Fünf Mineralölkonzerne bestimmen Benzinpreis

Kartellamt spricht von Oligopol

Fünf Mineralölkonzerne bestimmen Benzinpreis
Die Verbrauchsangaben der Hersteller haben nichts mit der Realität zu tun. © dpa

Der Benzinpreis in Deutschland wird von fünf großen Tankstellenkwetten diktiert. Das Bundeskartellamt spricht von einem Oligopol. Erhöhen beispielsweise Marktführer wie Aral/BP oder Shell die Preise, ziehen andere nach.

Fünf große Tankstellenketten diktieren Deutschlands Autofahrern die Benzinpreise: Nach Einschätzung des Bundeskartellamts haben es die Verbraucher im Tankstellengeschäft mit einem marktbeherrschenden Oligopol zu tun. Berichte der "Bild am Sonntag" und des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" über eine entsprechende Untersuchung bestätigte Kartellamtssprecher Kay Weidner am Sonntag weitgehend. Demnach enthüllt die Untersuchung "Marktstrukturen, die dem Wettbewerb abträglich sind".

Oligopol bedeutet, dass die fünf großen Konzerne Aral/BP, Shell, Jet, Esso und Total den Markt mit einem Gesamtanteil von rund 70 Prozent beherrschen. "Wir haben schon seit längerem die Arbeitshypothese eines Oligopols", sagte Weidner der Nachrichtenagentur dpa. Die Ergebnisse der Untersuchung der Wettbewerbshüter unterstrichen, "dass es sich um ein solches handelt".

Beobachtungs- und Meldesystem der Konkurrenz

Dabei geht es nicht um die Methode der Preisgestaltung. "Wir haben uns nie mit dem Verdacht auf etwaige Preisabsprachen befasst, das ist eine andere Baustelle", sagte Weidner. "Es geht um die Marktstrukturen, und da muss man schauen, was man machen kann und ob man was machen kann." Für die Studie untersuchten Experten die Preisbewegungen von jeweils 100 Tankstellen in Hamburg, Köln, Leipzig und München von Januar 2007 bis Juni 2010. Der Abschlussbericht soll an diesem Donnerstag offiziell vorgestellt werden.

Nach Erkenntnissen der Behörde unterhielten alle großen Mineralölkonzerne ein Beobachtungs- und Meldesystem der Konkurrenz, berichteten die Blätter. Geheimabsprachen im Hinterzimmer würden so überflüssig. "Preise absprechen ist verboten, Preise abgucken nicht", zitierte "Bild am Sonntag" einen Manager der Mineralölwirtschaft.

Ein übliches Muster ist den Berichten zufolge, dass die Marktführer mit Preiserhöhungen vorpreschen, oft an Wochenenden, vor den Ferien oder vor Ostern. Andere ziehen nach, wenige Stunden später bröckelten die Preise aber wieder ab, weil vor allem mittelständische Anbieter oder Supermarktstationen dagegenhielten.

ADAC: Konzernen auf die Finger schauen

"Dass das Benzin bei großer Nachfrage teurer wird, ist für uns keine wahnsinnig neue Erkenntnis", sagte ein ADAC-Sprecher. "Aber die Einschätzung des Kartellamtes ist eine Aufforderung, den Mineralölkonzernen genau auf die Finger zu schauen." Erst Ende vergangenen Monats war der Benzinpreis in Deutschland auf ein Rekordhoch geklettert. Mit 1,62 Euro je Liter war Superbenzin im bundesweiten Durchschnitt am 29. April so teuer wie noch nie.

Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer sagte: "Es ist schon verwunderlich, dass unser Kartellamt jahrzehntelang braucht, um das herauszufinden, was jeder Führerscheinneuling weiß. Die Tankstellenbesitzer schauen zur Nachbartankstelle und geben den Preis an die Zentrale weiter." Diese setze dann den Kraftstoffpreis fest.

Die Preisstruktur im Benzin- und Dieselmarkt sei schon etwas komplexer, erklärte Dudenhöffer: Oligopole seien fragile Konstrukte und Gleichgewichtssituationen kämen schnell aus dem Lot. Wenn ein Unternehmen eines Oligopols den Preis senke, um seinen Marktanteil zu erhöhen und den Wettbewerber aus dem Markt zu drängen, reagiere dieser Wettbewerber in der Regel sofort. Dabei bleibe der Marktanteil des ersten Unternehmens gleich, während sein Gewinn sinke. "Also verhält sich der Oligopolist eher vorsichtig und zettelt keinen Preiskrieg an. Bei Preiskriegen verlieren Oligopolisten", sagte der Experte.
Einleitung einer Preisschlacht

Daher gebe es ein "asymmetrisches Preisverhalten im Benzin- und Dieselmarkt". Wenn die Kosten etwa wegen fallender Rohölpreis sinken, dauere es ein paar Tage, bis die Benzinpreise ebenfalls sinken. Der Grund: "Man wartet auf den Nachbarn, und wenn der nichts am Preis dreht, bleibt man besser ruhig." Gehen die Kosten hoch, reagieren die Unternehmen des Oligopols schnell. Andernfalls würden sie versuchen, Marktanteile zu gewinnen und einen Preiskrieg einleiten.

Nach Weidners Angaben müssen die Konzerne weiter mit einer strengen Fusionskontrolle rechnen. "Wir haben in der Vergangenheit schon Fusionen in diesem Bereich nur in sehr begrenztem Maße zugelassen oder gar untersagt, das heißt also, eine weitere Konzentration dieses Oligopols aufgehalten", erklärte er. "Diese Linie werden wir konsequent auch in der Zukunft weiter fortführen."

Der Auto Club Europa (ACE) forderte den Staat zum Eingreifen auf. "Mächtige Konzerne unterlaufen im Gleichschritt den Wettbewerb und benachteiligen damit die Verbraucher. Das darf die Bundesregierung nicht länger hinnehmen", sagte der ACE-Vorsitzende Wolfgang Rose. Zahlreiche Politiker hätten angesichts der hohen Benzinpreise in den vergangenen Monaten "den Mund ziemlich voll genommen". Jetzt gehe es darum, dass die Regierung zugunsten der Autofahrer tatsächlich für mehr Wettbewerb an den Zapfsäulen sorge.

Am meisten verdient nach Dudenhöffers Angaben ohnehin der Staat je Liter Benzin. In Luxemburg verlange der Finanzminister 0,462 Cent pro Liter, in Deutschland immerhin 0,655 Cent. Und dazu komme noch die Mehrwertsteuer. (dpa)

Keine Beiträge vorhanden