«Es geht um Fachkompetenz und fundierte Einschätzungen»

ADAC-Präsident Peter Meyer

Der ADAC befürchtet beim Elektrogipfel eine falsche Richtung in die Zukunft der Elektromobilität. «Wie oft schon haben Politik und Wirtschaft die Bedürfnisse der Verbraucher falsch eingeschätzt, und Milliardensummen für Entwicklungen ausgegeben, die letztlich an der Nachfrage vorbeigingen», sagte ADAC-Präsident Peter Meyer der Autogazette.

Der ADAC hat seine Teilnahme am Elektrogipfel am 3. Mai im Kanzleramt in Berlin wegen der fehlenden Verbrauchervertreter abgesagt. «Es wird nicht weniger als die Zukunft der individuellen Mobilität behandelt. Deshalb geht es hier nicht um persönliche Eitelkeiten, sondern um Fachkompetenz und fundierte Einschätzungen», beklagte ADAC-Präsident Peter Meyer im Interview mit der Autogazette die seiner Meinung nach unzureichend berücksichtigten Interessen der Verbraucherseite.


Falsche Richtung nicht ausgeschlossen

Mit 17 Millionen Mitgliedern ist der ADAC der größte Vertreter der Autofahrer in Deutschland. «Wir stehen mit unseren Mitgliedern in ständigen Kontakt und kennen deren Erwartungen und Bedürfnisse für das Zeitalter der E-Mobilität», so Meyer weiter.

Meyer hatte in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) seine Absage mitgeteilt und damit begründet, dass fast ausschließlich Vertreter der Industrie, Wissenschaft und Politik über die Zukunft der Mobilität entscheiden würden. Meyer schließt deshalb einen Weg in die falsche Richtung nicht aus. «Wie oft schon haben Politik und Wirtschaft die Bedürfnisse der Verbraucher falsch eingeschätzt, und Milliardensummen für Entwicklungen ausgegeben, die letztlich an der Nachfrage vorbeigingen.»

«Es geht nicht um persönliche Eitelkeiten»

17 Millionen Mitglieder kann geholfen werden Foto: ADAC

Autogazette: Wieso kommt Ihre Absage erst jetzt, die Einladungen sind doch schon lange vorher verschickt worden?

Peter Meyer: Es ist nicht die Art des ADAC, solche Meinungsverschiedenheiten sofort öffentlich auszutragen. Wir haben bis zuletzt im konstruktiven Dialog versucht, die betreffenden Regierungsstellen doch noch auf einen verantwortlichen Kurs zu bringen – leider vergeblich.

Autogazette: Fehlen Ihnen die Verbrauchervertreter allein oder sind es deshalb auch spezielle Themen, die auf dem Elektro-Gipfel Ihrer Ansicht nach nicht bearbeitet werden können? Wenn ja, welche?

Meyer: Es wird nicht weniger als die Zukunft der individuellen Mobilität behandelt. Deshalb geht es hier nicht um persönliche Eitelkeiten, sondern um Fachkompetenz und fundierte Einschätzungen. Der ADAC ist mit seinen 17 Millionen Mitgliedern der mit Abstand größte Vertreter der Autofahrer in Deutschland. Wir stehen mit unseren Mitgliedern in ständigen Kontakt und kennen deren Erwartungen und Bedürfnisse für das Zeitalter der E-Mobilität. Ob alle wichtigen Themen behandelt werden, wird sich zeigen.

Autogazette: Führt die Nicht-Anwesenheit der Verbrauchervertreter dazu, dass das Thema Elektromobilität von vornherein eine falsche Richtung nimmt?

Meyer: Es lässt sich jedenfalls nicht ausschließen! Wie oft schon haben Politik und Wirtschaft die Bedürfnisse der Verbraucher falsch eingeschätzt, und Milliardensummen für Entwicklungen ausgegeben, die letztlich an der Nachfrage vorbeigingen.

«Umweltbilanz muss stimmen»

Regenerative Stromquellen erforderlich

Autogazette: Der ADAC-Vizepräsident nimmt an den Arbeitsgruppen teil. Sind dort auch Verbrauchervertreter anwesend?

Meyer: Der ADAC ist in Fragen der Mobilität der mit Abstand größte und wichtigste Vertreter der mobilen Verbraucher. Unsere Mindestanforderung an die Berücksichtigung der Verbraucherinteressen kann durch unsere Teilnahme an einer der Arbeitsgruppen als erfüllt angesehen werden. Ausgewogen ist das Verhältnis zwischen Industrie auf der einen und Zivilgesellschaft auf der anderen Seite damit noch lange nicht, denn über alle Arbeitsgruppen hinweg finden sich nur einige wenige Verbrauchervertreter. In den Lenkungsgremien der Nationalen Plattform ist nach meinen Informationen kein Verbrauchervertreter vorgesehen.

Autogazette: Umweltschutz-Verbände beklagen das geringe CO2-Einsparungspotenzial von Elektrofahrzeugen. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Meyer: Elektrofahrzeuge sind beim heutigen Kraftwerksmix nicht grundsätzlich effizienter und verringern den CO2-Ausstoß nicht. Bei einem Verbrauch von 20 kWh/100 km haben wir etwa 120 g/km. Zur Reduzierung der CO2-Emissionen ist der Einsatz zusätzlicher regenerativer Quellen zur Stromerzeugung erforderlich. Die Umweltbilanz insgesamt muss stimmen. Die Fokussierung auf das Elektrofahrzeug darf nicht dazu führen, dass die Industrie bei Benzin-, Diesel- und anderen Antrieben dringliche Maßnahmen zur CO2-Minderung nur halbherzig verfolgt.

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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