BMW 650i Cabrio: Der Sonne entfliehen

Anleihen beim Schiffbau

BMW 650i Cabrio: Der Sonne entfliehen
Das Heck des BMW 650i Cabrio ist besonders gut gelungen © BMW

Das BMW 6er Cabrio hat im Vergleich zum Vorgänger im Design einen großen Schritt in Richtung dynamische Eleganz getan. Vollgestopft mit technischen Finessen wird das Fahren zum Hochgenuss, für die meisten leider unerreichbar.

Von Thomas Flehmer

Einen Eindruck von dem kommenden Sommer kann man sich derzeit nur auf der südlichen Halbkugel verschaffen. Im Gegensatz zur nördlichen Hälfte steht die Sonne dort – südlich des südlichen Wendekreises - im Norden am höchsten. Ideale Voraussetzungen für BMW, das neue 6er Cabrio zu präsentieren. In der Umgebung von Kapstadt spielt der offene Viersitzer seine Stärken ohne jede Übertreibung aus.

Anleihen beim Schiffsbau

Großartig angeben braucht das neue Cabrio auch nicht – die Kraft und Dynamik verbunden mit Eleganz und Komfort ist dem offenen Münchner vom ersten Augenblick anzusehen. Im Vergleich zum Vorgänger ist besonders die Heckpartie deutlich attraktiver gestaltet worden. Wo vorher – nett ausgedrückt - ein breiter Abschluss die nachfahrenden Fahrzeuge und deren Fahrer nicht unbedingt in Verzückung versetzte, hat die Kofferraumzone eher einen Waschbrettbauch erhalten.

Angeregt vom Schiffsbau haben die Designer das offene Flaggschiff des Unternehmens auch die Seitenlinien fließend gezeichnet, sodass der 650i quasi als Speedboot für den Asphalt angesehen werden kann. Verbunden mit einem langen Radstand und der traditionell langen Motorhaube, deren Aggregat erst hinter der Vorderachse verbaut wurde, kann sich der Betrachter schon vorstellen, dass mindestens 1,8 Tonnen recht sportlich und/oder komfortabel bewegt werden können – egal, ob das elektrisch betriebene Stoffverdeck geschlossen oder geöffnet ist.

Freistehender Flachbildschirm

DAs BMW 6er Cabrio verfügt über einen sportlich-eleganten Inneraum BMW

Die Kombination aus Dynamik und Eleganz setzt sich auch im Innenraum fort. Auch hier sind die Gemeinsamkeiten zum Arbeitsplatz eines Skippers nicht weit entfernt. Serienmäßige Ledersitze und Echtholzverkleidung sorgen ebenso für maritime Atmosphäre wie die Instrumententafel, der eigentlich nur noch ein konformer Kompass fehlt, der die Richtung anzeigen soll.

Der freistehende Flachbildschirm, der die Daten des Navigationssystems und der Unterhaltung zum Vorschein bringt, überstrahlt dabei die anderen Instrumente, die aber auch schon von den anderen BMW-Baureihen bekannt sind. Optimiert wurde das immerhin 1390 Euro teure Headup-Display, das nun auch vielfarbig die Frontscheibe bestrahlt und dem Fahrer bequem den Weg weist und auch recht schnell a- und reagiert.

Beeindruckendes Fahrwerk

Auch in Kurven zeigt sich das BMW 6er Cabrio voll auf der Höhe BMW

Denn Schnelligkeit ist von Nöten, um die Wohlfühlatmosphäre des Innenraums nicht zu stören. Denn der 300 kW/407 PS starke Achtzylinder-Benziner lockt immer wieder dazu, das Gaspedal zwischenzeitlich herunterzudrücken, um den Speed des mit Insassen bestückten Zweitonners zu genießen. Das Gewicht wird dabei kaum wahrgenommen, sondern nur die Geschwindigkeit genossen. 600 Newtonmeter maximales Drehmoment, die zwischen 1750 und 4500 Umdrehungen pro Minute anliegen, sorgen für kontinuierliche Lachfältchen auf dem Gesicht, das unter offenen Bedingungen ebenso kontinuierlich in einen Braunton wechselt.

Doch nicht nur die Sprintbewegungen – innerhalb von fünf Sekunden sind die 100 km/h erreicht, bei 250 km/h greift die Elektronik ein – sind beeindruckend. Die elektromechanische Servolenkung agiert äußerst direkt, das Fahrwerk passt sich dem Fahrstil des Chauffeurs an, die Achtgang-Sport-Automatik agiert fast durchzugskraftfrei, wobei der spürbare Gangwechsel die sportlich-ambitionierten Fahrer wohl eher erfreut.

Kein aufdringlicher Motorsound

Das Headup-Display der BMW 650i Cabrio erscheint vielfarbig BMW

Doch nicht nur auf der Autobahn, sondern auch die Kurven der Landstraße stellen für das 4,89 Meter lange Asphalt-Schiff keine Hürden da, vor allem nicht im Sport +-Modus des 3970 Euro teuren Adaptive Drive, der die Dämpferanpassungen nochmals optimiert. Die angegebenen 10,7 Liter Superplus sind dann eh nicht zu erreichen.

Aber auch zum Cruisen eignet sich der Achtzylinder, der dann gutmütig und auch akustisch gedämpft seine Kurbelwellen arbeiten lässt. Denn ebenso wie der Auftritt nicht zur Übertreibung neigt, kündigt sich der Motorsound erst in höheren Geschwindigkeitsbereichen an. Ist das so genannte Finnenverdeck dann auch noch geschlossen, ist das Aggregat kaum hörbar. Dann allerdings ist die Übersicht noch stärker eingeschränkt. Nicht gerade zum Genuss trägt die breite Motorhaube bei. Gerade in engen Straßen besteht die Gefahr, den Felgen des 1,89 Meter breiten Cabrios die ein oder andere Macke zu verpassen.

Start bei 83.300 Euro

Das Verdeck des BMW 650i Cabrio öffnet in 19 Sekunden BMW

Doch mehr Genuss haben die Insassen, wenn sie bis zu einer Geschwindigkeit von 40 km/h die 19 Sekunden abwarten, bis die Stoffmütze sich hinter den beiden Rücksitzen zusammengefaltet hat. Allerdings kommt nur eine kleine Gruppe wirklich dazu, den Genuss auszuprobieren.

Während der Sechszylinder mit 235 kW/320 PS bei 83.300 Euro startet, beginnen die Preise für den 650i erst bei 94.300 Euro – und die Aufpreisliste für weiteren Komfort und Sicherheit sorgt dafür, dass gut und gerne noch einmal 20.000 Euro hinzukommen, ehe man innerhalb von 24 Sekunden das Verdeck wieder schließen kann. Denn irgendwann brennt die Sonne zu sehr und entfliehen kann selbst das Cabrio nicht den Sonnenstrahlen – egal, ob die Sonne im Norden oder im Süden steht.

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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