aluminium, rund 34 Kilogramm ist der neue Boxster leichter als der Vorgänger und verfügt auch über eine sehr gut funktionierende Stopp-Start-Automatik. Doch der Fahrspaß, den dieser Boxster S vermittelt, lässt die angegebenen acht Liter zerschmelzen wie Butter in der Sonne.

Porsche Boxster startet bei 48.291 Euro

Für viele zerschmilzt auch der Traum, den Einstiegsporsche zu fahren, am Preis. Bereits das 195 kW/265 PS starke Basismodell kostet mindestens 48.291 Euro, die S-Variante beginnt bei 59.120 Euro. Ledersitze, Doppelkupplung etc. schaffen Platz für weitere 20.000 Euro. Doch im Vergleich mit dem 911 Cabrio kostet der Boxster gerade mal die Hälfte und bietet genauso viel Fahrspaß mit genauso viel Komfort. Das bisher vorherrschende Image hat die dritte Generation in überzeugender Weise abgestreift: Es muss also nicht immer ein 911er sein.

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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