«Was wir ankündigen, setzen wir auch um»

Audi-Entwicklungsvorstand Peter Mertens

«Was wir ankündigen, setzen wir auch um»
Entwicklungsvorstand Peter Mertens mit dem Showcar Elaine. © Audi

Audi kann seinen Kunden bisher kein Elektroauto anbieten. Entwicklungsvorstand Peter Mertens findet das unproblematisch, wie er der Autogazette sagte.

Die VW-Tochter Audi steht ungeachtet der Diskussion um Fahrverbote zum Diesel. «Wir glauben an den Diesel. Es macht überhaupt keinen Sinn, ihn totzuschreiben. Er hat eine zehnprozentig höhere Energie-Effizienz, 20 Prozent weniger CO2-Emissionen. Das ist ein Wort – und das können wir nicht so einfach über Bord werfen», sagte Entwicklungsvorstand Peter Mertens im Interview mit der Autogazette.

NOx-Reduktion von 25 Prozent erwartet

Wie der Manager hinzufügte, brauche man den Selbstzünder für die Erreichung der der CO2-Grenzwerte von 95 g/km bis 2021. Mertens äußerte sich ungeachtet der Berechnungen des Umweltbundesamtes zuversichtlich, dass Fahrverbote durch die beim Dieselgipfel getroffenen Ergebnisse wie dem Software-Update verhindert werden können. «Wir gehen von einer NOx-Reduktion von 25 Prozent aus.» Der von Politik und Umweltverbänden geforderten Nachrüstlösung erteilte Mertens eine Absage. «Eine Nachrüstlösung ist nicht umsetzbar», sagte Mertens. Dafür sei ein signifikanter Eingriff ins Fahrzeug notwendig.

«Es herrscht bei Audi Aufbruchstimmung»

Autogazette: Herr Mertens, hatten Sie in Ihrer bisherigen beruflichen Karriere jemals einen so unruhigen Start wie bei Ihrem Wechsel zu Audi?

Peter Mertens: Ich hatte überhaupt keinen unruhigen Start. Ich hoffe, dass das auch meine Kollegen und mein Chef so sehen. Ich denke, dass ich einen guten Start hatte.

Autogazette: Dass Sie die Diskussion um den Dieselskandal in Ihrem neuen Job begleitet, wussten Sie. Dass Sie indes gleich vier Ihrer Vorstandskollegen verlieren, dürfte auch Sie überrascht haben.

Mertens: Natürlich gab es in der Zwischenzeit Personalentscheidungen, die auch mich überrascht haben. In der Folge dieser Personalien gehöre ich nun zu den dienstältesten Vorständen. Zu dem Zeitpunkt, als ich die Entscheidung zum Wechsel getroffen habe, war das noch nicht abzusehen. Ich kann Ihnen aber sagen, dass wir auf der IAA ein großartiges Feedback erhalten, es herrscht bei Audi Aufbruchstimmung.

«Wir werden mit diesem Fahrzeug Benchmark setzen»

Langversion des A8, dem Flaggschiff von Audi Audi

Autogazette: Erst verkündete VW-Chef Matthias Müller eine große Elektrooffensive, kurz darauf Daimler. Herrscht in der Branche wirklich Aufbruchstimmung oder versucht man sich gegenseitig mit Ankündigungen zu übertreffen? Serienreife Modelle sind ja Mangelware.

Mertens: Ich kann nur für uns reden: Was wir ankündigen, setzen wir auch um. Das heißt, dass wir ein Drittel unserer Fahrzeuge bis 2025 elektrifiziert haben werden, also entweder rein elektrisch oder mit einem Plug-in-Hybrid. 2018 bringen wir das erste batterieelektrische Fahrzeuge, 2019 das nächste und 2020 das dritte.

Autogazette: Das erste reine E-Auto von Audi, der e-tron Quattro, wird ein SUV sein. Können Sie mir sagen, welche Sinnhaftigkeit dahinter steckt, ein SUV zu bringen und nicht einen A3?

Mertens: Wir werden der erste Hersteller mit einem batterie-elektrischen SUV dieser Größe im SUV-Segment sein. Wir sind sehr überzeugt, dass wir auch entsprechend große Stückzahlen absetzen werden. Wir werden mit diesem Fahrzeug einen Benchmark setzen.

«Wir glauben an den Diesel»

Autogazette: Sind Sie eigentlich froh darüber, dass Audi aufgrund der geringen Nachfrage bisher kein reines E-Auto im Angebot hat oder sind Sie peinlich berührt, dass eine Marke mit dem Claim „Vorsprung durch Technik“ seinen Kunden so etwas nicht bieten kann?

Mertens: Ich bin überhaupt nicht peinlich berührt. Das ist clever gemacht, auch wenn ich daran nicht beteiligt war. Es ist sinnvoll, ein batterie-elektrisches Auto dann zu bringen, wenn der Markt beginnt sich zu entwickeln – und damit meine ich auch die Ladeinfrastruktur.

Autogazette: Sie haben bereits mehrfach gesagt, dass Sie an den Diesel glauben. Hätten Sie das auch gesagt, wenn Sie noch bei Volvo arbeiten würden?

Mertens: Ja, das habe ich auch zu Volvo-Zeiten genauso gesagt. Wir glauben an den Diesel. Es macht überhaupt keinen Sinn, ihn totzuschreiben. Er hat eine zehnprozentig höhere Energie-Effizienz, 20 Prozent weniger CO2-Emissionen. Das ist ein Wort – und das können wir nicht so einfach über Bord werfen. Wir tun alles Erdenkliche, den CO2-Grenzwert von 95 g/km, für uns als Premiumhersteller etwas mehr, zu erreichen. Dazu brauchen wir den Diesel.

«Wir gehen von NOx-Reduktion von 25 Prozent aus»

Autogazette: Mit einem Software-Update für ältere Diesel versucht die Branche Fahrverbote abzuwenden. Berechnungen des Umweltbundesamtes zeigen indes, dass die beim Dieselgipfel getroffenen Maßnahmen nur zu einer Reduktion der Stickoxide von sechs Prozent beitragen. Fahrverbote werden also kommen...

Mertens: ...das sehen wir überhaupt nicht so. Auch sind unsere Zahlen andere. Wir gehen von einer NOx-Reduktion von 25 Prozent aus.

Autogazette: Das sind die Zahlen des VDA, die aber offensichtlich nicht hinhauen...

Mertens: ...bei uns hauen die hin – und das ist auch realistisch. Zugleich gibt es keine Alternative zu einem Software-Update. Eine Nachrüstlösung ist nicht umsetzbar. Natürlich kann man populistisch eine Nachrüstlösung fordern. Doch dafür ist ein signifikanter Eingriff ins Fahrzeug notwendig. Zugleich gibt es Fahrzeuge, die dafür überhaupt keinen Package-Raum haben. Zudem müssten die Fahrzeuge neu homologiert werden. Sie hätten auch einen höheren Verbrauch. Um eine Nachrüstlösung umzusetzen, bräuchte es einer jahrelangen Vorbereitungszeit.

Autogazette: Für die Kaufprämie liegen beim zuständigen Bundesamt gerade etwas mehr als 30.000 Anträge vor. Überrascht es Sie, dass dieses Anreizsystem nicht verfängt?

Mertens: Das ist natürlich eine ernüchternde Zahl. Der Kundenwunsch geht derzeit noch nicht Richtung E-Mobilität. Doch das ändert sich gerade. Unsere Erwartungen sind deutlich besser, als wie es diese Zahlen repräsentieren.

Autogazette: Ab wann sehen Sie einen Batteriepreis, der dazu führt, dass der Preis eines E-Autos deutlich sinkt?

Mertens: Wenn Sie als Rechenbeispiel ein batterie-elektrisches Fahrzeug mit 100 kWh nehmen und beispielsweise 100 Euro pro kWh veranschlagen, dann wären Sie bei Mehrkosten von 10.000 Euro – und da kommt noch der Elektromotor hinzu. Wenn Sie dann noch ein paar Features wie das Getriebe abziehen, kommen sie auf Mehrkosten von 8000 bis 10.000 Euro an. Die ist der Kunde heute nicht bereit zu zahlen.

«Wir machen überhaupt kein Tamtam»

Der Aicon bei der Präsentation auf der IAA Audi

Autogazette: Sie haben auf der IAA ein großes Tamtam um den Aicon gemacht, ein autonom fahrendes Auto der Stufe 5. Doch dieses Auto ist doch nur Zukunftsmusik. Ein Level-5-Fahrzeuge erleben wir doch frühestes 2040/2050.

Mertens: Wir machen überhaupt kein Tamtam. Wir haben ein wunderschönes Auto präsentiert. Wir haben angefangen mit dem Audi A8, dem weltweit ersten Auto, das für Level 3 entwickelt worden ist und das in Serie gegangen ist. Es ist Benchmark im Segment. Nächster Schritt ist Elaine mit Level 4. In abgesperrten Bereichen kann ich mich komplett ausklinken, mich hinlegen, schlafen. Das Fahren auf Level 4 sehen wir von jetzt an in wahrscheinlich fünf Jahren. Beim nächsten Schritt reden wir von einem Zeitraum von zehn Jahren plus x.

Autogazette: Wie lange wird es dauern, bis Audi wieder seinem Markenclaim „Vorsprung durch Technik“ gerecht wird?

Mertens: Wir haben fantastische Verkaufszahlen, wir haben in China wieder Zuwächse und sind in Deutschland und in Europa auf Wachstumskurs. Wir werden sicherlich im Bereich „Vorsprung durch Technik“ nachschärfen müssen – und das tun wir, wie man auch auf der IAA sieht. Wir werden das Thema automatisiertes Fahren, die Elektromobilität und die Konnektivität weiter nach vorne bringen. Wir werden aber auch an neuen Geschäftsmodellen arbeiten. Wir werden den Claim „Vorsprung durch Technik“ wieder aufladen. Daran arbeite ich mit meinem Team Tag und Nacht.

Das Interview mit Peter Mertens führte Frank Mertens

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