Streicheleinheiten auf zartem Leder

Jaguar XF 3.0 V6 Diesel Edition

Jaguar bietet den XF auch mit einer vergleichsweisen schmalen Motorisierung an. Die Vorzüge der Komfort-Limousine kommen dabei auch schon im Einstiegsmodell zum Vorschein.

Von Thomas Flehmer

Zugegeben, die Vorfreude auf das Einstiegsmodell war sehr groß. Zu sehr hatte der neue XF mit dem starken 275 PS-Diesel im vergangenen Jahr Eindruck geschunden, was aber nicht allein dem Motor geschuldet war. Mit der Vorfreude stiegen aber auch die Erwartungen auf das mit 211 PS ebenfalls nicht gerade leistungsschwach zu nennende Fahrzeug, das in Schwarz seine noble Form noch deutlicher unterstreicht.

Kühlergrill ist Geschmackssache

Allerdings kommt so an der Front der neue Kühlergrill noch besser zum Vorschein, der die Geschmäcker teilt in solche, die ihn nicht schön finden und andere, die sogar von einem prolligen Charakter reden. Doch ist das verchromte Trapez der einzige Schönheitsfleck eines ansonsten sehr noblen Anblicks. Besonders die Seitenlinie mit abfallender Coupe-Form sowie das schlanke Heck vereinigen Sportlichkeit und Eleganz miteinander. Nachteil des Schlankheitswahns ist aber, dass der Eingriff in den Kofferraum recht schmal ausfällt. Größere Koffer müssen hineinbalanciert werden.

Die Unwegsamkeiten sind spätestens beim Einstieg vergessen. Wie bei den XF-Versionen mit den stärkeren Aggregaten nimmt auch die Basisvariante die Insassen gefangen. Ledersitze zählen hier ebenso zur Serienausstattung wie Panele aus echtem Wallnussholz, ein Multifunktions-Lenkrad, Zwei-Zonen-Klimaautomatik und 18 Zöller sowie ein 140-Watt-Klangsystem und ein Multimediasystem mit Farb-Touchscreen.

Eleganz per Knopfdruck

Eleganz im Innenraum Foto: Jaguar

Nach dem Starten per Knopfdruck fährt der runde Automatikhebel - Jaguar Drive Selector genannt – erhabend nach oben und die Lüftungsdüsen öffnen sich. Ein Feature, das auch dem neuen Flaggschiff XJ gut getan hätte. Ansonsten sind die Spielereien zu Gunsten gut und einfach bedienbarer Instrumente ausgeblieben, und das ist auch gut so. Auch der Sensor zur Öffnung des Handschuhfachs ist einem fast unscheinbarem Knopf gewichen.

Wer will, lässt sich die 1530 Euro teure Anlage von Browers and Wilkins einbauen, um so den Innenraum zum Konzertsaal umzugestalten. Selbst die leisen Geräusche des 3,0 Liter großen Dieselmotors aus der Kooperation von Ford und Peugeot stören den Musikgenuss nicht, wenn der Driver Selector erst einmal auf "D" gestellt wurde.

Emotionaler Respekt

Der Kühlergrill trifft nicht jedermanns Geschmack Foto: AG/Flehmer

Da die 450 Newtonmeter Drehmoment erst bei 2000 Kurbelwellenumdrehungen richtig zupacken, setzt sich der 1,8 Tonner zunächst etwas behäbig in Bewegung, wenn das Gaspedal nicht zu weit nach unten gedrückt wird. Erst einmal in Fahrt, kommen die Insassen in den vollen Genuss. Denn egal, ob als Cruiser oder als sportliches Fahrzeug, der kleine XF passt sich den Gasbefehlen bis zu einer Geschwindigkeit von 240 km/h an. Dabei schaltet das Sechsgang-Automatik zart wie ein Doppelkupplungsgetriebe, so dass Zugkraftunterbrechungen so gut wie nicht zu spüren sind.

Wer es langsam angehen lässt, entspannt sich förmlich beim Gasgeben. Wer mehr auf sportlich betont steht, dreht den Drive Selector auf "S" und bedient zudem noch die Schaltwippen am Lenkrad. Beide Bedürfnisse erfüllen den Fahrer so sehr, dass immer wieder die rechte Hand das mit schönen Ziernähten bestückte Innenraumleder streichelt und dem Auto auf diese Weise einen emotionalen Respekt entgegenbringt.

Genuss ab 46.900 Euro

Wunderschöne Seitenlinie Foto: AG/Flehmer

Denn auch die Verbrauchswerte können sich für ein Auto in dieser Klasse mit einer Länge von knapp fünf Metern sehen lassen. Sieben Liter benötigte der XF über Land bei gemäßigtem Tempo zwischen 120 und 140 km/h, 8,1 Liter Diesel waren es für die 100 Stadtkilometer. Dafür gibt es eine weitere Streicheleinheit auf dem zarten Leder.

46.900 Euro müssen vorher aufgebracht werden, um in den Genuss kommen zu können, das Leder zu streicheln. Das ist 1000 Euro mehr als ein vergleichbarer 5er BMW. Dafür ist der Jaguar von vornherein besser ausgestattet. Sicher ein Batzen Geld, aber wer es aufbringen kann, fährt mit einem der schönsten Fahrzeuge, die derzeit auf den Straßen unterwegs sind. Denn selbst der XF mit der "schwächsten" Leistung ist mehr als nur ein kleines Sahnehäubchen - und immer wieder eine Streicheleinheit wert.

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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