«Werden CO2-Emission massiv reduzieren»

Interview Daimler-Chef Dieter Zetsche

«Werden CO2-Emission massiv reduzieren»
Dieter Zetsche © Foto: dpa

Dieter Zetsche fordert für Europa eine harmonisierte CO2-Gesetzgebung. Im Interview mit der Autogazette spricht der Daimler-Chef zudem über Anreizsysteme beim Kauf klimafreundlicher Autos und die jüngsten Vorschläge aus Brüssel.

Daimler-Chef Dieter Zetsche spricht sich beim Kauf von Fahrzeugen mit alternativen Antrieben für Anreizsysteme seitens des Staates aus. «Die Autos in Deutschland haben ein Durchschnittsalter von acht Jahren. Diese Autos haben Emissions-Werte, die völlig jenseits dessen liegen, was wir heute erreichen. Insofern sind Anreizsysteme nur zu begrüßen, weil sie dazu beitragen würden, die Flotte auf unseren Straßen zu erneuern und damit den Verbrauch massiv zu senken», sagte Zetsche im Interview mit der Autogazette.

Ablehnung für Vorschlag des Umweltausschusses

Mit Ablehnung reagierte Zetsche auf den jüngsten Vorschlag des Umweltausschusses des Europaparlaments, der ab 2012 einen CO2-Grenzwert von 120 Gramm pro Kilometer vorsieht. «Die Umweltminister von Frankreich, Deutschland und Italien haben sich bereits sehr kritisch zur Arbeit des Umweltausschusses geäußert», sagte Zetsche.

«Haben deutliche Verschiebungen gesehen»

Autogazette: Herr Zetsche, sind Sie in diesem Jahr noch gern zum Autosalon in Paris gekommen?

Dieter Zetsche: Selbstverständlich! Ich bin Automann und freue mich immer, wenn wir der Öffentlichkeit neue Autos wie unser Mercedes Concept-Car Faszination vorstellen können. Für mich eines der schönsten Autos der gesamten Messe.

Autogazette: Sind Sie denn nicht über die Strafzahlungen von 200 bis 2600 Euro verärgert, die die französische Regierung seit Anfang des Jahres für Fahrzeuge verlangt, die mehr als 160 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen?

Zetsche: Sie sprechen das Bonus-Malus-System an...

Autogazette: ...genau, erfreuen kann Sie das doch nicht?

Zetsche: Wir haben deutliche Verschiebungen auf dem französischen Markt gesehen. Sie haben alle Hersteller betroffen - auch die Franzosen. Da wir ein flexibler Hersteller sind, haben wir jedoch bis September 2008 mehr Fahrzeuge verkauft als im Vorjahreszeitraum. Damit haben wir gezeigt, dass unsere Autos auch unter schwierigen Rahmenbedingungen erfolgreich sein können.

«Müssen Emissionen rapide reduzieren»


Autogazette: Dennoch mussten Sie im SUV-Segment Absatzrückgänge verzeichnen.

Zetsche: Wir sind uns mit der gesamten Industrie einig, dass wir die CO2-Emissionen weiter rapide reduzieren müssen. Wir arbeiten daran mit großer Intensität und großem Aufwand. Wir wünschen uns aber eine harmonisierte Vorgehensweise in Europa, damit wir nicht für das eine Land auf Basis des Gewichtes und für das andere auf Basis des Hubraums versuchen müssen, uns anzupassen. Das ist ineffizient und kostet in Summe zu viel Geld.

Autogazette: So wie Frankreich Dreckschleudern bestraft, werden saubere Kleinwagen mit einer Prämie belohnt. Unter klimapolitischen Gesichtspunkten ist das doch eine Ideallösung.

Zetsche: Wir müssen dafür sorgen, dass wir über die Setzung von Rahmenbedingungen zu einer weiteren Reduzierung der CO2-Emissionen kommen. Ich glaube nicht, dass wir mit absoluten Grenzwerten den unterschiedlichen Mobilitätsbedürfnissen gerecht werden. Die Kunden wollen weiter ein vielfältiges Angebot und dazu werden wir in allen Angebotssegmenten weiter massiv die CO2-Emission reduzieren. Doch das wird mit dem Bonus-Malus-System nicht erreicht.

Autogazette: Der Umweltausschuss des EU-Parlaments hat sich für einen C02-Grenzwert von 120 Gramm für Neuwagen bis 2012 ausgesprochen. Können Sie als Premiumhersteller diesen Wert erreichen?

Zetsche: Die Umweltminister von Frankreich, Deutschland und Italien haben sich bereits sehr kritisch zur Arbeit des Umweltausschusses geäußert.

«Ein sehr ambitionierter Plan»

Auftakt des E-Mobilty-Projektes in Berlin Foto: dpa

Autogazette: Nach einem Kompromissvorschlag der EU-Ratspräsidentschaft sollen im Jahr 2012 60 Prozent aller Neuwagen 120 Gramm erreichen, ab dem Jahr 2015 dann alle Fahrzeuge. Ist das ein Ansatz, mit dem Sie leben können?

Zetsche: In Summe ist das nach wie vor ein sehr ambitionierter Plan. Er enthält jedoch Elemente, die absolut sinnvoll sind. Wir müssen jetzt sehen, dass wir zu einem Ergebnis kommen, das von allen Beteiligten getragen werden kann.

Autogazette: Als Sie kürzlich in Berlin mit RWE das Elektro-Autoprojekt «e-mobilty» vorgestellt haben, gab es Kritik von Greenpeace. Auf einem Plakat stand: «Smart und Kohlestrom von RWE = Klimaschwein». Haben Sie sich den falschen Partner ausgesucht?

Zetsche: Ich glaube, dass wir in unserer Gesellschaft nicht gut beraten sind, wenn wir bei der Suche nach neuen Lösungen immer das Haar in der Suppe suchen. Es gibt in der realen Welt keine Schritte, die nur positiv sind. Wenn wir uns immer nur auf die negativen Aspekte fokussieren, werden wir keinen Fortschritt erleben. Bei E-Mobility Berlin stimmt der Strom-Mix und auch deshalb ist es eines der weltweit führenden Projekte für lokal emissionsfreies Fahren.

«Thema Atomstrom weiter diskutieren»

Autogazette: Teilen Sie die Auffassung von VDA-Präsident Wissmann, dass für die Stromerzeugung alle Energieoptionen in Betracht gezogen werden müssen, also auch Atomenergie?

Zetsche: Die Energiediskussion sollte sachlich und nicht ideologisch geführt werden. Natürlich müssen wir mit aller Kraft versuchen, den Anteil regenerativer Energien zu steigern. Doch wir müssen auch die Grenzen dieser Bemühungen sehen.

Autogazette: Ohne Atomstrom geht es also nicht?

Zetsche: Es ist notwendig, dieses Thema weiter zu diskutieren.

Autogazette: Toyota war Vorreiter beim Hybrid, BMW glänzt mit seinen verbrauchsgünstigen Efficient Dynamics-Modellen. Warum fahren Sie beim Umweltschutz hinterher?

Zetsche: Das ist keineswegs der Fall. Wir sind mit BlueTec absolut führend. Wir sind das erste Unternehmen, das eine Lithium-Ionen-Batterie in die Fahrzeugproduktion einbringen wird. So werden wir im nächsten Jahr den S400 BlueHybrid auf den Markt bringen. Zudem haben wir 100 Elektro-Smarts in London im Betrieb, demnächst auch in Berlin. Wir sind auch bei der Brennstoffzelle weiter als andere Hersteller. Wir brauchen uns also nicht zu verstecken.

«Preis für S400 noch nicht fixiert»

Der S400 BlueHybrid Foto: Mercedes

Autogazette: Sie sprechen den S400 BlueHybrid an. Wie teuer wird er denn sein?

Zetsche: Der Preis ist noch nicht endgültig fixiert. Wir werden jedoch eine vernünftige Balance suchen zwischen den recht hohen Aufwendungen für ein technologisch führendes Fahrzeug und dem Wunsch, dass es ein marktfähiges und attraktives Angebot wird.

Autogazette: Die Menschen haben immer weniger Geld in der Tasche. Glauben Sie an die Bereitschaft, mehr Geld für ein Fahrzeug mit alternativen Antrieben auszugeben?

Zetsche: Eine vernünftige Kalkulation basiert darauf, was man beim Betrieb eines solchen Fahrzeuges einsparen kann. Natürlich gibt es auch gerade bei unserer Kundschaft Personen, die sich ein solches Fahrzeug zulegen, um zu demonstrieren, dass sie Spitzentechnologie wertschätzen.

«Anreizsysteme sind zu begrüßen»


Autogazette: Braucht es Anreizsysteme des Staates für die Anschaffung eines klimafreundlichen Autos?

Zetsche: Die Autos in Deutschland haben ein Durchschnittsalter von acht Jahren. Diese Autos haben Emissions-Werte, die völlig jenseits dessen liegen, was wir heute erreichen. Insofern sind Anreizsysteme nur zu begrüßen, weil sie dazu beitragen würden, die Flotte auf unseren Straßen zu erneuern und damit den Verbrauch massiv zu senken.

Autogazette: Sie haben angekündigt, dass bis 2015 jeder fünfte Mercedes ein Hybrid-Modell sein soll. Macht das Sinn? Schließlich will sich die Autoindustrie unabhängig vom Öl machen.

Zetsche: Wir nutzen heute alle Hebel, um den Verbrauch in allen Fahrzeugklassen zu reduzieren. Das kann über die Start-Stopp-Funktion, aber auch über die Hybridisierung bis hin zum emissionsfreien Fahren erfolgen. Auch wenn wir beginnen, nun emissionsfreie Fahrzeuge im Angebot zu haben, wird es lange Zeit noch Verbrennungsmotoren und auch Hybridfahrzeuge geben. Wir können nicht sofort auf Elektroautos umstellen und drei Entwicklungsstufen auslassen.

Autogazette: Sie hatten im Juni die Gewinnprognose für 2008 senken müssen, nachdem es im zweiten Quartal Gewinnrückgänge gab. Was bedeutet die weltweite Finanzkrise für das Restjahr?

Zetsche: Wir hatten ein exzellentes erstes Halbjahr. Wir hatten bei der Verkündung des sehr guten zweiten Quartals kund getan, dass wir für das Gesamtjahr eine kritischere Perspektive haben als wir es vorher angenommen haben. Wir sind jetzt dabei, die Verkäufe des dritten Quartals zusammen zu tragen, die Finanzen des dritten Quartals zu bestimmen, um dann einen Ausblick auf das Restjahr zu geben.

Das Interview mit Dieter Zetsche führte Frank Mertens

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