Überlebende Vorurteile verhindern Erdgas-Durchbruch

Explosionsgefahr und fehlender Kofferraum

Überlebende Vorurteile verhindern Erdgas-Durchbruch
Der Preis für Erdgas wird in Kilogramm berechnet © AG/Mertens

Dass Erdgas in Deutschland noch nicht den Durchbruch geschafft hat, liegt auch an vielen Vorurteilen. Vorurteilen, die bereits seit den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts bestehen – und gar nicht stimmen.

Kennen Sie noch das Schild? „Die Einfahrt druckgasbetriebener Fahrzeuge in die Tiefgarage ist verboten“, stand in den siebziger Jahren häufig an öffentlichen Parkhäusern. Noch heute ist das Verbotsschild in den Köpfen zahlreicher Autofahrer abgespeichert und verhindert nicht nur den möglichen Kauf eines Erdgasfahrzeugs, sondern auch überhaupt die Beschäftigung mit dem Thema. „Viele haben immer noch Ängste vor einer möglichen Explosionsgefahr“, sagt Dag-Arnulf Schlaf, Projektleiter bei Volkswagen Nutzfahrzeuge.

Erdgas sicherer als Benzin und Diesel

Gerade das Thema Explosion ist tief verankert, aber zugleich auch der Höhepunkt falscher Gedanken, da es zu keiner Explosion kommen kann. Selbst die Feuergefahr ist niedriger als beim Benzin, da die Zündtemperatur für Erdgas bei 650 Grad Celsius liegt, bei Benzin und Diesel ist der Zündzeitpunkt niedriger angesetzt.

Auch wenn vereinzelt noch Verbotsschilder zu sehen sind, ist das Verbot doch schon lange aufgehoben. In der Garagenverordnung von 1988 wurde die Richtlinie gelegt, die Bundesländer setzten diese dann – je nach Bundesland – innerhalb von rund 15 Jahren um. Und der Clou ist zudem, dass die Verbote letztendlich nur den Fahrzeugen mit dem flüssigen Autogas (LPG) galten. Das gasförmige Erdgas verflüchtigt sich schnell in der Luft und fällt nicht – wie brennbare Flüssigkeit – nach unten. Insofern ist Erdgas viel sicherer als Benzin oder Diesel. Und auch die Tanks werden stärker geprüft und müssen mehr aushalten als die Behälter der fossilen Brennstoffe.

Erdgaspreis in Kilogramm

Der nächste Hinderungsgrund ist das so genannte Benzin-Äquivalent. Während die Preise Benzin, Diesel oder Autogas in Litern angegeben werden, wird Erdgas in Kilogramm gerechnet und liegt somit fast gleichauf oder höher als der momentane Dieselpreis. In Litern angegeben, würde sich Erdgas auf dem preislichen Niveau von LPG bewegen, dafür aber die viel besseren Umwelteigenschaften bieten.

Anschaulicher sind die reinen Fakten. Der Kollege fuhr gerade mit einem Erdgas-Octavia von Skoda von Berlin aus 2631 Kilometer bis nach Nordspanien für 115 Euro reine Tankkosten, davon 50 Euro für Benzin, weil im Erdgas-Entwicklungsland Frankreich nicht überall Tankmöglichkeiten gegeben sind. Im reinen Benzinbetrieb hätten die Kosten knapp 147 Euro höher gelegen. Rechnet man 150 Euro für 2700 Kilometer hoch amortisiert sich der Aufpreis für ein etwa 3000 Euro teureres Erdgas-Fahrzeug – natürlich immer je nach Fahrweise – nach rund 54.000 Kilometern Fahrleistung, womit die nächste Hürde „Anschaffungskosten“ schon genommen ist.

Flächendeckendes Tankstellennetz

Während in Frankreich bivalente Fahrzeuge gewählt werden sollten, um im Fall der Fälle im Benzinbetrieb weiter zu fahren, ist in Deutschland das Tankstellennetz recht dicht. Rund 920 Zapfsäulen stehen flächendeckend verteilt, auch wenn eine App immer dabei sein sollte, um zu schauen, wo sich die nächste Tank-Möglichkeit befindet. Aber auch reine Erdgasfahrzeuge haben Reichweiten bis zu 570 Kilometer, Lkw können sogar über 700 Kilometer mit einer Tankladung absolvieren – und haben optional noch einen zweiten Tank zur Verfügung. Die Möglichkeit liegen zu bleiben, ist damit genauso hoch wie bei Benzin- oder Dieselfahrzeugen und wäre zugleich dem eigenen Fehlverhalten zuzuschreiben.

Längere Reisen wären auch mit Gepäck möglich, da die Tanks zumeist unterflurig angelegt sind. Auch da müssen viele Autofahrer umdenken, die noch einen Tank im Kofferraum vermuten. Doch das sind dann zumeist auch die, die noch das Schild für „druckgasbetriebene Fahrzeuge“ respektieren. (AG/TF)

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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