«Wir sind unter tausend Verkäufen profitabel»

Interview mit Cadillac Europe-Chef Wolfgang Schubert

«Wir sind unter tausend Verkäufen profitabel»
Cadillac Europa-Chef Wolfgang Schubert © Cadillac

Cadillac wagt einen neuen Anlauf in Europa. Im Interview mit der Autogazette zeigt Geschäftsführer Wolfgang Schubert auf, wieso die amerikanische Tochtermarke von General Motors diesmal nicht scheitern wird – und warum Cadillac exklusiver ist als Aston Martin.

Mit einer neuen Strategie versucht Cadillac erneut in Europa Fuß zu fassen. «In der Vergangenheit wurde versucht, mit Cadillac über die Volumenschiene zu fahren» , sagt Wolfgang Schubert, Geschäftsführer von Cadillac Europa der Autogazette, «wir liefern nur auf Kundenbestellung und stellen die die Höfe der Händler nicht mit Autos voll. Außerdem haben wir jetzt keine nationalen Verkaufsgesellschaften mehr. Damit sparen wir jede Menge Personal.» Weniger als 20 Mitarbeiter sowie fast 40 Händler in Europa sollen nun für einen Erfolg der GM-Tochtermarke sorgen.

Die Verschlankung von 160 auf 40 Standorte, die von Zürich und Deutschland aus begleitet werden, hat den Vorteil, dass relativ wenige Verkäufe ausreichen, um in die Gewinnzone einzufahren. «Wir sind bereits mit einem Volumen unter tausend Autos profitabel» , so Schubert, der die Rolle des Underdogs aber gerne annimmt. «Cadillac wird in Europa die Premiummarke mit höchster Exklusivität sein. Denn wir werden weniger Autos verkaufen als Aston Martin.»

Trotzdem peilt der Automanager höhere Ziele an, damit die rund 40 Händler und Mitarbeiter gut leben können und auch die GM-Konzernzentrale zufrieden ist. Auch wenn aus Detroit keine konkrete Zeitschiene für die Erreichung der Ziele vorgegeben ist, peilt Schubert für die nächsten «drei, vier Jahre zwischen 2500 und 3000 Verkäufe» an. Dabei setzt Schubert besonders auf die Stammkundschaft, die schon vor der Pleite des niederländischen Importeurs Kroymans Cadillac gefahren ist. Allerdings ist sich Schubert auch bewusst, dass das Cadillac-Image immer noch mit hohen Verbräuchen verbunden ist. «In vielen Köpfen stecken noch die 60er Jahre. Leute, die sich für Cadillac interessieren, wissen, dass dem nicht mehr so ist.»

Zugleich kündigte Schubert eine Modellzuwachs in den nächsten Jahren an: «Es gibt 3-5-7 bei BMW, 4-6-8 bei Audi oder C-E-S bei Mercedes. Wir sind bisher nur im E-Klasse oder 5er-Segment vertreten. Das heißt, wir müssen in den beiden anderen Klassen nachlegen. Und an beides wird gedacht.» Dabei schließt der Geschäftsführer aus, dass Derivate anderer GM-Marken wie früher beim BLS das Cadillac-Emblem auf den Kühlergrill bekamen, um als Cadillac verkauft zu werden. «So lange ich hier sitze, wird das nicht mehr vorkommen.»

Anderes Geschäftsmodell

Autogazette: Herr Schubert, sitzen Sie auf einem Schleudersitz?

Wolfgang Schubert: Nein, das denke ich nicht.

Autogazette: Warum nicht? Bisher ist Cadillac in Europa immer gescheitert.

Schubert: Wir haben ein etwas anderes Geschäftsmodell für Cadillac in Europa als in der Vergangenheit. In der Vergangenheit wurde versucht, mit Cadillac über die Volumenschiene zu fahren. Aufgrund ambitionierter Volumenziele hat man versucht, die Autos in den Markt hineinzudrücken. Das kann eigentlich nicht funktionieren, wenn man mit den Autos Geld verdienen will.

Autogazette: Was ist jetzt anders?

Schubert: Unser Geschäftsmodell beruht auf der Pull- und nicht auf einer Push-Strategie.

Autogazette: Was bedeutet das?

Schubert: Wir liefern nur auf Kundenbestellung und stellen die die Höfe der Händler nicht mit Autos voll. Außerdem haben wir jetzt keine nationalen Verkaufsgesellschaften mehr. Damit sparen wir jede Menge Personal. Wir steuern jetzt alles von der Zentrale in Zürich beziehungsweise einer kleinen Aussenstelle in Deutschland.

Autogazette: Wie sieht das über Europa verteilt aus?

Schubert: Wir haben im Moment 35 Händler, Unser Ziel sind rund 40 Händler. Die Kernmärkte sind Deutschland, Österreich, Schweiz, Frankreich, Italien und Schweden. Dabei liegt gegenwärtig das Hauptvolumen in Deutschland und in der Schweiz.

Dieselmotoren ausgeschlossen

Das Cadillac CTS Coupé wird den Löwenanteil der Verkäufe ausmachen Cadillac

Autogazette: Wie werden Kunden dann auf Cadillac aufmerksam, wenn sie im Grunde gar nicht wissen, dass die Marke wieder vertreten ist?

Schubert: Die Marke Cadillac an sich ist bekannt. Die meisten unserer Händler haben eine Tradition als Cadillac-Händler und einen sehr großen Kundenstamm. Natürlich werden wir auch Kommunikationsaktivitäten fahren, aber die Priorität liegt auf der Pressearbeit, die bisher sehr gut funktioniert. Zusätzlich unterstützen wir die Händler auf lokaler Ebene

Autogazette: Das kann aber nicht alles sein?

Schubert: Wir sind in einem sehr kleinen Marktsegment aktiv. Da wir keine Fahrzeuge mit Dieselmotoren anbieten, können wir eine sehr marktorientierte, konzentrierte Arbeit durchführen. Für uns hat es deshalb keinen Zweck, in auflagestarken Print- Medien oder im Fernsehen Werbung zu platzieren. Wir müssen lokal – dort, wo der Kunde ist – kommunizieren.

Autogazette: Sie sind seit Oktober 2010 auf den europäischen Markt zurückgekehrt . . .

Schubert: . . . wir haben im letzten Jahr auf dem Genfer Autosalon angekündigt, dass wir eine neue Organisation aufbauen und das Händlernetz neu aufstellen. Damals waren es 160 Händler, jetzt werden es bald 40 sein. Dazu kommen rund 120 Servicepartner in den wichtigsten europäischen Märkten.

Zwischen 2500 und 3000 Verkäufe pro Jahr

Autogazette: Gibt es von General Motors eine Zeitschiene, in der sich das neue System bewähren muss?

Schubert: Das kommt auf die Zielsetzung an. Wenn mich jemand fragt, was Cadillac in Europa darstellen soll, antworte ich, dass Cadillac in Europa die Premiummarke mit höchster Exklusivität sein wird. Denn wir werden weniger Autos verkaufen als Aston Martin.

Autogazette: Ein interessanter Ansatz. Aber ich dachte, dass der Autohandel auch darauf aus ist, Geld zu verdienen?

Schubert: Deshalb haben wir nur 40 Händler und die Volumenplanung ist derart gestaltet, dass die 40 Händler gut leben können.

Autogazette: Wie sieht die Volumenplanung aus?

Schubert: Wir haben in der Vergangenheit in guten Jahren 2500 bis 3000 Autos verkauft. Da wollen wir langfristig innerhalb der nächsten drei, vier Jahre wieder hin.

Weiterhin polarisierendes Design

Der Cadillac Escalade ist auch mit Hybridantrieb unterwegs Cadillac

Autogazette: In wie weit haben die Zahlen des letzten Jahres schon eine Aussagekraft?

Schubert: Wir haben in Europa 2010 um die 1200 Cadillacs zugelassen, davon 374 in Deutschland und davon 86 BLS, der nun nicht mehr angeboten wird. Wir konzentrieren uns nun auf die CTS-Modelle, SRX und Escalade.

Autogazette: Bisher ist der Geschäftswagenanteil mit um die 90 Prozent sehr hoch. Werden Sie ausschließlich auf Geschäftskunden fixiert sein?

Schubert: Nein. Auch ist dieser Anteil von Land zu Land unterschiedlich. Zu unseren treuen Kunden zählen viele kleine Firmen. Als wichtige Zielgruppe im Kreise der Privatkunden haben wir Personen aus den Bereichen Kultur, Mode und Sport.

Autogazette: Sind die Kunden dann besonders Amerika-affin? Denn die neuen Modelle sind kantig, aber sie ragen nicht mehr so aus der Menge heraus wie vor etwa 30 Jahren. Ist es das, was vielleicht auch den Käufern fehlt, die amerikanische Schlitten gerne fahren würden?

Schubert: Ich stehe wohl nicht allein mit der Ansicht, dass unser Design sehr stark und polarisierend ist. Wenn Sie einen Cadillac auf der Straße sehen, was aufgrund der Exklusivität nicht so oft passiert, dann fällt er sehr wohl auf. Ich sage das aus eigener täglicher Erfahrung.

Keine GM-Derivate mit Cadillac-Logo

Autogazette: Sind die Privatkunden trotzdem erst einmal zweitrangig?

Schubert: Es geht uns nicht um die Frage Geschäfts- oder Privatkunden. Es geht um die Kunden, die einen Cadillac in Betracht ziehen. Es geht um jene, die wissen, wie gut ein Mercedes, ein BMW oder ein Audi ist, aber genau das nicht haben wollen, sondern eben Exklusivität vorziehen. Selbstverständlich erwartet der Kunde, dass das Auto dazu auch technisch und qualitativ up to date ist. Das kann Cadillac bieten.

Autogazette: Kann es dann aber sein, dass die Interessenten eher einen Jaguar nehmen als einen Cadillac?

Schubert: Der Kundenentscheid fällt ja in der Regel nicht aufgrund von Werbung oder Katalogen. Der Entscheid fällt, wenn sich der Kunde ins Auto setzt und damit fährt. Gelingt es unseren Händlern, die Kunden ins Auto zu bringen, dann haben wir so gut wie gewonnen.

Autogazette: Fehlen Ihnen trotzdem noch ein paar Modelle in anderen Segmenten, um nicht nur Privatkunden zu locken? Wird es weitere Modelle in den nächsten Monaten oder Jahren geben?

Schubert: Die Antwort ist ja, wobei ich nicht konkret sagen kann, wie viele Modelle wir einführen. Es gibt 3-5-7 bei BMW, 4-6-8 bei Audi oder C-E-S bei Mercedes. Wir sind bisher nur im E-Klasse oder 5er-Segment vertreten. Das heißt, wir müssen in den beiden anderen Klassen nachlegen. Und an beides wird gedacht.

Autogazette: Schließen Sie dabei aus, dass kleinere Modelle von anderen GM-Tochterfirmen das Cadillac-Logo auf die Kühlerhaube bekommen wie früher beim BLS?

Schubert: So lange ich hier sitze, wird das nicht mehr vorkommen.

«In vielen Köpfen stecken noch die 60er Jahre»

Der Cadillac SRX wird als drittes Modell in Europa angeboten Cadillac

Autogazette: Das heißt, es gibt schon kleinere Modelle, die in der Entwicklungspipeline sind?

Schubert: Es wird ein Fahrzeug in der Größe des BLS kommen auf einer neuen exklusiven Plattform. Es wird ein sehr sportliches und sehr konkurrenzfähiges Auto werden. Der Termin der Markteinführung ist noch nicht bekannt.

Autogazette: Was ist mit einem Roadster wie den XLR?

Schubert:: Dazu möchte ich mich im Moment noch nicht äußern.

Autogazette: Wie schaut es mit der Effizienz der Motoren aus? Die deutschen Premium-Hersteller senken die Verbräuche. Ist trotz der leistungsstarken Motoren die Verbrauchsenkung das A und O, das ein längeres Überleben Cadillacs in Europa gewährleistet?

Schubert: Es wird nicht das A und O sein, aber viel wichtiger als in der Vergangenheit. Die Amerikaner haben mittlerweile auch sehr hohe CO2-Standards. Wir werden in Zukunft sehr viel effizientere Fahrzeuge aus Amerika bekommen.

Autogazette: Trotzdem hat Cadillac in Europa noch dieses Schlucker-Image . . .

Schubert: . . . in vielen Köpfen stecken noch die 60er Jahre. Leute, die sich für Cadillac interessieren, wissen, dass dem nicht mehr so ist. Gemessen an der Performance müssen sich unsere Autos auch verbrauchsmäßig nicht vor der Konkurrenz verstecken.

«Mit einem Volumen unter tausend Autos profitabel»

Autogazette: Sie werden dieses Image per Werbung also nicht revidieren?

Schubert: Wir können die derzeitigen Werte nicht verbergen und wollen das auch nicht. Aber die Positionierung der Marke ist ganz klar Exklusivität, Leistung und Luxus. Deshalb sind unsere Fahrzeuge auch – im Vergleich zu deutschen Premium-Modellen – serienmässig vollständig ausgerüstet. . . Das bedeutet beispielsweise beim Crossover SRX eine bessere Ausstattung im Wert von über 20.000 Euro.

Autogazette: Was muss für Sie eintreten, dass Sie sagen können: Das war ein gutes Jahr?

Schubert: Dass wir die Organisation stabil halten, dass wir die Händler zufrieden stellen können ebenso wie die Kunden.

Autogazette: Egal, wie viele Kunden es sind?

Schubert: Wir sind bereits mit einem Volumen unter tausend Autos profitabel.

Autogazette: Also alles was darüber ist, ist ein Sahnehäubchen?

Schubert: Im Prinzip ja. Wenn Sie eine vergleichbare Organisation aufbauen, inklusive Länderniederlassungen, dann liegen Sie in der Regel bei 150 Mitarbeitern. Wir betreiben unser Geschäft in 15 Ländern mit verschiedenen Sprachen und insgesamt weniger als 20 Mitarbeitern.

Das Interview mit Wolfgang Schubert führte Thomas Flehmer

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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