Automobilindustrie vor einschneidendem Wandel

KPMG-Umfrage

Automobilindustrie vor einschneidendem Wandel
Die Elektronik nimmt im Auto immer mehr Platz ein © Mercedes

Die Automobilindustrie steht vor einer starken Veränderung ihres Geschäftsmodelles. Und auch die eigentlichen Arbeitsprozesse werden sich nach anderen Industriezweigen richten müssen.

Im Grunde genommen gibt die von Jahr zu Jahr wachsende Präsenz der Automobilhersteller auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas den Trend vor. Die Konnektivität im Cockpit des Autos nimmt an Bedeutung zu, wie auch die diesjährige KPMG-Umfrage ergab, die unter über 800 Vorständen und Geschäftsführern von Herstellern, Zulieferern, Händlern, Finanz- und Mobilitätsdienstleistern aus 38 Ländern geführt wurde.

Vom Blechbieger zum Gridmaster

Nach Platz zehn im Vorjahr sehen ein Jahr später 82 Prozent der Befragten – erstmals wurden auch Unternehmen der IT-, Kommunikations- und Telekommunikationsbranche (ICT) befragt – sehen in den kommenden Jahren die Konnektivität und Digitalisierung des Autos als wichtigste Thema an – mit starken Folgen für die Automobilindustrie.

„Wer auch künftig noch dominierender Player sein und den Anschluss an die IT- und Telekommunikationsbranche nicht verlieren will, muss ein neues Geschäftsmodell entwickeln“, sagt Dieter Becker, Global Head of Automotive bei KPMG, „Überleben werden nur Hersteller, die es schaffen, sich vom ‚Blechbieger‘ zum ‚Gridmaster‘, also dem Herrscher des gesamten Netzes, zu mausern. Letzten Endes wird es darum gehen, die Kundenbeziehung über den gesamten Lebenszyklus innerhalb und außerhalb des Autos zu bestimmen.“

ICT-Branche übernimmt Kundenbeziehungen

Bosch stellt auf der CES eine Cockpit-Studie vor.
Denkbar wären austauschbare Cockpits Bosch

Doch gerade bei den Kundenbeziehungen im Hinblick auf den Lebenszyklus eines Fahrzeugs verschieben sich die Prioritäten. Während vor einem Jahr noch 72 Prozent der Befragten am klassischen Bild der Hersteller festhielten, ist es in diesem Jahr nur noch jeder Dritte. „Das Erkennen dieses Trends war bei den OEMs zuvor nicht gegeben“, so Becker weiter.

In Asien beherrscht bereits die ICT-Branche die Kundenbeziehungen. „Den Technologiefirmen wird dort mehr zugetraut“, sagt Becker. Hinzu kommt die Unterschiedlichkeit der Produktionsprozesse. Während das Auto derzeit alle drei bis vier Jahre ein Facelift erfährt, befindet sich die Technologiebranche im stetigen Wandel.

Vom Hersteller zum Zulieferer

Becker glaubt, dass sich die Prozessgeschwindigkeit ebenso auf die Automobilproduktion auswirken werde. „Die Hersteller werden künftig ihre Releasefähigkeit unter einem Jahr halten, um Kundenwünsche nach Erneuerung zu befriedigen. Es wird keine Modellpflege im klassischen Sinne mehr geben, sondern eine kontinuierliche Pflege.“ So könnten die technischen Elemente eines Cockpits per Update zu jeder Zeit erneuert werden.

Die Rolle der ICT-Unternehmen wird dadurch immer relevanter. Ein Fünftel der Befragten sehen deshalb die Automobilindustrie im Jahr 2025 eher als Zulieferer denn als klassischer Hersteller. Auch bei den Innovationen im Automobilbereich läuft die ICT-Branche den Autoherstellern den Rang ab. Zwar liegen die klassischen Hersteller noch vorn, aber der Abstand zur ICT-Branche nimmt kontinuierlich ab, sodass Becker glaubt, die Automobilbranche könnte in Zukunft „die Rolle des ‚Second Follower‘ übernehmen.“ Der Trend dorthin ist jedenfalls gelegt - und das nicht nur auf der CES. (AG/TF)

Vorheriger ArtikelMercedes E-Klasse erhält Lizenz zum autonomen Fahren
Nächster ArtikelNach Chevrolet Volt kommt der Bolt
Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

Keine Beiträge vorhanden