Im Schatten der Lithium-Ionen-Batterie

Neue Batterietechnik

Wenn das Berliner Startup-Unternehmen DBM-Energy Recht behält, gibt es mehr als eine Alternative für das Elektroauto. Doch die großen Hersteller sehen die eigentlich günstigere Variante gar nicht so gerne.

Von Martin Woldt

Knapp 28 Millionen Verbraucher, teilt eine aktuelle Untersuchung mit, sind gewillt, sich in den nächsten zehn Jahren ein Elektroauto zuzulegen. Man kann vermuten, sie sind vom Mantra der Autohersteller, wonach Benziner und Diesel auch im nächsten Jahrzehnt noch erste Wahl sind, nicht mehr überzeugt. Die Zahl bedeutet gleichzeitig, es gibt schon jetzt 27 Millionen potenzielle E-Autofahrer mehr, als sich Bundesregierung und Hersteller im gerade verabschiedeten «Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität» für 2020 auszumalen vermochten. Und diese Verbraucher legen die Latte hoch. Sie wollen, dass ihr E-Auto ohne Stopp im Durchschnitt 320 Kilometer weit fährt, aber nur zehn Prozent mehr kosten darf, als ein herkömmliches Fahrzeug. Wie soll das gehen? Für einen elektrischen getriebenen Kleinwagen fallen gegenwärtig über 26.000 Euro an, davon - knapp kalkuliert - etwa 10.000 Euro allein für die Batterie.

1000 Kilometer Reichweite

Beim Porsche-Umrüster RuF in Paffenhausen im Unterallgäu klingelte unlängst das Telefon. Am anderen Ende der Leitung ein Herr Hannemann vom Berliner Startup-Unternehmen DBM-Energy mit einem spektakulären Vorschlag. Die Porsche-Experten rüsteten gerade im Auftrag von Siemens Windpower drei Cayenne V6 zu Elektroautos um. Die Stromster getauften Kolosse kutschieren während des Klimagipfels in Kopenhagen Konferenzgäste. Hannemann schlug dem Junior-Chef Marcel Groos vor, der Sache zuvor zusätzliche Aufmerksamkeit zu verschaffen. Mit einer von ihm gelieferten Batterie würde man ohne Nachladen die Tour von Berlin nach Paris über 1000 Kilometer machen wollen.

Groos war begeistert. Sein Kunde Siemens, beim Cayenne auch Ausrüster für das Batteriemanagement, nicht. Sie verlangten von Hannemann, die Batterie im Labor auseinander nehmen zu dürfen. Nur mit äußeren Messungen am Objekt könne man sich nicht zufrieden geben. Das kam für DBM jedoch nicht infrage. Hannemann zitiert die Ablehnung aus dem Notizblock: «Es ist nicht im Interesse der Kunden, ein Elektroauto mit einer Reichweite von 1000 Kilometer zu präsentieren». In Kopenhagen begnügen sich die Stromster mit einer Reichweite von 180 Kilometern, die Siemens aus einer Lithium-Ionen-Batterie vom Kooperationspartner Litec aus Kamenz herausholt.

70 Prozent weniger Energieeinsatz

Die Lithium-Metall-Polymer-Batterie Foto: DBM-Energy

Etwas anders lief die Angelegenheit im Falle der Verpackungsfirma PapStar aus Kall in der Eifel. Logistik-Leiter Gregor Falke überlegte gerade, wie er seine Gabelstapler-Flotte auf das neue Schichtsystem einstellen könnte, als ihn ein kurzer Text über DBM-Energy in die Hände fiel. Dass sie wirklich einen Durchbruch in der Batterietechnik zu bieten hätten, glaube er erst, wenn er es sähe. Er bot Hannemann an, auf seinem Firmengelände zwei Gabelstapler, den einen mit herkömmlichem Bleiakku, den anderen mit der DBM-Batterie, die gleiche Arbeit verrichten zu lassen. Dann werde man ja sehen.

Hannemann sagte zu. Und machte sich zunächst lächerlich, als er sein Mitbringsel in Kall aus dem Auto lud. Der Akku wog knapp 100 Kilogramm und beanspruchte weniger als ein Drittel des Volumens, den der 1,1 Tonnen schwere Testrivale mit Blei-Zellen auf die Waage brachte. Für die Umstehenden war klar, wenn Hannemanns Ding im 2,4 Tonnen schweren Stapler den Vormittag nach dem Start früh um sechs übersteht, dann . . .ach vergiss es.

Aber er überstand den Vormittag, den Mittag, den Nachmittag und machte erst am Abend schlapp. Da war der Bleiakku schon mehrere Stunden wieder an der Ladestation. Falke war perplex. Dass eine Batterie mit nur einem Drittel an Speicherenergie deutlich mehr Arbeit verrichten würde, hätte er nicht geglaubt. Das bedeute knapp 70 Prozent weniger Energieeinsatz. «Wir brauchen für unser neues Schichtsystem Elektro-Gabelstapler, die 18 Stunden ohne Nachladen durchhalten. Ich kannte bis dato keine bezahlbare Technik, die das kann.» Falke und Hannemann feilschen dieser Tage um die letzten Details eines Liefervertrages.

2005 begonnen

Aufmerksam geworden, machten wir uns auf den Weg zu DBM-Energy nach Berlin-Lankwitz. Das junge Unternehmen ist spezialisiert auf die Entwicklung sogenannter Erst-Rettungssysteme, die im Katastrophenfall etwa die Wasseraufbereitungsanlagen des Technischen Hilfswerkes mit Energie versorgen. «Mit diesem Anspruch haben wir 2005 angefangen, uns mit Batterietechnik zu beschäftigen», erklärt Mirko Hannemann, studierter Physiker an der TH Ilmenau und einer von zwei Geschäftsführern bei DBM.

Die Technik sollte vor allem sicher und ausdauernd sein. Schnell wurde klar, dass dies etwa mit den derzeit hoch gehandelten Lithium-Ionen-Akkus nicht funktionieren würde. Der Aufwand für die Kühlung und Erwärmung treibe Gewicht und Preis nach oben, verringere den Wirkungsgrad und die Energiespeicherfähigkeit sei zu gering.

Stabiler Stromfluss

Die Lithium-Ionen-Batterie von Li-Tec Foto: Li-Tec

Die DBM-Batterie ist also kein Lithium-Ionen-Akku? «Nicht im engeren Sinne», sagt Hannemann. Durch ihre Forschungen sei man auf die Lithium-Metall-Polymer-Technik (LMP) aufmerksam geworden, die schon vor zehn Jahren wegen hoher Energiedichte als Hoffnungsträger galt, aber aufgegeben wurde. Ihr Manko, dass der Strom in den Zellen erst ab etwa 60 Grad Celsius fließt, erwies sich als Kostentreiber. «Uns ist es durch eine andere Materialkombination gelungen, den Stromfluss nun stabil zwischen minus 40 und plus 100 Grad Celsius zu gewährleisten.»

Der Schichtenaufbau erlaube den Verzicht auf flüssige Elektrolyte, die Wärmeentwicklung auch bei hoher Stromabgabe sei gering. «Dadurch steigern wir den Wirkungsgrad gegenüber Lithium-Ionen von 80 auf über 97 Prozent und haben die Explosionsgefahr ohne Kühlung in den Griff bekommen.» Das wiederum verringere das Gewicht, wodurch etwa in Fahrzeugen deutlich größere Reichweiten möglich würden. «In einem üblichen Golf VI mindestens 500 Kilometer.»

Halbierte Kosten

Und auch die Kosten der LMP-Batterie wären nur noch halb so hoch. Hannemann erklärt: «Ich bin jederzeit bereit, das in einem aktuellen Fahrzeug zu beweisen. Aber mit RuF hat das ja leider nicht geklappt.» Im Übrigen sei dieser Entwicklungssprung kein Wunder. Apple hätte im neuen MacBook Pro ganz ähnliche Akkus im Einsatz. «Wir haben nur die Dimension erweitert.»

Verwunderlich sei höchstens, dass diese Entwicklung kaum einer zur Kenntnis nehmen will. Die Gründe könnte eine diese Woche am Lehrstuhl für Technologie- und Innovationsmanagement der TU München erfolgreich verteidigte Diplomarbeit beleuchten. Darin werden eine «weit verbreitete Verwirrung» und große Unsicherheiten der Entscheider im Batteriemarkt konstatiert. Soll heißen: Nicht jeder weiß, wovon er spricht.

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