Kawasaki ZX-6R: Imposanter Supersportler

Kawasaki hat die ZX-6R einer Überarbeitung unterzogen. Herausgekommen ist ein Motorrad mit beeindruckenden Fahrleistungen, die man jedoch kaum im Alltag fahren kann.

Von Thilo Kozik

Kaum da, schon wieder kräftig überarbeitet - Kawasakis ZX-6R setzt wieder neue Maßstäbe. Noch nie da gewesene 130 Pferdestärken machen die neue Kawasaki Ninja ZX-6R zum leistungsstärksten Mittelklasse-Supersportler, was die Messlatte für die Wettbewerber deutlich höher legt.

Dabei schummelt die Ninja mit einem Hubraumplus von 36 Kubikzentimetern gegenüber dem üblichen Klassenlimit von 599 Kubik, doch beim Fahren außerhalb der Supersport-Rennen spielt das keine Rolle. Rein äußerlich tun sich die Modifikationen durch die fließenderen Linien der Vollverkleidung kund, die vor allem der Aerodynamik zugute kommen, und natürlich durch den Underseat-Auspuff.

Ram-Air-Effekt

Allerdings wirkt dieses aus dem Heck lugende Teil wie der Honda CBR 600 RR direkt entnommen. Nichtsdestotrotz verringert diese Anordnung den Luftwiderstand nochmals - für den besten cW-Wert, den eine Ninja jemals hatte. Geht es um Windeinflüsse, spielt bei Kawasaki traditionsgemäß die Staudruckaufladung - hier Ram-Air-Effekt genannt - eine wichtige Rolle: Bei Vollgas soll die Sechser sogar 136 PS mobilisieren. Für diese Mehrleistung erhielt der Sechzehnventiler unter anderem neue Zylinder mit je zwei Einspritzdüsen, einen neuen Zylinderkopf und größere Ventile. Damit gibt sich die Grüne richtig bissig und druckvoll schon ab niedrigsten Drehzahlen, dank Doppeldrosselklappen-Technologie spricht der Reihen-Vierer fein und verschluckfrei an und liefert prima Schub.

Schnittig - die überarbeitete Kawa. Foto: Werk

Doch erst bei höheren Drehzahlen kommt man in den vollen Genuss - akustisch durch den brutalen Sound aus dem Ansaugtrichter, leistungsmäßig durch den vehementen Vortrieb, der einem den Helm gegen die Nase drückt. Ab 6000 Touren galoppiert die ZX-6R richtig los, um sich erst vom Begrenzer weit im roten Bereich - knapp unter 16.000 Touren - wieder einfangen zu lassen. Per Schaltblitz kündigt sich zuvor die Notwendigkeit eines Gangwechsels an. Wird dies optimal genutzt, steht am Ende mit 268 km/h eine enorme Spitzengeschwindigkeit zur Verfügung, die vor ein paar Jahren nur Tausender Superbikes geschafft haben. Doch imposanter als die reinen Fakten ist die sanfte und berechenbare Art, mit der die Kawa ihren Fahrer verwöhnt. Hinzu kommt ein williges Fahrverhalten, dass das Einbiegen in Kurven leicht macht.

Reinrassige Rennsportmerkmale

Das Cockpit der Kawasaki ZX-6R. Foto: Werk

Spurstabil war ja schon das Vorgängermodell, doch jetzt wirkt die Grüne direkt handlich - ob’s allein der etwas kürzere Radstand ausmacht? Egal, auf engen Kursen wie der Rennstrecke von Calafat lassen sich damit schnellere Zeiten erzielen als mit den dicken Sportmotorrädern, die ihre Leistung auf engem Geläuf nicht richtig umsetzen können. Hinzu kommen reinrassige Rennsportmerkmale wie radial montierte Bremssättel mit Wave-Bremsscheiben, die bei Bedarf vehement verzögern. Oder die Anti-Hoppingkupplung, die bei hartem Herunterschalten aus hohen Drehzahlen lästiges Hinterradstempeln unterdrückt. Oder die vergleichsweise sportliche Sitzposition, die ausreichend Raum für intensive Turnübungen lässt.

Mitverantwortlich für die guten Fahreigenschaften ist die verstärkte Schwinge, die wegen des kürzer bauenden Motors weiter vorne ansetzt, sowie die fein ansprechende Upside-Down-Gabel. Damit meistert die 192 Kilogramm wiegende ZX-6R sogar ungehobeltes Landstraßenterrain, obwohl das beileibe nicht ihre Bestimmung ist. All dies macht deutlich, wie gut die Kawasaki den Spagat zwischen Rennsport und Alltag meistert. Damit dies trotz der überzeugenden Eigenschaften lange anhält, haben die Japaner eine Wegfahrsperre ins Zündschloss integriert. Alltagsnutzen oder übermäßige Bequemlichkeit darf man von einem Supersportler dieser Güte nicht erwarten, deshalb kann man über die mangelnde Ablesbarkeit des Rundinstruments gnädig hinweg sehen. Denn die 10.295 Euro teure ZX-6R markiert die straßensportliche Spitze der wilden Sechshunderter Meute, und angesichts der harten Konkurrenz will das wirklich etwas heißen.

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