Der zweite Versuch

Fahrbericht Brilliance BS4 1.6

Mit dem BS4 startet die chinesische Marke Brilliance ihr zweites Experiment, den deutschen Markt zu erobern. Wieder könnte die Sicherheit zur Gretchenfrage werden.

Von Martin Woldt

Irgendwann ab dem 25. Oktober werden ein oder zwei unauffällige Herren bei einem markenrelevanten Autohändler auftauchen, um drei nagelneue BS4 Autos zu ordern. Ihre zerstörerischen Absichten wird man den Männern nicht ansehen. Aber dass sie nichts anderes vorhaben, als die Fahrzeuge vor die Wand zu fahren, daran hat man bei Brilliance keinen Zweifel. Denn genau so haben es die Prüfer der Euro-NCAP-Organisation auch vor gut einem Jahr gehalten und die Markteinführung des größeren BS6 in ein Fiasko verwandelt.

Drei Sterne werden erwartet

Das, gibt sich Brilliance-Technik-Chef Eberhard Niering sicher, wird sich diesmal nicht wiederholen. „Unsere eigenen Crashtests haben gezeigt, dass wir für den BS4 mit drei Sternen rechnen dürfen.“ Dafür wurde die Struktur des Autos an etwa 60 Stellen gegenüber den in China verkauften Modellen verstärkt. ESP aber wird es in der europäischen 4,65 Meter langen Limousine immer noch nicht geben. Damit sei erst in den neuen Modellen ab 2010 zu rechnen.

Das passende Auto zur Finanzkrise

Der Brilliance BS4 Foto: Brilliance

Bei Brilliance ist man dennoch sicher, das passende Auto in Krisenzeiten anzubieten. Die Marke ziele auf Leute, „die ihren gesellschaftlichen Status verteidigen wollen, auch wenn das immer schwieriger für sie wird,“ sagt Deutschland-Chef Hartwig Hirtz. 15990 Euro sind tatsächlich für einen 100 PS Benziner mit Klimaanlage ein Angebot, zumal auch die von Pininfarina entworfene äußere Anmutung, irgendwo zwischen Skoda und BMW, stimmig wirkt.

Nicht ganz taufrische Motoren

Aber wie groß die Bereitschaft ist, für diesen Preis ein Auto mit lediglich vier Airbags, ohne ESP zu akzeptieren, hängt auch davon ab, ob es im Alltag sparen hilft, etwa an der Tankstelle. Der BS4 zum Einstiegspreis besitzt einen Euro IV tauglichen 1.6-Liter-Benziner, der von Mitsubishi stammt, aber nicht mehr ganz taufrisch ist. Gute acht Liter auf 100 Kilometer, die er aus dem Tank saugt, werden von Alternativen mit deutlich besserer Sicherheitsausstattung, etwa ESP und sechs Airbags, wie etwa dem Skoda Octavia (16640 Euro) um fast einen Liter unterboten.

Fast neuen Liter Verbrauch

Der Brilliance BS4 Foto: Briliance

Auch beim Sprint von null auf hundert ist der BS4 mit seinen 13,9 Sekunden eher gemächlich. Das liegt unter anderem an seinem Gewicht. Mit 1.475 Kilogramm schleppt er, gut 100 Kilo mehr als der Skoda, mit sich herum. Gleichwohl empfindet man das Auto nicht als lahm. 180 km/h sind drin. Ein ziemliches zähes Geschäft betreibt hingegen der größere 1,8-Liter Benziner, dem man die 136 PS nicht anmerkt. Wollte man die 11,8 Sekunden nachempfinden, die das Datenblatt für die Strecke aus dem Stand auf Tempo 100 ausweist, muss man kräftig durchtreten. Oberhalb von 100 km/h wirkt die Maschine zunächst wie zugeschnürt. Das maximale Drehmoment von 165 Newtonmetern wird irgendwann bei 5.000 Touren erreicht. Da muss man beim Überholen etwas Geduld mitbringen. Der mit 8,7 Liter angegebene Verbrauch ist enttäuschend. Auch dieser Motor stammt vom Mitsubishi, ist da aber längst nicht mehr im Einsatz. Wohl erst das erste eigene Brilliance-Aggregat wird da neue Akzente setzen können. Für Ende 2009 kündigte Eberhard Niering einen 1,8 Liter Turbo-Benziner an, der sich gegenwärtig noch in der Anpassung befindet. Dieselmotoren stehen bei den Chinesen nicht auf der Tagesordnung.

Komfort als Stärke

Der Innenraum Foto: Briliance

Die Stärken des BS4 liegen vorerst woanders. Die Karosse wirkt gut abgestimmt, schluckt die Stöße der Straße klaglos und lässt sich auch unter Belastung spursicher dirigieren. Die Lenkung ist erfreulich direkt abgestimmt, die Schaltung mitunter etwas hakelig. Die Sitze wirken bequem und lassen gerade hinten, abgesehen vom Raum über dem Scheitel, genügend Bewegungsfreiheit. Das ist ein Ergebnis des üppigen Radstandes von 2,79 Meter. 430 Liter Stauvolumen verbergen sich unter dem kurzen Heck, lassen sich über die schmale Kofferklappe aber schwer beladen. Am Ende des Tages steht man vor der Frage, ob man sich eine solide Portion Komfort bei einer schmalen Sicherheitsausstattung zu einem ordentlichen Preis leisten mag.

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