Cadillac CTS-V Wagon: AMG auf amerikanisch

Erste Probefahrt

Cadillac CTS-V Wagon: AMG auf amerikanisch
Der Cadillac CTS-V Wagon kostet mindestens 82.570 Euro. © Cadillac

Was tut der eilige Coupéfahrer, wenn sich Nachwuchs einstellt? Er greift zum Sport-Kombi. Die luxuriösesten und schnellsten kamen bisher aus Deutschland. Jetzt greift Cadillac in das Rennen um die Tempo-Krone ein.

Von Axel F. Busse

Für eine effektive Umzugshilfe taugen die flotten Lieferwagen nur selten, das ist beim neuen Cadillac nicht anders. Aber mit 1484 Liter Laderaum bei umgelegten Sitzen hat die junge Familie jede Menge Platz für Pampers. Doch wer seinen schnellen Luxus-Fünftürer nicht aus Imagegründen bei Audi, BMW oder Mercedes suchen muss, der hat ab sofort eine Alternative, die aber zunächst ein wenig nach Heckflosse klingt.

Cadillacs CTS-V sagt AMG den Kampf an

Tatsache ist, dass die ausladenden Kotflügelverlängerungen der 60er Jahre heute bei der Baureihe CTS durch Hubraum ersetzt wurden. Nicht nur Drei- und 3,6-Liter-Benziner werden angeboten, sondern in der V-Variante ein 6,2-Liter großer V8. Als wenn das nicht schon genug wäre, drückt ein Kompressor mit bis zu 0,62 Bar zusätzliche Verbrennungsluft in die Zylinder. Ergebnis: 564 PS, was als klare Kampfansage gegen die T-Modelle von AMG zu verstehen ist. Das sind sogar zehn Pferdestärken mehr, als die US-Version aufbieten kann.

Zwar deuten das feinmaschige Gitternetz an den vorderen Lufteinlässen und die 19-Zoll-Felgen auf einen sportlichen Anspruch hin, aber weder sind die im Gegensatz zum Coupé außen liegenden Endrohre des Auspuffs noch die Ausstattung mit Schwellern und Spoilern besonders auffällig. Das Styling weckt Assoziationen mit Tarnkappenbombern, dafür sorgen schon die vielen Kanten, die senkrechten Scheinwerfergläser und die bis zum Dachkantenspoiler hinauf ragenden Rückleuchten.

Markanter Innenraum des Cadillac CTS-V

Markant auch der Innenraum: Wulstige Seitenpolster der lederbezogenen Sportsitze, samtige Alcantara-Bezüge an Lenkradkranz und Schaltknauf, dazu dezente Chromeinfassungen an den Hauptinstrumenten und helle Kontrastnähte an den ebenfalls üppig belederten Oberflächen senden eine klare Botschaft: Hier wird Kraft geweckt und Komfort genossen. Die serienmäßigen, elektronisch vielfach verstellbaren Sportsitze können optional gegen Recaro-Rennschalen ausgetauscht werden. Die nach unten schmaler werdende Mittelkonsole wirkt wie die handwerkliche Umsetzung der Modellbezeichnung. Der Buchstabe "V" steht in der Physik für Geschwindigkeit, ist also bei diesem Auto auch ein Tempo-Versprechen. Die vertikale Struktur der Konsole wird von den senkrecht stehenden Ausströmern der Klimaanlage auf originelle Weise betont.

Mit 82.570 Euro ist der CTS-V Wagon alles andere als ein Schnäppchen, doch Vollausstattung und ein Höchstmaß an Exklusivität auf deutschen Straßen sprechen für das Fahrzeug. Für ein vergleichbar leistungsstarkes und ausgestattetes deutsches Fabrikat sind wenigstens 20.000 Euro mehr fällig. Beheiz- und belüftbare Sitze, eine Rückfahrkamera mit einem formatfüllenden Bild auf dem versenkbaren Monitor und eine elektrisch bewegliche Heckklappe sind nur wenige Schmankerln aus einem appetitlich angerichteten Kombi-Menü.

Cadillac CTS-V bevorzugt als Handschalter

Zurückhaltung ist gewiss keine schlechte Eigenschaft, bei Supersportwagen gelten aber meiste andere Gesetze. Obwohl leistungsmäßig voll auf der Höhe der europäischen Konkurrenz kann der CTS-V Wagon akustisch nicht ganz mithalten. Das liegt an der für die Europa-Spezifikation geänderten Abgasanlage. In der US-Version klingt der Kraftsportler fetter, maskuliner und bassiger. Beim kräftigen Tritt aufs Gas meint man eher den Kompressor-Rotor singen zu hören, als dass der Hubraum-Krösus ein drohendes Grollen auffährt. Das Fahrwerk ist der schieren Kraft ohne Abstriche gewachsen, die Lenkung ist ein Vorbild an Präzision, auch bei 280 km/h auf der linken Spur flattern nicht einmal die Nerven.

Und doch fehlt etwas – nämlich Überholprestige. Das liegt daran, dass kaum jemand diese Autos kennt. Den Porsche im Rückspiegel versteht fast jeder als Signal, die Spur zu räumen, auf dieser Testfahrt dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, bis der gewiss nicht bescheiden motorisierte Vordermann merkte, dass der Caddi sich nicht abschütteln lässt. Im Hochgeschwindigkeitsbereich zeigte die Automatik unnötiger Weise eine Neigung zum Gangwechsel, doch nicht nur deshalb ist bei ernsthaften Kauferwägungen die Handschaltung zu empfehlen. Der laut Hersteller schnellste Serienkombi der Welt erreicht mit Automatik "nur" 282 km/h.

17 Liter verbraucht der Cadillac CTS-V

Mit 308 km/h, so Geschäftsführer Wolfgang Schubert, sei die Version mit dem manuelle Getriebe schon getestet worden. Der Schaltkomfort dieser Sechsgangbox ist ein Gedicht. Mit einer Leichtigkeit und Präzision, die den Vergleich mit den manuellen BMW-Getrieben nicht zu scheuen braucht, werden hier knackig die Gänge gewechselt, die Kupplung ist auf einen gesunden Kompromiss zwischen Wadentraining und Romika-Hausschuh eingestellt. Wer will, kann die Gänge auch flink und so schubgewaltig einrasten lassen, dass der Hinterkopf die Nackenstütze touchiert. Immerhin zerren bis zu 747 Newtonmeter an der Kurbelwelle, was Sprints von um die vier Sekunden von Null auf hundert ermöglicht.

Gut möglich, dass bei reichlichem Gebrauch des Spurtvermögens sich der Tank bald als zu klein bemessen erweist. 68 Liter sind für ein Auto, das bei einem gewissen Vergnügungsanspruch kaum unter 17 Liter je 100 km zu bewegen ist, doch arg wenig. So gesehen dürfte der CTS-V Wagon wohl eine der letzten Lust-Karossen sein, bevor die Sparmeister auch unter den Konstrukteuren die Oberhand gewinnen.

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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