Spalter der Herzen

Chrysler 300 C Touring

Wie kein anderer teilt der Chrysler 300 C die Autofahrer in mindestens zwei Gruppen. Dank kleinerer Verkaufszahlen solidarisieren sich die Liebhaber des amerikanischen Kombis aus Österreich.

Von Thomas Flehmer

Man kennt es von Entenfahrern, die Wohnmobil-Enthusiasten praktizieren es auch. Wenn sich die Wege auf Landstraßen oder in der Stadt kreuzen, wird die Hand zum Gruß erhoben, schließlich ist man eine kleine, aber feine Gemeinschaft von Fahrern nicht alltäglicher Wagen, auch wenn es nicht so weit her ist, dass der eine den anderen kennt. Ungewöhnlich aber mutet diese Art des sich Kennens und sich Erkennens aber an, wenn aus zumeist schwarzen Limousinen oder Kombis die Hand ausgestreckt wird, um sich zu begrüßen. Denn immerhin ist der Chrysler 300 C der oberen Mittelklasse zugeordnet – und von Chauffeuren eines Audi A6 oder Fünfer BMW kennt man solche Allüren nicht.

Bulliger Kühlergrill

Doch der amerikanische Vertreter ist in dieser Klasse ein ganz Spezieller. Bereits der Auftritt lässt viele erstaunen und polarisiert von Beginn. Die einen finden gerade den bulligen Kühlergrill sowie die langgestreckte Linie des 5, 02 Meter langen Kombis, der besonders in Schwarz in Richtung Leichenwagen geht, voll aufregend.

Der anderen Gruppe hingegen reicht ein kurzer Blick, um zu wissen, dass diese Bekanntschaft nicht weiter vertieft wird. Zu prollig kommt für sie dieser gedrungene Vertreter aus Amerika daher, der in Graz gefertigt wird. Eingerahmt wird der bullige Kühlergrill von den streng aussehenden Scheinwerfern, die den pompösen Auftritt weiter unterstreichen.

Keine Platzprobleme im Innenraum

Voll im amerikanischen Stil Foto: Chrysler

Im Innenraum setzt sich der Spaltereffekt fort. Die einen wünschen sich edlere Materialien, den anderen reicht die Plastikoberfläche des Armaturenbretts, da die in Mattsilber gehaltene Mittelkonsole den Blick des europäisch geschulten Auges in den Bann zieht und die Umgebung mehr im Schatten lässt. Im Mittelpunkt steht hier das Festplatten-Navigationssystem mit 20 GB Speicherplatz.

Interessant ist das Vierspeichenlenkrad vor den übersichtlichen Instrumenten. Hier ist kein Knopf zu viel und kein Schalter zu wenig, der Chrysler lässt sich gut bedienen. Dagegen könnte die Sitzfläche etwas länger sein. Raum genug wäre dafür, denn Platzprobleme sind auch auf den Rücksitzen ein Fremdwort und längere Reisen können gut überstanden werden.

Träger Commonrail-Diesel

Viel Platz im Kofferraum Foto: Chrysler

Dass es etwas länger dauern kann, liegt auch am 3.0 CRD. Der Commonraildiesel im Sechszylinder hatte einmal zu früheren Zeiten die E-Klasse von Mercedes angetrieben und wechselte während der Ehe zwischen Daimler und Chrysler auch unter die breite Motorhaube des 300 C, der 2004 zum ersten Mal auf die Straßen dieser Welt gelassen wurde. Die 160 kW / 218 PS werden nur mühsam motiviert, auch wenn das Drehmoment von 510 Newtonmetern schon bei 1600 Umdrehungen pro Minute anliegen soll. Doch die knapp zwei Tonnen müssen erst einmal bewegt werden und auch die lediglich über fünf Gänge verfügende Automatik treibt den Kombi nicht gerade zur Sportlichkeit an.

Doch 300 C-Fahrer sollten angesichts dieser gewaltigen Präsenz, die das Fahrzeug ausstrahlt, sich auch eher mit dem Cruisen anfreunden. Zum einen ist die Rundumsicht durch die ebenfalls gedrungenen Seitenscheiben und die kleine Heckscheibe sehr eingeschränkt. Zum anderen wird der der 1,88 Meter breite Amerikaner schon allein von seiner Statur nicht zum Kurvenrenner mutieren. Doch die 227 km/h Höchstgeschwindigkeit sollten auch nicht allzu häufig angesteuert werden. Die angegeben 6,2 Liter Diesel außerhalb der Stadt werden selbst bei vorsichtiger Fahrweise zwischen 120 und 140 km/h um eineinhalb Liter überboten. In der Stadt dagegen pendelte sich der 300 C bei zehn Litern ein und unterbot den angegebenen Wert um einen halben Liter. Dank des 72 Liter fassenden Tank sind Tankstellenaufenthalte deshalb auch seltener. Um so größer ist die Chance, auf der Straße einen gemeinsamen Liebhaber zu treffen und begrüßen zu können.

Pfiffige Suche im Internet

Doch mit all zu großen Erwartungen, einem weiteren 300 C zu begegnen, sollte die Fahrt nicht angetreten werden. Das doch schon recht betagte Modell wird nicht mehr so häufig verkauft und marschiert deshalb aber kontinuierlich dem Status „Seltene Ikone“ hin. 42.590 Euro wird für den serienmäßig schon gut ausgestatteten 300 C Touring verlangt. Weitere 3290 Euro kostet das Comfort Paket mit elektrischem Glasschiebedach. Das Luxury Paket mit dem Festplatten-Navi sowie Boston Acoustic -System und Glasschiebedach ist für 5470 Euro zu haben.

Wer im Internet sucht, kann aber auch schon für die Hälfte des Einstiegspreises mit einer Tageszulassung in den kleinen Kreis der 300 C-Liebhaber eintreten und ab und an den Arm zum Gruße heben.

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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