Ducati Multistrada 950: Gelungenes Downgrade

Reise-Enduro für 12.990 Euro

Ducati Multistrada 950: Gelungenes Downgrade
Gelunge - die Ducati Multistrada 950. © Ducati

Ducati ist auf der Suche nach neuen Kunden – und dafür hat man von der Ducati Multistrada auch ein Modell mit 950 ccm aufgelegt. Eine gute Entscheidung? Das beantwortet unser Testbericht.

Viel Hubraum ist genauso sexy wie viel Leistung. Und weil wir alle sexy sein wollen, fahren wir gerne hubraum- und leistungsstarke Motorräder. In keinem anderen Land Europas sind „big bikes“ so gefragt wie in Deutschland. Die Industrie freut's, lässt sich doch damit relativ leicht gutes Geld verdienen. Deshalb hat Ducati auch die mit 160 PS brachial motorisierte Ducati Multistrada 1200 entwickelt und sie in der S-Version mit allen nur denkbaren Hightech-Finessen ausgestattet, was ihren Preis samt netten Zubehör-Details schnell auf 20.000 Euro treibt.

Demnächst untergräbt der Bologneser Hersteller sein lukratives Geschäft: Die neue Multistrada 950 – in Hubvolumen, Leistung und Ausstattung sowie Gewicht leicht reduziert – tritt zum Preis von 12.990 Euro an. Natürlich soll sie Ducati neue Kunden bescheren. Sie wird aber auch manchen davon abhalten, eine Multistrada 1200 zu kaufen. Warum? Sie ist schlicht die ausgewogenere und damit die bessere Maschine.

Exzellenter Motor im Einsatz

Herzstück der „kleinen“, in Wahrheit nämlich ausgewachsenen Multi 950 ist der im vergangenen Jahr präsentierte 937 ccm-Motor, der in der Hypermotard 939 Dienst tut und demnächst auch in der neuen Supersport eingebaut wird. In seiner jüngsten Konfiguration ganz sicher ein Traum-Motor. Durchzugsstark, drehfreudig, kultiviert – der V2 kann einfach alles. Mit 83 kW/113 PS ist die 227 Kilogramm wiegende Multistrada ausgezeichnet, weil ausgewogen motorisiert. Zwischen 3500 und 9500 U/min. liegen stets mehr als 80 Prozent des maximalen Drehmoments an.

In jedem Drehzahlbereich oberhalb von 2500 Touren schnalzt der mit desmodromischer Ventilsteuerung ausgerüstete Beinahe-Tausender los, dass es die pure Freude ist. Blitzartig steigt die Drehzahl, geschmeidig lassen sich die Gänge wechseln. Mit nominell 5,3 Litern Super ist der Spritkonsum okay, der Praxisverbrauch liegt in ungefähr derselben Höhe.

Das Fahrwerk der Multistrada 950 ist mit mechanisch voll einstellbaren Komponenten an Vorder- und Hinterrad absolut auf der Höhe der Zeit, die Grundabstimmung passt gut. Die geschickt gewählten Rad- und Reifendimensionierungen machen die 950er zur agilsten Multistrada überhaupt: Sie lenkt leicht ein, hält den gewählten Radius sicher und ist doch noch zugänglich für Kommandos des Fahrers; so kennt sie kein Aufstellmoment beim Bremsen in Schräglage, man kann weit in Kurven reinbremsen. Die Dreischeiben-Bremsanlage wurde 1:1 von der 1200er-Multi übernommen und arbeitet auf sehr hohem Niveau. Das gilt auch für das einstellbare Bosch-ABS.

Leichte Reiseenduro

Mit 227 Kilogramm fahrfertigem Leergewicht ist die Ducati eine der leichteren Reiseenduros des Marktes. Das spürt man beim Fahren: Sie lässt sich leicht dirigieren, auch gehen Wende- und Rangiermanöver ohne großen Kraftaufwand von der Hand. Die Ergonomie ist gelungen, unterscheidet sich im Grunde nicht von derjenigen des Schwestermodells. Abstriche in Kauf nehmen muss man erwartungsgemäß bei der Ausstattung: Viele der „nice-to-haves“ der 1200er oder gar der 1200 S (schlüsselloses Startsystem, verstellbare Sitzhöhe, LED-Scheinwerfer mit Kurvenlichtfunktion, Einarmschwinge, semiaktive Fahrwerksregelung) wurden eingespart, um den Preis von 12.990 Euro realisieren zu können, diverse nützliche Details sind in Form von vier Ausstattungspaketen zukaufbar.

Pfiffig gelöst ist die Befestigung der seitlichen Gepäckbehälter, denn an ihnen können wahlweise Kunststoffkoffer oder Touratech-Aluboxen fixiert werden. Schade ist, dass die der Multistrada 950 sehr gut stehenden Drahtspeichenräder nicht schon ab Werk montiert werden können, sondern gegen viel Geld zusätzlich erworben werden müssen.

Passable Offroad-Eignung

Ducati Multistrada 950
Die Multistrad 950 legt einen gelungenen Auftritt hin. Ducati

Bedauerlich ist das nämlich auch deshalb, weil die 950er – im Gegensatz zur 1200er – durchaus eine passable Offroad-Eignung mitbringt, was primär am größeren Vorderrad, sekundär am schmäleren Hinterrad liegt. Wer mit der im Frühjahr neu erscheinenden KTM Adventure 1090 liebäugelt, sollte die Ducati 950 Multistrada nicht aus dem Auge lassen – von der Papierform her dürfte das ein Duell auf Augenhöhe sein! Bereift werden darf sie übrigens auch mit Stollenreifen.

So positiv die Duc in vielen Punkten wirkt: Frei von Unstimmigkeiten ist sie nicht. So ist das Menü des Bordcomputers doch ziemlich unübersichtlich geraten, intuitiv lassen sich Änderungen so gut wie nicht durchführen. Auch wäre ein selbstrückstellender Blinker in der 13.000 Euro-Klasse nun wirklich kein Luxus. Ansonsten gibt es nichts, was man der Duc nach eintägigem Gewusel durch die Kanareninsel Fuerteventura vorwerfen könnte. Sie gehört zu dem Kreis jener Motorräder, die sich eine Klasse unterhalb der Big-Dual-Sports-Bikes vom Schlage GS 1200 und Multistrada 1200 herausbildet; außer der schon genannten KTM müssen hier noch die Honda Africa Twin sowie die Suzuki V-Strom 1000 und die Kawasaki Versys 1000 erwähnt werden.

Und da ist die Ducati nicht nur wegen ihres Designs ein Hingucker, sie überzeugt auch in der Eigenschaftswertung. Alles in allem ist sie die zugänglichste, klar am angenehmsten zu fahrende Multistrada-Version, weil sie den Fahrer weitaus weniger fordert als die 1200er-Varianten. Der Fahrspaß leidet darunter kein bisschen. (SP-X)

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Frank Mertens
Nach dem Studium hat er in einer Nachrichtenagentur volontiert. Danach war er Sportjournalist und hat drei Olympische Spiele begleitet. Bereits damals interessierten ihn mehr die Hintergründe als das Ergebnis. Seit 2005 berichtet er über die Autobranche.

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