Lexus LS460: Der Luxus-Liner

Gemessen an Mercedes S-Klasse oder 7er BMW führt Lexus hierzulande noch ein Schattendasein. Der neue LS460 versucht nun, den Konkurrenten Kunden streitig zu machen. Ob er das Zeug dazu hat, zeigt unser Test.

Von Kai Kolwitz

Sich in der automobilen Luxusklasse zu etablieren, das gehört zu den schwierigsten Aufgaben für einen Fahrzeughersteller. Denn die Kunden im Premiumsegment schauen nicht nur auf die Fakten: Überlegener Komfort, edles Design und High-End-Technik werden angesichts von Preisen kurz unter der 100.000-Euro-Grenze sowieso vorausgesetzt - und sich ein konkurrenzfähiges Prestige zu erarbeiten, ist eine Arbeit, die sich, wenn überhaupt, nur in vielen Jahren schaffen lässt.

Absatzziel: 600 LS pro Jahr

Das gilt besonders für den deutschen Markt, wo mit Mercedes, BMW und Audi gleich mehrere einheimische Premiumhersteller die Spitzenpositionen der Zulassungsstatistik besetzen. Und so macht sich Lexus auch im Jahr 17 nach der Markteinführung des ersten Modells der LS-Baureihe keine großen Hoffnungen, einen der großen drei vom Thron stoßen zu können: 600 Fahrzeuge der neuen LS-Generation will man im kommenden Jahr in Deutschland absetzen, die Hälfte davon sollen den Hybrid-Fahrzeuge sein, die ab Sommer erhältlich sind - winzige Stückzahlen, gemessen an S-Klasse und Co..

In den USA ist das allerdings ganz anders: Hier hat der LS seine Konkurrenten schon vor Jahren abgehängt. Ist also auch der Neue eine Entwicklung für amerikanische Bedürfnisse, die nebenbei auch noch in der alten Welt vermarktet wird?

Ein Hauch Siebener BMW: Heckansicht des LS460 Foto: Werk

Im Fahrtest soll es sich erweisen. Als erstes fällt bei dem neuen Wagen allerdings das Design ins Auge: Wuchtig steht er da, der Luxus-Lexus, eher Brecher als Ballerina, und speziell von schräg hinten und in der Seitenansicht dem aktuellen BMW-Siebener nicht komplett unverwandt. Von vorn bringen komplex geformte Kotflügel und gepfeilte Motorhaube einen Hauch Phaeton ins Spiel - und innen regiert, der Klasse angemessen, der Luxus: Weiße Ledersitze, Dach und Seiten mit Alcantara ausgeschlagen, Bestandteil der (aufpreispflichtigen) Ausstattungslinie «Ambience», wirken ausgesprochen edel. Holzapplikationen in Armaturenbrett und Türverkleidungen sind Klassenstandard, insgesamt wirkt das Innenraumdesign sehr ruhig und stimmig, man sitzt sehr bequem.

Souveräner Vortrieb

Ruhig bleibt es auch, nachdem der Starterknopf gedrückt und das 4,6 Liter große, 380 PS starke, Acht-Zylinder-Aggregat zum Leben erwacht ist. Die Geräuschdämmung des Lexus ist hervorragend gelungen, nur bei starker Beschleunigung faucht es kernig-aggressiv aus dem Motorraum - doch das klingt eher sexy als penetrant. Das neu entwickelte Aggregat prunkt mit einer Mischung aus direkter und Saugrohr-Einspritzung, elektrisch verstellbaren Einlassnockenwellen und einem Lastzug-artigen Drehmoment von 493 Newtonmetern bei 4100 Umdrehungen pro Minute. Kraft sollte also nicht das Problem des neuen großen Lexus sein.

Souverän in allen Lagen: 380 PS sorgen im LS460 für Vortrieb Foto: Werk

Und in der Tat zieht der Wagen gut los - trotz 5,7 Sekunden von null auf Tempo 100 vom Gefühl her kein Rennwagen, doch äußerst souverän in jeder Verkehrssituation. Auch stärkere Steigungen bei niedrigen Drehzahlen beeindrucken den Wagen ganz und gar nicht - schlimmstenfalls schaltet die Acht-Stufen-Automatik eben die entsprechende Anzahl von Gängen zurück, bis die Übersetzung stimmt. Insgesamt schaltet die Box flink, häufig und fast unmerklich, in der Charakteristik dreifach einstellbar und auch von Hand sequenziell zu schalten.

Einen Durchschnittsverbrauch von 11,1 Litern gibt Lexus für den LS460 an. Wenn das denn stimmen würde, wäre das ein Top-Wert. Während unserer Fahrten verharrte die Verbrauchsanzeige allerdings weit jenseits der 15-Liter-Marke - und das, obwohl sich der Großteil des Tests aus nicht übermäßig eilig gefahrenen Landstraßen- und gelegentlichen Autobahnpassagen zusammensetzte. Dafür lässt sich der Luxusliner überraschend handlich dirigieren. Zwar lässt sich nicht leugnen, dass man am Steuer eines gut fünf Meter langen und mehr als zwei Tonnen schweren Fahrzeugs sitzt, doch die Lenkung, die mit variabler Übersetzung arbeitet, sorgt dafür, dass auch enge Kurven und verstopfte Innenstädte ohne Kurbelei bewältigt werden können.

Ein bisschen mehr Sport wäre schön

Bei der Fahrwerksabstimmung ist der Blick der Entwickler auf die USA allerdings deutlich spürbar - auch wenn Lexus angibt, man habe die Charakteristik europäischen Bedürfnissen angepasst. Zwar offeriert die Luftfederung drei unterschiedliche Kennlinien - doch im Komfort-Modus ist die Abstimmung dermaßen weich, dass sich der Lexus bei höherem Tempo regelrecht schaukelig anfühlt. Im strafferen «Sport»-Modus geht er dann zwar einigermaßen um die Ecken, ohne dass die Seitenneigung überhand nimmt, doch um ihrem Namen gerecht zu werden, müsste die Abstimmung doch noch um einiges straffer ausfallen.

Dass das theoretisch möglich wäre, das zeigt vor allem das so genannte «Advanced Pre Crash Safety System» des Lexus. Das nämlich scannt die Straße per Radar und Infrarot nach Hindernissen auf der Straße und greift, wenn der Fahrer nicht selbst reagiert, in Bremse und Fahrwerk ein und stellt die Dämpfer auf straff, um Eintauchen und Rollbewegungen zu minimieren. Offensichtlich nicht sinnvolle Lenkeinschläge korrigiert das System in diesem Zuge selbsttätig.

Die Angst vor der Produkthaftung

Weitere Technik-Goodies an Bord sind ein Spurhalte-Assistent, der sich an den Straßenmarkierungen orientiert, sowie ein Abstandsradar, das den Abstand zum Vordermann konstant halten soll. Erkennen Sensoren am Heck ein sich crash-verdächtig annäherndes Fahrzeug, werden die Gurte gestrafft und die Kopfstützen nach vorne gefahren, um Unfälle möglichst glimpflich ablaufen zu lassen.

Langversion in Vorbereitung - aber auch im 'normalen' LS460 sitzen Fondpassagiere bequem Foto: Werk

Allerdings zeigen sich an den Systemen auch die Probleme, mit denen sich die Entwickler solcher Features auseinandersetzen. Denn automatische Vollbremsungen bei Gefahr lösen die Lexus-Systeme zum Beispiel nicht aus. Nicht, dass das nicht möglich wäre - aber zum einen dürfen die Systeme nicht in Konflikt zu den Handlungen des Fahrers geraten, zum zweiten will man Haftungsklagen vermeiden, die es geben könnte, wenn sich der Wagen über den Willen des Fahrers hinwegsetzt.

Für «integrierte Individualisten»

Deshalb ist auch die Einpark-Automatik des Lexus eigentlich eine Halbautomatik, bei der der Fahrer selbst bremsen muss - ansonsten rauscht der Lexus dem Hintermann emotionslos rein. Und auch hier ist Perfektion noch nicht erreicht: Das System funktioniert nur bei Lücken, die ein durchschnittlich begabter Einparker auch noch selbst ohne Mühe schaffen würde. Unterstützung geben dann Parksensoren und Rückfahrkamera.

TFT-Display als Kombi-Instrument: Das Cockpit des LS460 Foto: Werk

Bleibt die Frage nach dem Geld. 82.000 Euro beträgt der Basispreis des Luxus-Lexus. Das ist ein wenig mehr als die Konkurrenz für motorseitig vergleichbare Fahrzeuge aufruft, doch verweist man auf eine deutlich üppigere Serienausstattung, die unter anderem Bi-Xenon-Scheinwerfer nebst Kurvenlicht umfasst, Navigationssystem, Lederausstattung sowie Luftfederung.

Lexus selbst sieht im LS460 übrigens ein Fahrzeug für «integrierte Individualisten». Wer weiß, was das ist, sich dieser Gruppe zugehörig fühlt und keine ausgeprägt sportlichen Ambitionen hat, für den könnte der Lexus eine Alternative darstellen - vorausgesetzt, er kann auch ohne Stern, Propeller oder Ringe auskommen.

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