Der Chevrolet Volt im Beruhigungs-Modus

Chevrolet Volt

Der Range Extender im Elektroauto der GM-Marke Chevrolet soll den Autofahrer eigentlich gelassener machen. Tut er auch. Aber er kann auch das Gegenteil bewirken.

Von Martin Woldt

"Wie sie hören, hören sie nichts", bringt John Ferris, Produktmanager des Chevrolet Volt unseren Fahreindruck auf den Punkt. Etwas Fahrtwind, bullernde Reifen auf rauem Asphalt, das ist alles. Wir sind auf einem Rundkurs nahe Shanghai im Extend Range-Modus von GMs technologischem Spitzenprodukt unterwegs. Die Batterie des Elektroautos ist aufgebraucht. Das Ende der Fahrt ist nicht abzusehen. Die grünen Stromrichtungspfeile im Display huschen vom Verbrenner zur Batterie. Jetzt treibt ein 63 kW/ 84 PS starker 1.4-Liter-Benziner den Bordgenerator an. Er erzeugt Strom für die rund 500 versprochenen Zusatzkilometer.

Dieser Modus ist das Besondere des E-Autos. Der Autofahrer müsse keine Angst haben, sagt Ferris, dass die Batterie sich vollständig leert, dass er abseits einer Lademöglichkeit liegen bleibe. Nicht anders als in einem ganz gewöhnlichen Auto.

Die Reichweitenangst

Tatsächlich rührt GM mit der Range-Extender-Technologie an einen wunden Punkt. Fehlende Reichweite, diese Erfahrung machen alle Hersteller von Elektroautos, ist die zunächst größte Sorge der Autofahrer. Der Chevrolet Volt will beruhigen. Er verheißt ungefähr 550 Kilometer. Unsere belgischen Kollegen von autogids.be ließen ihn (genauer gesagt sein 2011 startendes baugleiches Schwestermodell Opel Ampera) dieser Tage von Lesern mit dem Toyota Prius und dem Mini E im Praxistest vergleichen. Deutlicher Sieger - das GM-Fahrzeug.

Der Grund: "Die Leute wollen Reichweite und ein schickes Auto", sagt Tony Verhelle, Redakteur bei Autogids. Wohl wahr.

Kritik bei der Markteinführung

Kraftfluss wie beim Hybridauto Foto: Chevrolet

Wohl wahr. Der Range-Extender im schicken Kleid als Ausweg aus dem Dilemma des Elektroautos? Man ist nach den ersten eigenen Fahreindrücken geneigt zuzustimmen. Der Volt zieht gut durch. Er hat eine elegante Mittelkonsole. Geschaltet wird wie mit einer Automatik. Das passt alles gut zusammen. Hätten amerikanische Medien wie das Wall Street Journal nach ihren gerade erfolgten Einführungstests nicht die folgenreiche Behauptung aufgestellt: Der Volt ist gar kein Elektroauto. Er sei vielmehr ein Hybridfahrzeug, weil der Benziner an Bord über ein Planetengetriebe auch Drehmoment an die Räder und nicht nur zum E-Motor abgibt.

Ingo Scholten, Vice Präsident Powertrain Engineering bei GM, hält das für eine unfreundliche, etwas verzerrte Darstellung. "Sie können sicher sein, ohne Elektromotor fährt das Auto gar nicht", sagt er. Womöglich seien hier unterschiedliche Definitionen im Spiel. Nicht auszuschließen. Denkbar ist aber auch, dass GM mit dem Range Extender die eigene Hybrid-Definition gleich miterfunden hat. Denn in der Technik wird der Begriff immer dann benutzt, wenn zwei Technologien in einem Ganzen zusammenwirken.

Gemischte Antriebsenergie

Der Volt in neun Sekunden von null auf 100 Foto: Chevrolet

Die Antriebseinheit des Volt besteht aus zwei Motoren, drei Kupplungen und einem Planetengetriebe. Und tatsächlich beschreibt GM durchaus selbst, dass in einer zweiten, bislang wenig bekannten Range-Extender-Stufe Benziner und E-Motor ihre im Planetengetriebe gekoppelte Leistung an die Räder leiten. Das geschehe bei starker Beschleunigung oder in den Bergen, um hohe Drehzahlen des E-Motors zu vermeiden.

Sie könnten die Batterie in die Knie zwingen. Die zurückhaltende Kommunikation in der Sache erklärt der Hersteller mit nun geklärten patentrechtlichen Fragen.

Mehr als eine Glaubensfrage

Die Li-Io-Batterie wiegt 200 Kilogramm im Volt Foto: Chevrolet

Man mag die Angelegenheit bis hier hin als Glaubensfrage betrachten. Vor dem Hintergrund der Reichweitensorge des Autofahrers ist sie mehr als das. Wie viel verbraucht der Volt eigentlich im Range-Extender-Betrieb? Darüber haben Hersteller und Marke auch in Shanghai nicht viel verlauten lassen. Auf 100 Kilometer sollen es nach noch nicht offiziellen Angaben 1,6 Liter (38 g/km CO2) sein. Wobei die ersten 100 Kilometer ja zu rund zwei Fünftel (60 Kilometer) allein durch den 111 kW/ 149 PS starken E-Motor spritfrei bestritten werden. Ist danach der Benziner mit im Spiel, sagt John Ferris, ließe sich der Verbrauch mit dem des Chevrolet Cruze vergleichen. Das wären so um die sechs Liter auf 100 Kilometer.

Allerdings dürfte der Wert mit zunehmender Strecke zumal auf der Autobahn immer unrealistischer werden. Wenn der Verbrennungsmotor mit eine direkte Antriebsleistung vollbringt, wird er kaum in einem stets optimalen kraftstoffsparenden Drehzahlbreich zu betreiben sein. Und im Unterschied zum Cruze ist der Volt (1700 kg) gut 400 Kilogramm schwerer. Außerdem, entlastende Bremsenergie für Batterie und Elektromotor wird auf langer Strecke nur spärlich zurückgewonnen.

Ersparnis und Mehrkosten

Diesen Mehrverbrauch muss der Weitfahrer einkalkulieren, wenn er sich über die 1900 Liter eingesparten Kraftstoff freut, die GM für die Nutzung des Volt im reinen Elektrobetrieb pro Jahr ermittelt haben will. Das entspricht jährlich knapp 2700 Euro.

Legt man einen mutmaßlichen Preis von 40.000 Euro zugrunde, den der Chevrolet Volt wie auch der Opel Ampera im kommenden Jahr bei seiner Einführung hier zu Lande kosten könnte, heißt das: Es vergehen gute acht Jahre, ehe man die Mehrkosten gegenüber einem Cruze oder einem Opel Astra durch das eingesparte Benzin wieder hereingefahren hat. Eine Zeit, in der man den Extender-Betrieb als seltenen Ausnahmefall betrachten muss.

Rund acht Jahre bis zur Amortisierung Foto: Chevrolet

Die Sache mit der Definition

Zugegeben, in diesen Zahlen steckt noch die eine oder andere Spekulation. Sie vermitteln allerdings eine Ahnung, warum GM die Hybrid-Fähigkeiten des Volt jenseits aller Patentrechte bisher nicht der Rede wert fand.

Denn sollte die Politik die Fördermöglichkeiten für reine Elektroautos – in Deutschland muss sie sich ohnehin erst dazu durchringen – strenger klassifizieren als GM die Unterscheidungsmerkmale seines Autos, wird es der Chevrolet Volt schwer haben. Schwerer als es jeder Technologie-Eisbrecher ohnehin hat.

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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