Hohe Messlatte

BMW 730d

Der neue Siebener BMW soll verlorenen Boden in der Luxus-Klasse wieder gut machen. Dafür besinnt er sich auf die Kernkompetenzen der Münchener – Fahrdynamik gepaart mit haufenweise Technik.

Von Wolfgang Gomoll

In Bayern weht seit einiger Zeit ein rauer Wind. Die Alleinherrschaft der CSU ist beendet und auch BMW kämpft mit Problemen. Horrormeldungen von Personalentlassungen und schwindenden Gewinnmargen haben das Bild des weißblauen Vorzeige-Konzerns getrübt. Ein Grund dafür ist Absatzrückgang in den USA, einem der wichtigsten Märkte. Just in diesem Moment betritt der neue Siebener die Szene. Die Mission des Flaggschiffs ist keine einfache: Das angekratzte Image wieder etwas aufpolieren und neue Käufer gewinnen. Dementsprechend hoch ist der Druck in der Konzernzentrale. Ein Befreiungsschlag muss her.

Elegante Optik

Die Optik stimmt schon mal. Der neue Siebener ist deutlich eleganter als der Vorgänger. Anstelle des kantigen «mir-san-mir»-Trutzburg-Outfits, hat die Truppe um Design-Chef Chris Bangle ein elegantes Auto geschaffen. Satt und athletisch liegt er auf der Straße, der Top-BMW. Einem ungeübten Auge könnte das geschmeidige fünf-Meter-Schiff (Langversion: 5,21 Meter) fast schon als Fünfer durchgehen.

Im Detail zeigen sich Schmankerl: Die typische Niere im XXL-Format sorgt trotzdem für einen angemessenen Auftritt. Von den Front-Scheinwerfen zieht sich eine deutliche Schulterlinie, die durch die Türgriffe verläuft, bis hin zu den LED-Rückleuchten. Das elegante Heck unterscheidet sich wohltuend von dem Haflinger-mit-Sattel-Po des Vorgängers.

Maßstäbe in Fahrdynamik

Elegant und sehr agil Foto: BMW

Auch innen gefällt der Siebener und vermittelt ein angenehmes Raumgefühl. Das Cockpit ist wieder mehr zum Fahrer geneigt, ohne den Beifahrer zu sehr die kalte Schulter zu zeigen. Der Automatik-Hebel ist nicht mehr am Lenkrad, sondern wieder in der Mittelkonsole zu finden, die trotz iDrive mehr Knöpfe beherbergt. Das Highlight ist aber die Instrumententafel, die im Ruhezustand komplett schwarz bleibt und erst bei der Umdrehung des Zündschlüssels zum Leben erwacht. Black-Panel-Technologie heißt das Zauberwort. Entliehen bei modernen Flachbildschirmen. Das Resultat sind gestochen scharfe Anzeigen.

Fahrdynamisch setzt der 5,07 Meter lange und 1860 kg (rund 55 Kilogramm leichter als der Vorgänger) schwere Bayer Maßstäbe. Und zwar solche, dass man sich nur schwer vom Lenkrad loseisen kann und im geräumigen Fond mit aufpreispflichtigem Massagesitz Platz nehmen will. Man hat das Gefühl ein deutlich kürzeres und vor allem leichteres Auto zu bewegen. Das wird vor allem bei schnellen Kurven und rasanten Spurwechseln deutlich, die das BMW-Flaggschiff leichtfüßig und souverän absolviert. Der Siebener realisiert ein komplexes automobiles Paradoxon: fahrdynamisch Mittelklasse, Raumgefühl Luxusklasse.

Hinterräder lenken mit

Auch die Hinterräder lenken mit Foto: BMW

Der Hauptgrund für diese Agilität ist eines der technischen Highlights, die aufpreispflichtige (1.750 Euro) «Integral-Aktivlenkung». Das Prinzip: Bis maximal drei Grad lenken die hinteren Räder mit. Bei geringen Geschwindigkeiten bis 60 km/h entgegengesetzt zum Lenkeinschlag. Damit verringert sich der Wendekreis, um bis zu 70 Zentimeter auf elfeinhalb Meter.

Ab 80 km/h schlägt die Hinterachse parallel zur vorderen ein und lässt Spurwechsel und andere Fahrmanöver deutlich harmonischer von statten gehen. Das neue adaptive Fahrwerk mit elektronischer Dämpferverstellung trägt natürlich auch seinen Teil zum Fahrspaß bei, Vor allem, wenn man die Sport-Einstellung wählt. Etwas kommoder reist es sich bei «Normal» und «Komfort». Allerdings trüben deutlich vernehmbare Windgeräusche bei höheren Geschwindigkeiten im Bereich der A-Säule den Fahrgenuss. Bei Unterhaltungen im Fahrgastraum muss die Stimme muss sogar erhoben werden. Das ist im Luxus-Segment eigentlich ein NoGo.

Diesel als Prachtstück

Laufruhe, aber Windgeräusche Foto: BMW

Für dieses Malheur entschädigen die Motoren. Hier zeigt BMW, dass das «M» und «W» im Namenszug zurecht für Motorenwerke stehen. Zum Verkaufsstart am 15. November stehen drei Aggregate zur Auswahl - alle mit mehr Leistung und geringerem Durst: ein Reihensechszylinder-Benziner im 740i mit 326 PS (Verbrauch: 9,9 l/100, minus zwölf Prozent), ein doppelt aufgeladener V8, der im 750i 407 PS leistet (11,4 l/100 km, minus 1,8 Prozent) und ein neuer Reihensechszylinder-Diesel mit 245 PS. Der Biturbo-Achtzylinder schiebt mächtig an, ohne im Cockpit zu präsent zu sein.

Ein Prachtstück ist der weiterentwickelte Diesel im 730d. Der Selbstzünder gefällt durch seine sämige Kraftentfaltung und seine Laufruhe. Dabei soll er nur 7,9 l/ 100 km (minus zehn Prozent) verbrauchen und 192 g CO2/km ausstoßen. Damit lässt der Münchner die Konkurrenz aus Ingolstadt und Stuttgart alt aussehen, die rund einen halben Liter mehr pro 100 km durch die Benzinpumpe jagt und deutlich mehr CO2 emittiert.

Zweite Nightvision-Generation

Nightvision erkennt im BMW 7er Fußgänger auch bei Nacht Foto: BMW

Damit ist Innovationswut der blauweißen Ingenieure noch lange nicht beendet. Die zweite Nightvision-Generation (Aufpreis 2.200 Euro) soll das Fahren bei Dunkelheit sicherer machen. Eine Wärmebildkamera tastet vorausschauend die Umgebung ab. Erst wenn die Menschen sich auf die Straße zubewegen, gibt es bei einer Entfernung von 100 Metern und darunter eine Warnung im 10,2-Zoll-Bildschirm und im Head-Up-Display. «Es war uns wichtig, die Anzahl der Warnungen zu minimieren», erklärt Artur Russ, Leiter Assistenzsysteme.

Ähnlich funktioniert auch die neue Erkennung von Geschwindigkeitsanzeigen, die es beim Ordern des Spurverlassens-Assistenten und eines Navigationssystems kostenlos dazu gibt. Eine Kamera hinter dem Innenspiegel erkennt die auf runden Schildern angezeigten Tempolimits inklusive Einschränkungen (z. B. Nässe), stimmt diese mit der Uhrzeit oder dem Regensensor ab und warnt den Fahrer durch ein Symbol im Display. Noch nicht ganz ausgereift scheint die Elektronik, wenn es um Ortsschilder geht. Da verlässt sich BMW nämlich auf die nicht immer exakten Karten des Navigationssystems.

Premiere für Internetzugang

Technik, Technik, Technik Foto: BMW

Die Graphik des elektrischen Lotsen ist deutlich besser geworden und die Bedienung einfacher. Das Gleiche gilt für das vielgeschmähte iDrive. Das System wurde entschlackt. Neben den aus dem X6 und X5 bekannten Favoritentasten befinden sich rund um den Drehknopf Tasten, mit denen wichtige Funktionen direkt angewählt werden können. Der größte Fortschritt hat sich aber bei der Menüführung getan. Die ist jetzt intuitiver und der eines PCs sehr ähnlich. Statt der Windrosenstruktur gibt es jetzt eine Liste. Zudem sieht man im Hintergrund immer aus welchem Menü man das aktuelle angewählt hat.

Mit dem haptisch ansprechenderen Drehknopf lässt sich auch der erstmals angebotene Internetzugang ohne große Probleme bedienen. Allerdings bietet das System eher Surfen light. Statt UMTS verwendet BMW nämlich den flächendeckend verfügbaren aber langsameren Edge-Standard. Zudem ist ein Server zwischengeschaltet, der große Byte-Fresser - wie Graphiken - runterrechnet. Zum Gelegenheitssurfen reicht das System sicherlich, sonst ist man mit einem Laptop und UMTS-Karte sicher besser dran. Vor allem in Ballungsräumen.

Achtgangautomatik kommt 2009

Auf einige wichtige Innovationen müssen die Kunden noch eine Weile warten. Die verbrauchssenkende Achtgangautomatik kommt 2009 und mit einem Mild-Hybrid, der aus der Zusammenarbeit mit Mercedes entspringt, ist frühestens Ende nächsten Jahres zu rechnen. Wie es mit dem Wasserstoff-Verbrennungsmotor weitergeht, wird in München zurzeit heiß diskutiert. «Wir glauben, dass Wasserstoff eine Zukunft hat»,bekräftigt Klaus Draeger gegenüber der Autogazette. Doch der Technikvorstand ließ offen, in welcher Form. Vieles deutet auf ein Ende des Wasserstoff-Verbrennungsmotors und ein Forcieren der Brennstoffzelle hin.

Was die angepeilten Verkaufszahlen angeht, hält sich BMW traditionell bedeckt. Geht man von dem aktuellen Modell aus, das bislang rund 320.000 Mal verkauft wurde, werden zumindest ähnliche Zahlen erwartet. «Wir wollen natürlich gerne mehr verkaufen», heißt es aus der Konzernzentrale. Der Preis ist angemessen. Der 730d kostet 69.500 Euro und ist damit auf dem Niveau der Konkurrenz. Doch die muss sich warm anziehen. Der neue Siebener hat die Messlatte sehr hoch gelegt.

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