Liebesgrüße aus Ingolstadt

Audi R8 5.2 FSI V10

Es gab schon bessere Zeiten, um ein solches Auto vorzustellen. Doch Audi lässt sich von der Finanzkrise und der Klimadiskussion nicht beirren und bringt den Supersportwagen R8 V10 auf den Markt.

Von Frank Mertens

Natürlich kann man sich die Frage stellen, ob ein solches Auto überhaupt noch in unsere Zeit passt. Da spricht alle Welt von Klimaschutz, CO2-Grenzwerten und dem Trend zu Kleinwagen - und was macht Audi? Die Ingolstädter geben den Unbelehrbaren und präsentieren mit dem R8 V10 einen neuen Supersportwagen. Der Blick auf die Leistungsdaten dieses 5.2 Liter großen Zehnzylinders lässt die Einstiegsfrage schnell zu reiner Rhetorik verkommen: Natürlich passt so ein Geschoss mit 525 PS nicht in eine Zeit, in der die Fahrer von SUVs und Supersportwagen als Klimaschweine stigmatisiert werden.

Nicht nur eine Frage der Vernunft

Eigentlich - denn kann man sich einem Sportwagen nur mit der Vernunft nähern? Nein, kann man nicht. Zumindest so lange nicht, bis man hinter dem Steuer des R8 Platz genommen hat. Gut, bereits der kleine Bruder des R8 war mit seinem 420 PS starken Achtzylinder ein Ausbund an Sportlichkeit. Doch was das neue Topmodell zu bieten hat, lässt Sportwagenfreunde in Verzückung geraten. Das fängt bereits beim Anlassen des R8 an, dessen Mittelmotor unter einem Glasdach ausgestellt ist wie die Kronjuwelen im Londoner Tower.

Doch während der Kronschmuck ihrer Majestät nur zum Anschauen taugt, kann man dieses Prunkstück im wahrsten Wortsinne erfahren. Dabei entpuppt sich der R8 als rollende Spaßfabrik, die sogar für den Alltag taugt. Nach einem Kick aufs Gaspedal wird man vehement in die Sportsitze gepresst - nach 3,9 Sekunden hat man Tempo 100 erreicht, nach zwölf Sekunden Tempo 200. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 316 km/h.

Topspeed zu vernachlässigen

Extreme Kurvengeschwindigkeiten sind möglich Foto: Audi

Ja, es stimmt, selbst auf deutschen Autobahnen kann man ein solches Tempo kaum längere Zeit fahren. Doch um Topspeed geht es bei diesem Auto auch nicht. Die Stärken des R8 V10 liegen in seiner Beschleunigung, seiner exzellenten Fahrdynamik. Dafür sorgt das Mittelmotorkonzept mit einer Verteilung der Achslasten von 44:56 Prozent. In Kombination mit dem permanenten Quattro-Antrieb lassen sich extreme Kurvengeschwindigkeiten erzielen; die Lenkung spricht blitzschnell an und setzt die Befehle des Fahrers mit minimalem Kraftaufwand um und bietet dabei sogar noch eine Menge Fahrkomfort.

Angeboten wird der R8 entweder mit einem manuellen Sechsganggetriebe oder optional mit dem automatischen R-Tronic-Getriebe. Letzteres passt für den Alltag besser zum R8, doch gerade im Sportmodus braucht es doch einen Moment zu lange, um Luft zu holen und wechselt die Gänge durchaus ruppig. Nahtlose Gangwechsel sehen anders aus. Dafür bietet das R-Tronic-Getriebe Verbrauchsvorteile.

Kleines Klientel

Schwarz muss bei einem Sportwagen schon sein Foto: Audi

So unterwegs, schluckt der V10 trotz einer Mehrleistung von 105 PS nur 0,1 Liter mehr als der V8. Apropos Verbrauch: Er soll laut Hersteller 13,7 Liter auf 100 Kilometer verbrauchen. Natürlich ein Fabelwert - wer das Potenzial des R8 ausschöpft kommt auch hier in bislang unbekannte Dimensionen. 20 Liter sollte man einkalkulieren. Aber wer 142.400 Euro für dieses ab dem zweiten Quartal erhältliche Auto ausgibt, dürfte der Verbrauch ebenso wenig interessieren wie ein CO2-Ausstoß von 324 Gramm pro Kilometer.

Umweltschützer werden sich angesichts dieses Wertes angewidert abwenden. Doch zur Beruhigung sei gesagt, dass sich der R8 auch nur in homöopathischen Dosen verkauft. Seit seinem Marktstart 2007 wurden gerade einmal 10.000 Fahrzeuge in Kundenhand übergeben. Zudem wird ein R8 von seinem Besitzer in der Regel auch nur als Zwei- oder Drittwagen gehalten. Es ist ein Klientel, dass für kleine Extras wie beispielsweise eine Keramikbremse (rund 8500 Euro) soviel ausgibt, wie andere für einen Kleinwagen.

Klare Message

So werden die meisten Autofahrer den R8 sehen - von hinten Foto: Audi

Trotz dieses überschaubaren Absatzes ist die Message der Audianer klar: «Seht her, wer einen alltagstauglichen Supersportwagen fahren will, der wird bei uns fündig.» Die Adressaten dieser Liebesgrüße aus Ingolstadt stehen fest. Sie sitzen in Stuttgart und bauen beispielsweise den Mercedes SL AMG oder den Porsche 911 Turbo oder GT3.

Man darf gespannt sein, wie VW-Mehrheitsaktionär Porsche auf diese Grußbotschaft reagiert. Denn in Zuffenhausen muss man sich langsam etwas einfallen lassen, um nicht hinter der aufstrebenden Tochter zu verblassen. Einige Mitbewerber schauen angesichts des fast schon überbordenden Selbstbewusstseins von Audi ohnehin schon leicht genervt nach Ingolstadt. Dazu passt dann auch das von Audi-Chef Rupert Stadler fast schon Mantra-artig wiederholte Ziel, trotz Finanz- und Wirtschaftskrise Audi bis zum Jahr 2015 zum erfolgreichsten Premiumhersteller der Welt zu machen. Der neue R8 wird diese Genervtheit noch einmal steigern.

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