Elektronik könnte Alkoholsünder stoppen

Vor dem Starten pusten

Elektronik könnte Alkoholsünder stoppen
Eine Autofahrerin informierte die Polizei über ihren Zustand © dpa

Weit mehr als 90.000 Autofahrer müssen jährlich ihren Führerschein wegen Alkohols am Steuer abgeben. Künftig könnte sie schon allein die Bierfahne am Anlassen des Motors hindern. Koalitionspolitiker erwägen den Einsatz solcher technischer Wegfahrsperren auch in Deutschland.

Erst pusten, dann starten: Alkoholsünder könnten künftig per elektronischer Wegfahrsperre am Autofahren nach dem Genuss von Bier, Wein oder Schnaps gehindert werden. Möglich machen dies sogenannte Alkolocks, die in einigen Ländern schon im Einsatz sind. Sie analysieren den Alkoholgehalt der Atemluft und verhindern, dass Promillesünder den Motor starten können.

Wohlwollende Prüfung

Um die Verkehrssicherheit zu verbessern, haben die Fraktionen von Union und FDP die Idee auch für Deutschland aufgegriffen. In einem gemeinsamen Antrag fordern sie Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) auf, den Einsatz der Geräte zu prüfen. Die Idee dabei: Wer bei einer Trunkenheitsfahrt ertappt wurde und ein solches Gerät freiwillig einbauen lässt, soll den Führerschein früher wiederbekommen.

Das Bundesverkehrsministerium steht «dem freiwilligen Einsatz von Alkolocks aufgeschlossen gegenüber», sagte eine Ministeriumssprecherin am Mittwoch in Berlin. Die Geräte könnten «auch bei der Rehabilitation von alkoholauffälligen Kraftfahrern sinnvoll sein». Der Antrag der Koalitionsfraktionen liege aber noch nicht vor. Alle Maßnahmen, die zur Verbesserung der Verkehrssicherheit beitragen könnten, würden wohlwollend geprüft.

Rund 1000 Euro teuer

Eine generelle Verpflichtung zum Einbau der rund 1000 Euro teuren Promilletester lehnt das Ministerium ab, da man nicht alle Autofahrer «unter Generalverdacht» stellen wolle. Wünschenswert sei ein europaweit einheitliches Vorgehen. Alkolocks sind in Schweden, Finnland, den Niederlanden, Belgien und Österreich im Einsatz - oder dafür vorgesehen.

Schwarz-Gelb will mit dem Vorstoß laut «Saarbrücker Zeitung» Fahrer zur Vernunft bringen, die wegen Trunkenheit am Steuer wiederholt aufgefallen sind. Es werde überlegt, die Zeit des Führerscheinentzugs zu verkürzen oder Punkte in Flensburg zügiger abzubauen, wenn sie sich ein solches Gerät in ihren Wagen einbauen lassen, sagte der FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic der Zeitung.

Überwindung der elektronischen Sperre

Die Promilletester ähneln einem Navigationsgerät mit Mundstück. Daneben gibt es auch in den Autoschlüssel integrierte Alkoholsensoren. Diese sind nach Angaben des Herstellers mit rund 150 Euro zwar wesentlich preiswerter, aber noch nicht am Markt.

Da sich die Geräte auch überlisten lassen, bezweifelt der Automobilclub ADAC, dass Alkotester in Fahrzeugen das Unfallrisiko mindern können. Möglich sei, dass sich zunächst jemand anderes ans Steuer setze, um das Auto freizugeben. «Und dann fährt der alkoholisierte Kraftfahrer weiter», sagte ADAC-Sprecher Klaus Reindl der Nachrichtenagentur dpa. Reindl warb für mehr Kontrollen. Zur Zeit werde in Deutschland nur jede sechshundertste Alkoholfahrt überhaupt entdeckt.

Rückläufige Zahlen

Nach der Statistik des Kraftfahrtbundesamtes gehen etwa zwei Drittel aller Führerscheinentzüge auf das Konto von Alkoholsündern. 2009 wurde 120.375 Kraftfahrern der Führerschein entzogen, 86.789 von ihnen nach Alkohol- oder Drogenkonsum, berichtet die in Halle erscheinende «Mitteldeutschen Zeitung». Jedoch sei die Zahl der Alkoholverstöße seit Jahren rückläufig.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) befürwortet den Einbau von Alkolocks in Schulbusse, Gefahrguttransporter und in Fahrzeuge rückfälliger Alkoholsünder. Zu überlegen sei, langfristig damit alle Neufahrzeuge auszustatten. Schon 2007 plädierte der Deutsche Verkehrsgerichtstag für Alkolocks. Der Verband der Technischen Überwachungsvereine hält die Geräte aber nur dann für sinnvoll, wenn Wiederholungstäter durch psychologische Betreuung zur Änderung ihres Trinkverhaltens gebracht werden. (dpa)

Vorheriger ArtikelImmer aktuell: Der Staumelder der Autogazette
Nächster ArtikelPeugeot RCZ 1.6 200 THP: Runde Sachen
Thomas Flehmer
Der diplomierte Religionspädagoge arbeitete neben seiner Tätigkeit als Gemeindereferent einer katholischen Kirchengemeinde in Berlin in der Sportredaktion der dpa. Anfang des Jahrtausends wechselte er zur Netzeitung. Seine Spezialgebiete waren die Fußball-Nationalelf sowie der Wintersport. Ab 2004 kam das Autoressort hinzu, ehe er 2006 die Autogazette mitgründete. Seit 2018 ist er als freier Journalist unterwegs.

Keine Beiträge vorhanden