Zweiter Entenenkel

Citroen Berlingo

Zwölf Jahre nach der Segmenteröffnung moderner Kastenwagen bringt Citroen die neue Berlingo-Generation auf den Markt. Die Eigenständigkeit musste der Enkel der legendären Ente zugunsten einer verbesserten Technik aufgeben.

Von Thomas Flehmer

Eigentlich fing alles vor 60 Jahren bereits an. Citroen stellte 1948 auf dem Pariser Autosalon die erste Ente vor, die innerhalb weniger Jahre zum Kultmobil aufstieg und mit zahlreichen Varianten - unter anderem der Kastenente - aufwartete. Den Startschuss für das neue Segment gab der C15 Familiale, der besonders in Spanien aufgrund günstiger Steuersätze Riesenerfolge feierte. Hier konnte der Citroen zugleich als Nutzfahrzeug als auch als PKW für die Familie eingesetzt werden, zwar etwas umständlich, aber es ging. Aufgrund der Nachfrage entwickelte sich so eine neue Klasse heraus, die in dem Berlingo 1996 seinen Erstgeborenen hatte.

Neue Plattform

Nicht ganz so stark wie der 2CV verkaufte sich der Berlingo, doch vier Jahre war der Segment-Urheber der meistverkaufte Citroen-PKW in Deutschland. Europaweit ist der Citroen in seinem Segment mit 26,3 Prozent Marktführer. Doch die Konkurrenz, die im Renault Kangoo kurz nach dem Marktstart ihren ersten und erfolgreicheren Nachahmer fand, wird immer stärker. Für Citroen Grund genug, zwölf Jahre nach dem Marktstart nun im Juni eine neue Generation ins Kastenwagenrennen zu schicken.

Zwar hat der Berlingo, der baugleich mit dem Partner von PSA-Schwester Peugeot ist, seine äußeren kastenförmigen Charaktereigenschaften behalten, doch ist er vom Aufbau her ein völlig neues Auto. Auch die eigene Plattform, auf der aber weiterhin der nunmehr alte Berlingo als Berlingo First die Einstiegsversion bildet, wurde geopfert. Der neue Berlingo basiert auf der Technik des Kompaktvans C4 Picasso mit Plattform und Radaufhängungen.

Um 24 Zentimeter gewachsen

Geräumiges Cockpit Foto: Citroen

Die Anlehnung an den größeren Bruder hat somit auch dem neuen Berlingo einen Zuwachs beschert. Mit 4,38 Meter ist der Segment-Urvater ganze 24 Zentimeter länger als der Vorgänger und acht Zentimeter breiter. Zudem verfügt er mit 2,72 Metern über den größten Radstand im Segment. Das macht sich besonders im Innenraum bemerkbar. Hier bieten Vorder- wie Hintersitze eine Menge Beinfreiheit und nähern sich so dem Van-Segment an. Auch können optional drei Einzelsitze für den Fond bestellt werden, um so die Variabilität der optimalen Beladung zu steigern.

Die Sitze selber hätten ein wenig mehr Sitzfläche verdient und sind insgesamt recht weich ausgefallen. Die verwendeten Materialien vermitteln eine Plastikwelt, die von der Van-Annäherung abweicht. Die Instrumente sind sehr übersichtlich und lassen sich gut bedienen. Ganz klar, dass mit dem Längenzuwachs auch der Innenraum und das Kofferraumvolumen angestiegen sind. Dank eines speziellen - Extenso genannten - Beifahrersitzes bietet der Berlingo eine maximale Ladelänge von drei Metern und 3000 Litern. Wird er als Nutzfahrzeug mit Ladefläche benutzt, passen zwei Europaletten hinein - 3,3 Kubikmeter können gefüllt werden.

Skier im Innenraum

Die Ski passen auch in den Innenraum unter die Decke Foto: AG/Flehmer

Platz zum Füllen bieten auch zahlreiche Ablageflächen. So wurde auch die offene Ablage oberhalb der Windschutzscheibe beibehalten. Mit zwei Handgriffen könnten sogar Ski unterhalb der Decke verstaut werden. Nicht zu vergessen sind natürlich die Schiebetüren. Ab der zweiten Ausstattungsvariante Multispace gibt es derer zwei, «die Basisversion Advance mit lediglich einer Schiebetür hat kein Privatmann genommen», sagt Citroen-Pressesprecher Thomas Albrecht. Ab der zweiten Variante ist zudem serienmäßig ESP mit an Bord.

Mit insgesamt fünf verschiedenen Motoren - allesamt mit 1,6 Litern Hubraum unterwegs - können Fracht oder Passagiere chauffiert werden. Neben zwei Benzinern mit 66 kW/90 PS und 80 kW/110 PS stehen auch zwei Diesel mit identischen Nennleistungen zur Auswahl. Bei den Selbstzündern rundet ein kleiner Diesel mit 55 kW/75 PS, aber ohne Partikelfilter, das Programm nach unten ab.

Kleiner Benziner für die Stadt

Der von uns gefahrene kleine Benziner reicht dabei für den Stadtverkehr voll aus. Bei einem Drehmoment von lediglich 132 Nm, die bei 2500 U/min anliegen, ist der 1472 Kilogramm schwere Berlingo wahrlich kein Sprinter. Die 17,5 Sekunden für den Sprint bis 100 km/h reichen nah die 23 Sekunden heran, die eine Ente mit 23 PS benötigte. Dafür gibt es beim Fahrwerk und der leider nur mit fünf Gängen bestückten Schaltung keine Abstriche zu machen. Sicher legt sich der Berlingo in die Kurven, aber er kommt genauso sicher auch wieder heraus.

Eine Stufe knackiger fährt sich der ebenfalls von uns gefahrene HDi 110 FAP in der zweiten Ausstattungsversion Multispace. Hier werden in 14 Sekunden die 100 km/h passiert, bei 173 km/h endet der Spaß, während beim kleinen Benziner schon bei 159 km/h die Luft draußen ist. Dafür benötigt der Selbstzünder laut Citroen lediglich 5,6 Liter Diesel, der Benziner schluckt 8,2 Liter Super. Eine Version mit Erdgas wird noch folgen, bereits vorher kann der Berlingo mit Flüssiggas für rund 2500 Euro nachgerüstet werden.

Citroen findet Nemo

Praktische Schiebetüren drücken den Charakter des Berlingo aus Foto: AG/Flehmer

Wer sich die Umrüstung spart, ist mit mindestens 15.550 Euro beim kleinen Benziner dabei. Die von uns gefahrene Multispace-Version mit 90 PS beginnt bei 17.050 Euro. Der kleine 75 PS starke Diesel geht mit 16.450 Euro ins Rennen, der von uns gefahrene HDI 110 FAP kostet wenigstens 18.950 Euro. Durch diverse Komfortpakete sind hier aber auch Preise um die 23.000 Euro fällig. Ganz schön viel Geld für einen Kastenwagen, dessen Nutzfahrzeugvariante rund 11.000 Euro früher ins Rennen geht.

Ungefähr diesem Preis könne man beim Händler noch für die erste Generation aushandeln, die weiterhin als Berlingo First gebaut wird. Oder man greift zu der kleine Ausgabe, den Berlingo Nemo. Der ist allerdings nur 4,38 lang, damit aber der wohl nähere Enkel der Kastenente.

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