Mercedes R350: Die Hotel-Limousine

Die R-Klasse verkauft sich nach wie vor schleppend. Nun gibt es den Reise-Benz auch mit Heckantrieb und sieben Sitzen – und Platz im Überfluss.

Von Sebastian Viehmann

Falls man einmal ein Gespräch mit einem Mercedes-Manager schnell beenden möchte, braucht man ihn nur auf die Verkaufszahlen der R-Klasse in Deutschland anzusprechen. Er wird sich wahrscheinlich schleunigst aus dem Staub machen. Das Kraftfahrt-Bundesamt zählte von Januar bis Mai diesen Jahres knapp 1700 neu zugelassene R-Klassen, nur rund 500 mehr als bei der GL-Klasse. Die E-Klasse brachte es im gleichen Zeitraum auf fast 25.000 Neuzulassungen. Der «Grand Sports Tourer» hat also auch mehr als ein Jahr nach seiner Markteinführung schwer zu kämpfen. Das mag einer der Gründe sein, weshalb VW das Projekt «Tourer», gedacht als Konkurrent zur R-Klasse, vorzeitig begraben hat.

Allrad nicht mehr automatisch

Mittlerweile ist der Begriff Grand Sports Tourer aus dem Mercedes-Vokabular verschwunden. Die R-Klasse hat sich aufs Gruppenfoto der SUV-Familie gemogelt. Dabei hat der «SUV-Tourer» mit G, GL oder ML nichts gemeinsam. Selbst den Allradantrieb gibt es nicht mehr automatisch, man kann die R-Klasse ab Herbst als reinen Hecktriebler bekommen. Der Preis sinkt dafür auf 46.707 Euro (R 280 mit kurzem Radstand).

Eine weitere Änderung fand im Innenraum statt. Bislang gab es den Sternen-Kreuzer nur als 4+2-Sitzer, jetzt finden auf der neuen Rückbank auch drei Personen Platz. Theoretisch jedenfalls, denn der mittlere Sitz ist so schmal, dass man dort völlig ohne Seitenhalt und reichlich unbequem auf den Wangen der äußeren Sitze hockt.

Massig Platz

In der R-Klasse gibt es mächtig viel Platz Foto: Press-Inform

Viel besser lässt sich der Sitz als Mittelarmlehne nutzen. Besonders bequem ist die Armauflage mit dem harten Kunststoff aber auch nicht. Geradezu fürstliche Platzverhältnisse haben dagegen die äußeren Fond-Passagiere, vor allem in der R-Klasse mit langem Radstand. Die Kopf-, Knie- und Seitenfreiheit ist fantastisch. Die Kniefreiheit lässt sich noch erheblich erweitern, wenn man die beweglichen Fondsitze nach hinten schiebt. Als Luxus-Taxi oder Hotel-Limousine eignet sich die R-Klasse perfekt.

Auf der neuen Rückbank lassen sich aber auch drei Kindersitze nebeneinander befestigen. Die ausklappbaren Sitze sechs und sieben sind für Erwachsene dagegen auf Dauer unbequem, vor allem wegen der dürftigen Kopffreiheit.Platz ohne Ende gibt es im Kofferraum, der sich per Knopfdruck elektrisch schließt und öffnet. Legt man die Rücksitze um, schluckt die Langversion 2436 Liter, mit fünf Sitzen stehen immer noch 1118 Liter zur Verfügung. Da kann kein Kombi mithalten.

Nicht richtig spritzig

Gemütlichkeit ist Trumpf Foto: Werk

Die neue Basismotorisierung wird ab Herbst der R280 mit 231 PS sein, dazu kommt der R350 (272 PS) mit oder ohne Allrad und der R500 4Matic (388 PS). Zwei Dieselvarianten (R280 CDI mit 190 PS sowie R320 CDI 4Matic mit 224 PS) komplettieren die Motorenpalette. Wir sind den R350 gefahren, den stärksten Benziner ohne Allradantrieb, und den R500 4Matic.

Der R350 hat einen etwas phlegmatischen Antritt. Laut Werksangabe beschleunigt er in 8,2 Sekunden auf 100 km/h, wir haben ihn mit zehn Sekunden gestoppt. Allerdings war der Testwagen auch mit einer Menge Zusatzausstattung befrachtet. Richtig spritzig ist das 2,2 Tonnen schwere Reisemobil nicht, aber für flottes Reisen auf Autobahn und Landstraße reicht es locker. Wer mehr Überhol-Power möchte, ist mit dem R500 4Matic besser bedient. Den Durchschnittsverbrauch des R350 gibt Mercedes mit 11,3 Litern an, bei unseren Testfahrten war es rund ein Liter mehr.

Kleine Motorisierung reicht vollkommen

Die Automatik wird in amerikanischer Manier bedient Foto: Press-Inform

Von Hand schalten muss man die R-Klasse nie, alle Modelle verfügen über das 7G-Tronic Automatikgetriebe. Das wird in typisch amerikanischer Manier mit einem Hebel am Lenkrad bedient oder mit Drucktasten hinter dem Volant. Gegen Aufpreis bietet Mercedes die komplette Palette an Komfortoptionen und Assistenzsystemen an, vom automatischen Abstandshalter Distronic bis zum DVD-System mit Fernbedienung. Da die R-Klasse ohnehin kein Fahrdynamik-Wunder ist, bietet es sich also an, eine kleinere Motorisierung zu wählen (wir fanden schon den R 280 CDI ausreichend flott) und dafür mehr Luxus für die Reise an Bord zu packen.

Ein großes Plus der R-Klasse ist ihr Fahrkomfort. Vor allem mit der optionalen Luftfederung gleitet der Sternenkreuzer sänftengleich und ruhig über die Autobahn. Bei schnellen Lastwechselreaktion wird die Fahrt allerdings zur Schaukelpartie, wobei die sehr indirekte Lenkung nicht gerade eine große Hilfe ist. Der Sport-Modus mit strafferer Fahrwerksabstimmung schafft etwas Abhilfe, rüttelt bei Querfugen aber die Fond-Passagiere durch.

Unhandliches Gefährt

Für enge Straßen nicht unbedingt geeignet Foto: Press-Inform

Während die R-Klasse auf Langstrecken perfekte Tourer-Qualitäten beweist, ist sie in der City ziemlich unhandlich. Vor allem die Breite (mit 1922 Millimetern sogar einen Hauch mehr als beim GL und satte zehn Zentimeter mehr als bei der E-Klasse) und die unübersichtliche Front schmälern die Aussichten auf geeignete Parkplätze.

Der R350 kostet in der kurzen Version 49.920 Euro, die Langversion schlägt mit 51.705 Euro zu Buche. Zur reichhaltigen Serienausstattung gehören CD-Radio, teilelektrische Vordersitze (Längsverstellung mechanisch), Nebelscheinwerfer, Lichtautomatik und Tempomat mit Geschwindigkeitsbegrenzer. Allerdings hat die Basisversion nur vier Sitze: Die 4+2-Version kostet 833 Euro Aufpreis, die 5+2-Variante satte 2618 Euro. Dann ist aber die Stahl-/Luftfederung mit Niveauregulierung an der Hinterachse enthalten.

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