Neuer Anlauf: Brennstoffzelle à la BMW

Röhrentank statt Kardanwelle

Neuer Anlauf: Brennstoffzelle à la BMW
Der BMW 5er GT Hydrogen Fuel Cell verfügt über eine Reichweite über 500 Kilometer. © BMW

Knapp zehn Jahre nach dem letzten öffentlichen Auftritt ist BMW wieder im Brennstoffzellenzeitalter angekommen. Autogazette.de konnte schon mal in einem 5er GT mit Wasserstoff unterwegs sein.

Von Axel F. Busse

Als Spätaufsteher in Sachen Brennstoffzellen-Technik möchte BMW nicht gesehen werden. Schon gar nicht, seit der Konzern mit Toyota kooperiert, die im vergangenen Winter ihr Serienfahrzeug Mirai vorstellten. Der Fuel-Cell-Bayer fährt schon wie ein Serienauto, wie autogazette.de jetzt selbst testen konnte.

Erste Eindrücke der BMW-Versuchsfahrzeuge

„Wir erforschen und bauen seit mehr als 30 Jahren Antriebstechnik auf Wasserstoffbasis“, sagt Entwicklungschef Klaus Fröhlich selbstbewusst zu der kleinen Journalistenschar, „wer jetzt behauptet, wir sind bei der Brennstoffzelle ganz spät aufgestanden, ist auf dem Holzweg“. Auf dem firmeneigenen Testgelände in Miramas (Südfrankreich) sollen die Vertreter der Öffentlichkeit erfahren, was bislang dabei heraus gekommen ist, seit der deutsche und der japanische Autobauer beschlossen, „ihr Wissen zusammen zu schmeißen“ (Fröhlich). Die weißen 5er-GT-Modelle vor der Halle sehen vergleichsweise harmlos aus, auch wenn es sich um hochkomplexe Versuchsfahrzeuge handelt. Sie sollen einen Eindruck davon vermitteln, wie BMW sich die Integration eines Brennstoffzellen-Antriebs in ein bestehendes Fahrzeugkonzept vorstellt.

Als Toyota auf der Los Angeles Auto Show 2014 seine Limousine Mirai vorstellte, ließen sich einige deutsche Hersteller zu hektischer Betriebsamkeit verleiten. Rund um das Ausstellungsgelände waren Volkswagen- und Audi-Prototypen mit Brennstoffzellen-Antrieb unterwegs, die Kompetenz auf dem Feld dieser Zukunftstechnik demonstrieren sollten. Etwa zur gleichen Zeit, aber ohne öffentlichkeitswirksame Zurschaustellung, nahmen Fuel-Cell-Autos („FC“) von BMW die ersten Kilometer unter die Räder.

Brennstoffzelle von Toyota

Der BMW 5er GT Hydrogen Fuel Cell verfügt über eine Reichweite über 500 Kilometer.
BMW profitiert von Kooperation mit Toyota BMW

Von der Verbrennung eines in flüssiger Form mitgeführten Wasserstoff-Vorrats, wie es 2006 das Modell Hydrogen 7 in die Praxis brachte, hat sich BMW inzwischen verabschiedet. Stattdessen dient das energiereiche Gas jetzt zur Umwandlung in Wasser und Strom. Letzterer wird in einem BMW-Elektromotor zu Antriebskraft verarbeitet. Während die Brennstoffzelle aus dem Toyota-Regal stammt, entwickelten die Bayern Tank- und Antriebssystem. Der besondere Charme des FC-Betriebs liegt darin, dass elektrische, also emissionsfreie Fortbewegung mit handelsüblichen Reichweiten und Betankungszeiten kombinierbar ist.

Der Behälter, der in der Präsentationshalle aufgebaut ist, erinnert entfernt an einen Lenkflugkörper. Dass er in einem 5er-GT Platz hat, ist zunächst schwer vorstellbar. Tatsächlich aber ist er im Mitteltunnel eingepasst, dort, wo sich sonst Getriebe und Kardanwelle breit machen. Die Energieerzeugung findet unter der Fronthaube statt, der Verbrauch an der Hinterachse. Dort sitzt der E-Motor, der den von der FC gelieferten Strom in 180 kW / 245 PS Leistung umsetzt.

BMW 5er GT Fuel Cell in 8,4 Sekunden auf 100

Zum Gewicht des Versuchsträgers äußert man sich bei BMW nicht, es ist jedoch unwahrscheinlich, dass es nennenswert unter zwei Tonnen liegt. Dafür geht in dem FC-5er ganz schön die Post ab, und zwar unter dem erwarteten Elektro-Pfeifen mit einem leicht schmirgelnden Unterton. Der Tritt aufs Fahrpedal setzt einen markenkonformen Schub frei, nach Angaben eines Sprechers liegt das Beschleunigungsvermögen bei 8,4 Sekunden von Null auf hundert.

Brems- und Einlenkverhalten sind in den zahlreichen Test-Geraden und –kurven von der Güte einer komfortablen Premium-Limousine. Außer den vom Standard-Display abweichenden Rundinstrumenten erinnert eigentlich nur der gelb-rote Notabschaltknopf rechts vom Getriebehebel daran, dass es sich hier nicht um ein Serienfahrzeug handelt.

BMW 5er GT Fuel Cell fasst 7,1 Kilo Gas

Der BMW 5er GT Hydrogen Fuel Cell verfügt über eine Reichweite über 500 Kilometer.
In fünf Minuten ist der Tank des BMW voll BMW

So überraschungsarm das Fahrerlebnis ist, so innovativ ist das Vorratssystem für den Wasserstoff, das sich die BMW-Entwickler haben einfallen lassen. Die Tankrakete ist eine doppelwandige Röhre, in der ein Vakuum für die nötige Temperatur-Isolierung sorgt. Wasserstoff wird unter hohem Druck gelagert, derzeit sind 700 bar Standard. Auf diesen Druck ist der Fahrzeugtank ausgelegt, dann gehen 3,5 Kilo H2 hinein. Allerdings kann das Gas in einem von BMW entwickelten Verfahren auch mit einer Temperatur von unter -200 Grad Celsius eingefüllt werden, dann reicht ein Druck von 350 bar. In diesem Fall würden 7,1 Kilogramm Gas mitgeführt, ausreichend für mehr als 500 Kilometer Reichweite.

Als Faustregel gilt, dass ein Kilogramm des Gases für etwa 100 Kilometer reicht, Toyota gibt für seinen Mirai einen offiziellen Verbrauchswert von 0,76 kg/100 km an. Der Tankvorgang selbst ist nicht komplizierter als zum Beispiel an der Erdgas-Zapfsäule. Das Ventil des etwa armdicken Schlauches rastet fast von selbst am Füllstutzen ein, der an der üblichen Stelle am rechten hinteren Kotflügel sitzt. Während das Nachladen eines Elektroautos bekanntlich zur Geduldsprobe werden kann, ist der Röhrenbehälter im Kardantunnel nach gut fünf Minuten wieder prall gefüllt.

Neue Werkstoffe und Fertigungstechniken haben laut BMW auch ein Problem behoben, mit dem die Nutzer des Hydrogen 7 noch haderten. Dort hatte sich, wenn der 7er längere Zeit unbenutzt abgestellt war, der Tankinhalt im Wortsinne verflüchtigt. Schleichendes Entweichen des Wasserstoffs soll es bei dem neuen Tanksystem nicht mehr geben. Eine Herausforderung bleibt den Fahrern dennoch: Die Suche nach einer Tankstelle. Derzeit gibt es in Deutschland kaum mehr als zehn öffentliche Zapfanlagen.

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Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

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