Chevrolet Tahoe: Wuchtiges Dickschiff

Amerikas "King of the Road"

Chevrolet Tahoe: Wuchtiges Dickschiff
Der V8-Benziner des Chevrolet Tahoe leistet 355 PS © Chevrolet

In Europa wird er ein Exot bleiben. In den USA aber ist der Chevrolet Tahoe indes verkörpertes Lebensgefühl, dem auch ein Generationswechsel keinen anderen Charakter verleiht. Wenn man von der Zylinderabschaltung absieht.

Gegen ein SUV wie den neuen Chevrolet Tahoe ist der Opel Mokka kaum mehr als ein Spielzeugauto. Denn wenn es um Geländewagen geht, kann den Amerikanern der Trend zum Downsizing gestohlen bleiben. Kaum jemand weiß das besser als General Motors. Nicht umsonst dominieren der Chevrolet Suburban und sein „kleiner“ Bruder Tahoe seit bald 50 Jahren das Segment der Fullsize-SUV ähnlich deutlich wie bei uns der VW Tiguan die Klasse der kompakten Kraxler.

Deshalb darf man keine revolutionären Neuerungen erwarten, wenn man in diesen Tagen zum ersten Mal in den neuen Tahoe einsteigt. Leichtbau? Start-Stopp-Automatik? Kleinere Motoren? Oder wenigstens ein paar Zentimeter weniger Blech? Von wegen! Stattdessen haben die Amerikaner zum Generationswechsel sogar weiter aufgerüstet.

Erhabenes Gefühl am Steuer

Deshalb ist der neue 5,18 Meter lange und 2,04 Meter breite Tahoe noch stattlicher, noch stärker und noch luxuriöser als sein Vorgänger. Und das ist gut so. Viel zu erhaben ist das Gefühl hinter dem Lenkrad, als dass man ernsthaft Kritik an der Größe üben möchte. Gefühlte zwei Meter über der Straße und umgeben von mehr als zwei Tonnen massivem Stahl, wähnt man sich als "King of the Road", dem keiner etwas anhaben kann.

Erst recht nicht, wenn man eine Armee von 355 Pferden befehligt. So viel PS hat der 5,3 Liter große V8-Motor, der sanft unter der Haube säuselt. Zwar kann man diesen Kraftprotz tatsächlich in den Kampf um die Bestzeit schicken. Immerhin mobilisiert der Motor ein Drehmoment von bis zu 519 Newtonmeter. Damit wuchtet sich das Dickschiff, wenn’s sein muss, in 9,5 Sekunden auf Tempo 100 und rennt tapfer gegen das elektronische Limit von etwa 200 km/h an.

Mit Zylinderabschaltung

Der Siebensitzer ist 5,18 Meter lang Chevrolet

Aber gemacht ist der Achtzylinder vor allem fürs lässige Cruisen, wenn man souverän und fast mit Standgas ganz entspannt über den Highway schippert. Dann passen auch die extrem komfortable und deshalb wenig verbindliche 6-Gang-Automatik, die tadellose Lenkung und das marshmellowweiche Fahrwerk mit den magnetisch gesteuerten Dämpfern, das auch noch die letzte Querfuge im schartigen Asphalt wegbügelt.

Und vor allem zahlt sich die einzige Spritspartechnik im Tahoe dann doch noch aus: Die Zylinderabschaltung. Weil der V8 bei der typisch amerikanischen Fahrweise die meiste Zeit doch nur mit halber Kraft arbeitet, klemmen die Ingenieure dann vier Töpfe einfach ab und betreiben ihn als Vierzylinder – Teilzeit-Downsizing so zu sagen.

Die Vollkomfort-Lounge

Im Cockpit kann man im LTE-Hotspot surfen Chevrolet

Seltsam entrückt, fährt man gut gedämmt in einer Kabine, die einem größer und geräumiger als das eigene Wohnzimmer vorkommt. Man thront auf Sitzen, die weich und mollig sind wie der Sessel daheim vor dem Fernseher und genießt mehr Annehmlichkeiten als in einer Hotelsuite. Jeder Handgriff wird elektrisch unterstützt. Die Klimaanlage wechselt in Sekundenbruchteilen zwischen Arktis und Sahara. Die Ablagen sind größer als Einbauschränke. Es gibt ein Dutzend Steckdosen und eigentlich fehlt nur noch der Buttler, der auf Knopfdruck aus der Mittelkonsole klettert. Platz genug hätte er wohl darin.

Dazu gibt es mehr Infotainment als in der Zentrale von Google oder Apple: Vorn geht das Navi Online, man surft über den großen Touchscreen oder den LTE-Hotspot im Netz, hört Satelliten-Radio, lässt sich Mails vorlesen, diktiert mit Siri oder shoppt im App-Store und hinten klappt der DVD-Monitor von der Decke. So kann man es auch ein Paartausend Meilen am Tag im Auto aushalten.

Europa ist keine Tabu

Das Kofferraumvolumen beträgt 433-2681 Liter Chevrolet

In der Stadt eine feste Burg, auf dem Land buchstäblich ein Wohnwagen für die weitesten Wege – für Amerika kann es kaum ein besseres Auto geben. Und dass der Wagen bei uns keine Chance hat, weiß General Motors selbst. Deshalb versuchen es die Amerikaner gar nicht erst mit dem Export.

Falls trotzdem jemand ausprobieren möchte, wie sich das Dickschiff aus Detroit in Düsseldorf oder Darmstadt schlägt, muss dieser Wunsch nicht unerfüllt bleiben. Dafür gibt es schließlich die freien Importeure. Die verkaufen die Wuchtbrumme zwar nicht zu den hiesigen Schleuderpreisen von umgerechnet 35.000 Euro aufwärts. In Europa werden eher 60.000 Euro und mehr fällig. Damit liegt man dann beinahe auf dem Niveau der europäischen Konkurrenz. (SP-X)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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