Schwarz gemalt

Moto Guzzi Bellagio Aquila Nera

Traditionsbewusstsein wird groß geschrieben bei Moto Guzzi. Auch ohne Hightech ebbt der Spaß bei der Ballagio Aquila Nera nicht ab.

Von Thilo Kozik

"Bellagio" heißt Moto Guzzis Allround-Motorrad und ist nun als überarbeitete Version "Aquila Nera" in mattes Nachtschwarz getaucht. Für 10.770 Euro erhält der Moto Guzzi-Liebhaber ein Motorrad, das an die Wurzeln der italienischen Traditionsschmiede erinnert: Nicht nur die Namensgebung bezeugt Traditionsbewusstsein - die Bellagio ist nach einem mondänen Badeort am Zipfel der Halbinsel im Comer See benannt, der in Sichtweite zum Guzzi Werk am anderen Ufer liegt.

Spaß auch ohne Hightech

Auch die Antriebsquelle zitiert die Historie der Marke: 1967 debütierte im Modell V7 jener längs laufende 90-Grad-Vau, der mittlerweile so markentypisch für Moto Guzzi geworden ist, dass man sich gar keine andere Antriebsquelle für die Motorräder aus Mandello mehr vorstellen kann. Die traditionellen Konstruktionsmerkmale lauten: Luft-ölgekühlter V2-Motor im 90-Grad-Winkel, längs eingebaut, mit zwei Ventilen, die über Stößel und Stoßstangen von einer unten liegenden Nockenwelle angetrieben werden. Das gilt zwar als antiquierte Motorentechnik, aber für einige Biker auch als ehrlich, echt und unverfälscht. Diese Art der Motorentradition findet sich nur noch bei Moto Guzzi und dem US-Kultkonzern Harley-Davidson, sämtliche anderen Hersteller vertrauen da moderneren Konzepten.

Doch die Bellagio zeigt, dass Motorradfahren auch ohne Hightech einen Riesenspaß machen kann: Mit Doppelzündung, Weber-Marelli-Einspritzanlage und dem stilprägenden Edelstahl-Dämpferdoppel auf der linken Seite bringt sie es auf respektable 55 kW/75 PS und 78 Nm maximales Drehmoment. Nach dem Anlassen spürt man förmlich, dass dieser 936 ccm große V-Motor lebt - er schüttelt sich, brabbelt niedrigfrequent aus den Auspufftöpfen und massiert den Körper mit wohltuenden Vibrationen. Lastwechselreaktionen, ein lästiges Phänomen des Kardanantriebs, sind fast nicht mehr vorhanden. Etwas viel Handkraft verlangt die Kupplung beim Einlegen des ersten von sechs Gängen, doch dann geht der Motor geschmeidig zur Sache.

ABS nicht an Bord

Foto: Moto Guzzi Entspannte Haltung

Flott marschiert die Bellagio und drückt gleichmäßig voran. Der Vortrieb fällt akzeptabel, aber nicht umwerfend aus. Unauffällig, aber durchaus wirksam arbeiten die separaten, und nicht wie bei vielen Guzzis als Integralbremse ausgeführten Brembo-Stopper. Allerdings gibt es immer noch kein ABS, das verlangen laut Hersteller angeblich nur die pingeligen Deutschen. Diese relaxte Einstellung passt zum Motorrad. Die Bellagio ist nämlich ein Allroundbike im klassischen Sinne. Das fällt schon beim Platznehmen auf der 76 Zentimeter niedrigen Sitzbank auf. Trotz der martialisch gedrungenen Aufmachung mit dickem Tropfentank, gerader Bullbar-Lenkstange und "böser" Lackierung heißt es beim Aufsitzen: "Passt."

Den Oberkörper leicht aktiv vorgebeugt und dennoch stets entspannt, finden die Füße auf den leicht vorgelagerten Rasten guten Halt. So im Bike integriert lässt sich die Bellagio auch auf kniffligen Abschnitten verschlungener Sträßchen gut kontrollieren. Ungeachtet der 237 Kilogramm Gewicht geht die Guzzi flott ums Eck, lässt sich ohne Mühe abwinkeln und hält die vorgegebene Linie recht stabil ein. Schnelle Wechselkurven und enge Kehren stellen kein Problem, sondern eher ein Vergnügen dar.

Überzeugendes Fahrwerk

Foto: Moto Guzzi Unkomplizierte Fahrfreude

Die Bellagio vermittelt auf Anhieb eine unkomplizierte und aktive Fahrfreude. Selbst auf einem Flickenteppich von Straße überzeugt das komfortable Fahrwerk. Für flotteres Fahren lässt sich die 45er Telegabel in Zug- wie Druckstufendämpfung variieren, das Federbein verfügt über eine hydraulische Federbasisverstellung per Handrad, die Zugstufendämpfung ist ebenfalls justierbar.

Einziges Manko: Der unnötig breite 180er Schlappen sorgt im Konzert mit dem ungewöhnlich großen 18-Zoll-Rad vorn dafür, dass die Guzzi in Schräglage immer etwas weiter abklappt als gewollt. Doch das ist weniger dramatisch als es sich anhören mag. Zur unproblematischen Agilität gesellt sich eine gute Ausstattung mit übersichtlichen Kombiinstrument und einstellbaren Hebeleien sowie ein akzeptabler Preis von 10.770 Euro. Diese Bellagio ist nicht nur etwas für eingefleischte Guzzi-Fans. (mid)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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